Gesellschaft | Chancengleichheit

Viel Arbeit für neue Beirätin

Neue Mitglieder in einem Gremium sind immer Ansporn für Neues, in diesem Sinne gilt zu hoffen, dass sich die Chancen nicht nur für Mann/Frau ebnen, sondern auch für „feminines“ Sein.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Unirat - Elisabeth Tauber
Foto: unibz

Als neue Präsidentin des Beirats für Chancengleichheit an der Universität Bozen wurde Ende Oktober Frau Dr. Alessandra Papa gewählt, die schon seit 2020 Mitglied ist, und gemeinsam mit Frau Prof. Marjaana Gunkel und Silvia Dal Sasso bzw. Sonja Tettel (als Studierendenvertretung) wichtige Vorarbeit in Sachen Datenerhebungen geleistet hat. Seit Mitte Oktober sitzt außerdem Elisabeth Tauber als Vertreterin der akademischen Berufe in diesem sehr wichtigen dreiköpfigen Organ der unibz anstelle von Frau Gunkel. Frau Tauber ist sozialkulturelle Anthropologin und unterrichtet an der Fakultät für Bildungswissenschaft, wobei sie ihre Forschungsschwerpunkte auf die Bereiche der Sinti-Roma und Gender-Studien mit Hauptaugenmerk auf Institutionen, Staat und Umwelt gelegt hat. Welche Neuerungen wird sie nun wohl in den nächsten Jahren einbringen (können...)? Und was bedeutet das eigentlich: Chancengleichheit an einer Universität?

 

Befassen wir uns vorerst mit dem Beirat für Chancengleichheit selbst: Warum braucht es diesen und worin bestehen seine Aufgaben? Weiß eigentlich jede/r inskribierte Student/in, sowie jede/r Arbeitssuchende/r, die/der auf ein Stellenangebot antwortet oder auch nur spontan eine Bewerbung sendet, dass es den Beirat gibt, an den man sich wenden kann? Also, dass dieser Beirat die Anlaufstelle ist, sollte eine Gleichstellung nicht gewährleistet sein? Wer weiß...

Laut Informationen, die auf derselben Webseite der Uni.bz zu finden sind, ist der Beirat ein „beratendes“ Organ (somit ohne Entscheidungsbefugnis) und seine Aufgabe besteht darin, „eine tatsächliche Gleichberechtigung aller Angehörigen der Universitätsgemeinschaft, unabhängig von deren Geschlecht, Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Alter, Behinderung, sexueller Identität oder von anderen Umständen, die eine Diskriminierung zur Folge haben könnten, zu fördern und zu überwachen”. (status quo am 19. November 2021, 20 Uhr: www.unibz.it) Nachdem hier das Wort „Rasse“ dem einer Religion oder einer sexuellen Identität gleichgestellt scheint, taucht für mich schon die Frage auf, ob man so was überhaupt auf eine öffentliche Webseite hinschreiben darf, heute, im Jahr 2021, vor allem in Betracht ziehend, dass es sich hier um ein Organ handelt, das die Diskriminierung aufzeigt? Laut Duden wird diese Bezeichnung als Synonym für „Bevölkerungsgruppe mit bestimmten gemeinsamen biologischen Merkmalen” als “veraltet” und “diskriminierend” definiert (status quo am 19. November 2021, 21 Uhr). Vielleicht könnte der Beirat schon gleich mal darüber nachdenken, diesen Begriff gegen einen anderen, wie z.B. “andere Hautfarbe”, auszutauschen?

 

Aber zurück zu Frau Professor Tauber, die übrigens viele interessante Studien mitbringt, nicht nur im Bereich des Sinti-Nomadismus und des Lebens im Außenseiterdasein am Rande der Gesellschaft, sondern auch solche, die sich mit der Bettlerei als Wirtschaftszweig und verschiedenen Theorien über die Begriffe “Gabe” und “Geschenk” auseinandersetzen. In der Uni-News, die ihre Wahl bekannt gibt, lesen wir folgendes intrigantes Statement von Elisabeth Tauber als Resümee über die bisher erfolgte Datenauswertung:

“Was als scheinbar individuelles Thema vorgebracht wird, entpuppt sich bei genauem Hinschauen oft als strukturelle oder systemische Ungleichheit. Diese strukturellen Formen sind historisch gewachsen, werden sozial reproduziert und spielen eine maßgebliche Rolle bei der Aushandlung von Machtpositionen und den damit verbundenen Möglichkeiten inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Daher haben wir es bis zur Gegenwart mit einem Phänomen zu tun, das als normativ männlich geprägter Diskurs verstanden wird.”

In anderen Worten könnte gesagt werden, dass eine vorzüglich männliche Besetzung der Stellen nicht nur mit deren Kompetenzen zusammenhängen muss, sondern einer strukturellen und systemischen Ungleichheit geschuldet sein könnte. Dasselbe gelte auch für die Wahl der Studieninhalte, die mit Frauenblickwinkel vielleicht schon andere Visionen für eine (zukünftige) Gleichstellung schaffen könnten… oder zumindest eine etwas weniger präpontente Haltung im Wissensbereich, sei es auf der einen oder anderen Seite. Denn Chancengleichheit muss nicht immer gleich Mann/Frau bedeuten, sondern auch einfach ein offenes Gedanken- und Aktionssystem. Es soll hier auch gesagt sein, dass es sicher nicht ausreicht, ein “Rosa-Quoten-System” einzuführen, da der Grundansatz geändert werden sollte, indem das Thema Chancengleichheit in einem sehr weiten Winkel betrachtet wird.

Wichtig ist auch noch der Ansatz, den Frau Professor Tauber unbedingt und als ersten einbringen will, denn - wie sie selbst unterstreicht - kann der erste Schritt in Richtung einer Veränderung nur der sein, der “die Sensibilisierung für Diversität innerhalb der akademischen Welt sichtbar macht”. Nach außen hin, sichtbar! Weswegen es ihr ein Anliegen ist, “auf die strukturellen und systemischen Muster zu schauen, die oft unterschwellig wirken, ohne dass es den Beteiligten selber bewusst ist”. Gleich danach stellt sie die Frage, ob es denn nicht im Interesse der Stadt Bozen sei, “eine inklusive Universität zu haben”? Eine Universität an der z.B. erwachsene Personen mit Kindern, Menschen mit Beeinträchtigung, Menschen mit anderen Hautfarben oder sexuellen Orientierungen eine für sie wertschätzende Tätigkeit ausüben können? Dank ihrer Studien hat Frau Tauber ein weitgefächertes Wissen, das die kulturellen und sozialen Differenzen betrifft; sie weiß ebenso – aufgrund der während ihrer Feldforschungen direkt gesammelten Erfahrungen - dass heterogen zusammengewürftelte Studien- oder Arbeitsgruppen aufgrund verschiedener kultureller und historischer Hintergründe oft sehr kreativ im Denken und Gestalten sein können. “Allerdings” – und dieses kleine Wörtchen sagt allein schon alles über den nächsten Gedankengang der zukünftigen Vertreterin des akademischen Personals in diesem Bereich, denn er holt sie aus der hochfliegenden Theorie auf den Boden der vorherrschenden Realität zurück: “denn unsere Verwaltungs-, Auswahl-, und Evaluationssysteme sind nicht von vorneherein darauf vorbereitet”.

 

Da gibt es eine Menge Arbeit! Beginnen will der Beirat sobald als möglich. Zur Zeit hängt ein riesiges Banner an der Hausfront, das Gegen die Gewalt an Frauen aufrütteln soll. Weiters wurde am 25. November – dem Internationalen Tag der Gewalt an Frauen – ein Webinar (in italienischer Sprache) zum Thema “La violenza di genere: problemi aperti, recenti interventi legislativi (Codice rosso) e nuovi orizzonti di tutela” veranstaltet. Wichtig wäre hier mit solchen Diskussionen, die auch für externe Teilnehmer und Teilnehmerinnen zugänglich sind, in einem kontinuierlichen Rhythmus fortzufahren, um diese „Chancengleichheit“ eben nicht nur zu einem „Geschlechter-Kampf“ ausarten zu lassen sondern einfach als Tatsache an die Öffentlichkeit und in das Bewusstsein der Menschen zu bringen. Seien die nun weiblich oder männlich oder oben oder unten oder weiß oder schwarz oder gelb...

Wir wünschen Frau Professor Tauber einen guten Start und einen stetig wachen Blick auf die von ihr genannten Themen, von denen wirklich alle profitieren können, nicht nur das akademische Personal...