Umwelt | Verkehr

Die Gipfelvorlage

Was bringen die Verkehrsgipfel der kommenden Wochen? Zumindest in der Euregio beginnt sich etwas zu bewegen, zeigt die Beschlussvorlage für den 15. Jänner.
Brennerachse
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Die Mobilität steht in diesen ersten Wochen des neuen Jahres ganz oben auf der politischen Agenda. Nicht nur in Südtirol, wo Landeshauptmann Arno Kompatscher und Mobilitätslandesrat Florian Mussner am heutigen Mittwoch Vormittag vorstellen werden, wie sie die öffentliche Mobilität im Land und vor allem in der Landeshauptstad in Zukunft gestalten wollen. Auch was den Brennertransit betrifft, gibt es in diesem Jänner gleich zwei große Termine. Am 8. Jänner findet ein Transit-Gipfel in München statt, wo sich Brüssel, Deutschland und Österreich über Maßnahmen zur Güterverkehrsverlagerung auf die Schiene, aber auch den Unmut der Bayern über die Tiroler Blockabfertigung beraten wollen. Eine Woche später, am 15. Jänner folgt dann der Euregio-Verkehrsgipfel, wo „strategische Ziele für eine gemeinsame, kohärente und nachhaltige Verkehrspolitik auf der Brennerachse“ festgemacht werden sollen.

Und wie es derzeit aussieht, könnten die Schlagworte „gemeinsam und kohärent“ erstmals nicht nur leere Worthülsen bleiben. Anlass für diese Hoffnung gibt auch der Rückenwind, den Tirols Landesregierung vor den beiden Gipfeln für ihre Verkehrspolitik erhält. Nach der vollen Unterstützung, die Neo-Verkehrsminister Norbert Hofer den Tirolern vergangene Woche für alle Maßnahmen zur Reduktion der Transitbelastung zugesichert hat, überrascht nun auch Brüssel mit einem Sanctus für die LKW-Blockabfertigung. Die Dosierung des von Deutschland kommenden Güterverkehrs auf maximal 300 LKW pro Stunde nach Feiertagen verstoße nicht gegen geltendes EU-Recht, teilte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc Deutschlands Verkehrsminister Christian Schmidt in einem Antwortschreiben auf seine Beschwerde gegen die Tiroler Maßnahme mit. Da es sich um keine systematische Beschränkung des Schwerlastverkehrs auf den Tiroler Autobahnen handle, sehe die EU darin „keine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Warenverkehrs“, argumentiert Bulc ganz auf der Linie von Tirols Landeshauptmann Günther Platter und seines Rechtsberaters Walter Obwexer.

Südtirols Frächterobmann Elmar Morandell jault zwar umgehend auf und droht mit Preiserhöhungen für die Endverbraucher, wenn heimische Frächter regelmäßig – das nächste Mal bereits am 8. Jänner – auf der Rückfahrt von Deutschland im Stau stecken bleiben. Doch die jüngsten Entwicklungen legen nahe, dass die erbitttersten Gegner der Transithindernisse, zu denen in Südtirol neben den Frächtern auch die Handelskammer mit ihrem Präsidenten Michl Ebner gehört, an Terrain verlieren. Denn nicht nur der schwarze Tiroler Landeshauptmann ist seit einiger Zeit kaum noch von seiner grünen Stellvertreterin zu unterscheiden, wenn er über Verkehrspolitik spricht. Auch in Südtirol und dem Trentino scheinen die Jahre der Untätigkeit bzw. der Ausreden auf die römische Untätigkeit in Sachen Verkehrsbelastung auf der Brennerautobahn zu Ende zu gehen und eine Annäherung an den Tiroler Kurs stattzufinden. Das lässt sich zumindest auf dem Entwurf für den Text herauslesen, den die drei Landehauptleute der Euregio am 15. Jänner verabschieden sollen.

Umwegtransit bis 2020 um ein Drittel reduzieren

Nach dem neuen Rekord von über 2,2 Millionen LKW, die den Brenner im Jahr 2017 auf der Straße passiert haben, sei nicht nur die Kapazitätsstrecke der Infrastruktur erreicht, liest man in dem Entwurf, der salto.bz vorliegt. „Die daraus resultierenden Belastungen haben ein Ausmaß angenommen, das ein gemeinsames, konsequentes, strategisches Vorgehen der Partner und die Umsetzung von Maßnahmen gemäß kurzfristigen (2020), mittelfristigen (2027) und langfristigen (2035) Zielen verlangt“, heißt es darin. Und wie Morandell & Co. noch mehr verärgern wird, zählt zu den kurzfristigen Zielen der politischen Euregio-Chefs nicht zuletzt die LKW-Blockabfertigung.  „Um an besonders verkehrsintensiven und kritischen Tagen, wie Tage nach Feiertagen oder nach Fahrverboten in anderen Regionen oder Nachbarländern, eine die Verkehrssicherheit gefährdende Situation durch eine völlige Verkehrsüberlastung zu vermeiden, werden verkehrsbeschränkende Maßnahmen, wie z. B. die Einsetzung eines Dosiersystem für ausdrücklich zulässig erachtet“, soll Mitte Jänner auf dem Euregio-Gipfel beschlossen werden. Dabei wollen die Landeschefs sich gegenseig versprechen, bei solchen Maßnahmen aufeinander Rücksicht zu nehmen – durch eine „vorhergehende Programmierung und  effiziente Kommunikation“.

Ehrgeizig ist auch das kurzfristige Ziel, den Umweg-Transitverkehr über den Brenner bis 2020 um ein Drittel zu reduzieren. Das wichtigste Vehikel dafür ist die Korridormaut, also die Vereinheitlichung und Anpassung der Mautgebühren für Transitfahrten über den Brenner an jene anderer alpenquerender Transitstrecken. Die Voraussetzungen für „eine zunehmend umwelt- und anrainerfreundliche Tarifpolitik in Italien“ sind nun durch die vollständig öffentliche Führung der A22 für mindestens 30 Jahre geschaffen worden, heißt es im einleitenden Text der Beschlussvorlage. Darin vorgesehen sind neben der Mautanpassung auch die  Einführung einer Telemautabrechnung auf der gesamten Strecke sowie begleitende Maßnahmen, mit denen ein Ausweichverkehr auf Landes- und Staatstraßen unterbunden werden soll.

Ein weiteres zentrales Element der Übereinkunft zwischen den drei Ländern wird die Umkehrung des Modal Split, also des Verhältnisses zwischen dem Güterverkehr auf der Straße und dem Güterverkehr auf der Schiene sein. 71:29 laut das heutige Verhältnis. Mittelfristig, also bis 2027, soll es 50:50 erreichen um schließlich bis 2035 spiegelverkehrt zur Ausgangslage bei 30:70 zu landen. Neben der Verwirklichung des BBT und seiner Zulaufstrecken sind für die Erreichung dieses Ziels „verkehrspolitische Rahmenbedingungen zu setzen, um die Auslastung auf der Schiene bis zur Eröffnung der neuen Infrastruktur maßgeblich zu stärken, auch durch den Ausbau von koordinierten Maßnahmen im Bereich der Rollenden Landstraße sowie im unbegleiteten Kombiverkehr“, so die Vorgabe. Dafür wollen sich die aktuellen Regierungschefs der Euregio auch bei den jeweiligen nationalen Ministerien einsetzen.

Neue LKW-Kontrollstelle in Südtirol

Weitere geplante Maßnahmen? Ein gemeinsames Verkehrsmonitoring in Form eines einheitlichen und länderübergreifenden Überwachungssystems auf der Brennerachse, das ebenfalls bis 2020 stehen soll. Die daraus gewonnenen Daten zur Verkehrsentwicklung und ihren Auswirkungen sollen Basis für die Einführung einer möglichen LKW-Obergrenze sein, heißt es in dem Entwurf. Geplant sind auch weitere Kontrollstellen für LKW,  die der Europaregion unter anderem für gezielte Kontrollen der sozialen Standards und Ruhezeiten für LKW-Fahrer dienen sollen. In Anlehnung an die Tiroler Erfahrungen soll zu diesem Zweck bis 2020 „auf der südlichen Anfahrt zum Brenner eine LKW-Kontrollstelle eingerichtet werden, um die Verkehrssicherheit zu verbessern“, heißt es in der Beschlussvorlage.  

Noch sind die Unterschriften unter das Dokument nicht gesetzt. Doch die Richtung ist vorgegeben. Und so lässt selbst Fritz Gurgisers Transitforum vorerst von Südtirol ab, wo „seit Jahrzehnten nichts für die Menschen, für die Wirtschaft und für den hochsensiblen Gebirgsraum mit seinen engen Tälern getan wird, um die Belastungen aus dem LKW-Transit auf ein erträgliches Maß zu reduzieren“, wie er noch im Oktober kritisierte. Vielmehr prangert das Transitforum nun die Deutschen in einem offenen Brief an ihrer Verkehrsminister Christian Schmidt als Hauptverursacher der Transitmisere an. Die Frage des Brenner-Transits sei nicht durch politische Verkehrsgipfel zu lösen, sondern durch Anwendung bereits bestehender nationaler und internationaler Gesetze, meint Fritz Gurgiser darin. Zumindest als Stimmungsbarometer, ob die Bayern nun auch nach dem Brief aus Brüssel nicht doch noch stärker auf Euregio-Kurs einschwenken, könnte der Müncher Gipfel am kommenden Montag dennoch dienen. 

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Sigmund Kripp Di., 06.02.2018 - 08:55

Kann man eigentlich die notorischen Befürworter des "freien" Warenverkehrs direkt für die gesundheitsschädlichen Wirkungen ihrer verfehlten Politik der letzten Jahrzehnte persönlich haftbar machen? Ich denke da an die großen Frächter, an manchen Präsident einer Handelskammer und an manche Verkehrspolitiker......
So, dass diese Vergiftungsbefürworter, sagen wir mal, einen Teil der Klinikbudgets mit abdecken müssten? Wäre das nicht eine wirkungsvolle Sache?

Di., 06.02.2018 - 08:55 Permalink