Gesellschaft | Subkultur

Ein Sport für Gentlemen

Fußball mit Händen und Füßen, nennen Uneingeweihte den Rugby-Sport. Dass vielmehr dahinter steckt, konnte man beim Weltcup-Finale in der Temple Bar in Bozen erfahren.

Über sportliche Angelegenheiten schreiben wir auf diesen Seiten eigentlich kaum, Goldmedaillen und unsaubere Dopinggeschichten ausgenommen. Wenn hier nun trotzdem über die Rugby-Weltmeisterschaft, die am 31. Oktober mit dem Sieg der Favoriten Neuseeland endete, berichtet wird, dann unter dem Aspekt des besonderen, des Nischensports, der etwas über die „subculture“ im Land bzw. in Bozen aussagt. Fußball ist nicht alles, und gerade derzeit sind wieder einmal die besonders hässlichen Seiten dieses Breitensports zu sehen.

Dreh- und Angelpunkt des Rugby-Hypes in Bozen ist der irische Pub Temple Bar am Dominikanerplatz. Bereits zu den Vorrunden, die in England mit 18. September starteten, fanden sich mehr oder weniger konsistente Fan-Gruppen unter den gründen Wetterschirmen vor dem Lokal ein, am Samstag, 31. Oktober war die Bude dann rappelvoll. Dicht gedrängt stand das Publikum vor den drei Großbildschirmen und verfolgte den Kampf der beiden „Anzacs“ Australien und Neuseeland. Das Kürzel steht für Australian and New Zealand Army Corps, und bezieht sich auf das militärische Bündnis, das die beiden Länder gemeinsam mit Tonga im Ersten Weltkrieg einte. „Anzac bedeutet in diesem Fall, dass der Kampf intensiver nicht werden könnte,“ erklärt Fabienne, „wenn sich hier nun die Waffenbrüder, die brothers in arms, auf dem Rugby-Feld gegenüberstehen, dann ist das nicht nur ein einfaches Derby!“ Fabienne ist Stammgast in der Temple Bar, sie ist gebürtig aus Mauritius, der afrikanischen Inselgruppe im Indischen Ozean, wuchs aber in Australien auf und ihr Herz schlägt für die „wallabies“, genauso wie jenes von Martin. Er lebt seit langem in Bozen, sein Heimweh nach Down Under kann er aber nicht leugnen: „Australien ist einfach meine Heimat, es ist dort alles viel einfacher, das Leben, die Arbeit, die Freundschaften und Beziehungen, alles läuft lockerer ab.“

In der Temple Bar treffen sich die Australier, Neuseeländer, Iren, Schotten und Waliser Südtirols, ein Rugby-Turnier vereint sie alle, genauso wie der Sport die klassischen Länder des Commonwealth vereint. „Bei der WM ist das noch mal anders, da dürfen auch Europa und Südamerika mitmachen, für die Länder des ehemaligen britischen Königreichs gibt es schließlich die eigenen Commonwealth-Spiele,“ erklärt Fabienne. Eindeutige Favoriten waren und sind die All Blacks aus Neuseeland, sie sind im Rugby das, was die die Brasilianer für den Fußball sind. „Die All Blacks sind ein Mythos, wer die schlägt, hat mehr als nur den Titel gewonnen,“ weiß Fabienne. „Die Spieler sind unglaublich athletisch und muskulös, jeder einzelne von denen bringt an die 100 Kilo auf die Waage,“ fügt Martin hinzu. In Neuseeland gelten die Rugby-Spieler jedenfalls als richtige Kerle, und werden regelmäßig zu den sexiest Männern der Insel gewählt.

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Neben Australien und Neuseeland waren diesmal mit dabei England, das recht schnell ausschied, Wales, Südafrika, Schottland, Samoa, Fidschi, Tonga, Japan, USA, Kanada, Namibia, Argentinien, die Europäer Frankreich, Rumänien, Irland und Italien, die ebenfalls in der Vorrunde passen mussten. Die Rugby-Szene in Italien entwickelt sich stetig, seit 1929 gibt es die nationale Mannschaft, die Italiener sind mit dabei in der europäischen „Six Nations“ Liga und seit 1987 regelmäßig bei den Weltmeisterschaften. Aktuell nimmt Italien den 12. Platz im internationalen Ranking ein. Auch Bozen hat eine aktive Rugby-Szene, das Sudtirolo-Rugby mit mehreren Teams von Alt bis Jung, männlich und weiblich, an die 300 Eingeschriebene. „Forse non c’è un altro sport di squadra come il Rugby incarni in modo naturale i valori di lealtà, coraggio, sacrificio, sostegno, senso dell’amicizia e del dovere, spirito di collaborazione, impegno e divertimento, rispetto assoluto delle regole e dell’avversario," ist als Devise auf der homepage zu lesen.

Besonders wichtig angesichts des fair play ist im Rugby die sogenannte dritte Spielzeit, wenn die 80 Minuten auf dem grünen Rasen vorüber sind. Denn dann ist „socializing“ angesagt, mit belegten Broten und Getränken, die von der Heimmannschaft gestellt werden, um gemeinsam mit den Spielern, Fans und Familien das Ausklingen zu feiern. Nicht nur dieser gemeinsame Platz fehlt den Südtiroler Rugby-Spielern, in erster Linie fehlt das geeignete Spielfeld und die Bemühungen darum waren bisher nicht fruchtbringend, wie in den lokalen Medien zu lesen war.

“Rugby is a beastly game played by gentlemen; soccer is a gentleman’s game played by beasts; football is a beastly game played by beasts.” - Henry Blaha 

Rugby sei ein hartes Spiel, das jedoch von Gentlemen gespielt werde, während Fußball genau umgekehrt funktioniere; und den bestialischen Football überließe er gerne den Bestien, meinte einst der amerikanische Journalist Henry Blaha. Die Atmosphäre während des Rugby-Turniers in der Temple Bar war jedenfalls ansteckend begeisternd und erfrischend anders.

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Paolo Zanandrea Do., 09.03.2017 - 14:26

Gerne würden wir Sie zu den Rugbyaktivitäten in Meran (U8-U12), Brixen (Senioren - bayrische Verbandsliga) oder beim größten Verein, mit 300 Mitglieder in Bozen , einladen! Der Amateursport ist doch etwas anders und für (beinahe) jedermann gemacht, die Werte bleiben aber die gleichen. Es ist gut sich nicht zuviel der positiven Klischees zu bedienen, damit man nachher nicht enttäuscht wird :-). Gültig bleibt aber der Satz: "Zu sagen "Rugby" ist nur ein Sport ist, ist das gleiche zu behaupten, das Herz ist nur ein Organ". MfG Paolo

Do., 09.03.2017 - 14:26 Permalink