Gesellschaft | Soziales

Sozialer Alleingang

Dürfen soziale Dienstleistungen ein Mittel sein, um Bauern einen lukrativen Nebenerwerb zu beschaffen? Warum die soziale Landwirtschaft in der Branche auf Kritik stößt.
Soziale Landwirtschaft
Foto: Südtiroler Bäuerinnen

Kathrin Huebser und Martha von Wohlgemuth haben eine klare Position. „Wir sind bestimmt keine Verhinderer und Bremser und haben nichts gegen soziales Engagement aus verschiedensten Bereichen“, sagen die Vorsitzende und die stellvertretende Geschäftsführerin des Landesverbandes für Sozialberufe (LVS). „Doch wir fordern ein, dass der Sozialberuf Wertschätzung und einen gebührenden Platz erhält und der Ausgangspunkt für soziale Dienstleistungen immer noch die Bedürfnisse der Anspruchsberechtigten und nicht die Bedürfnisse des Anbieters sind“.

Grund für diese Ansage: der Gesetzesentwurf zur sozialen Landwirtschaft, den die Landesregierung am Dienstag verabschiedet hat. Damit sollen die sozialen Tätigkeiten, die immer mehr Bäuerinnen und Bauern mit  Betreuungsangeboten für Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigung als Nebenerwerbstätigkeit am Hof entdecken,  erstmals einen gesetzlichen Rahmen erhalten. Als „klassische Win-Win-Situation”, bezeichnete Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag die Entdeckung der sozialen Ader vieler LandwirtInnen. 

Doch ähnlich wie bei der am Dienstag abgesegneten Neustrukturierung seines Ressorts die Handwerker auf die Barrikaden gingen, ruft auch diese Entscheidung Protest hervor.  Rotes Tuch für die Vertreterinnen der Sozialberufe mit Fachausbildung ist einerseits die mangelnde Einbeziehung ihrer Berufskategorie in diesen sozialen Vorstoß der Landwirte, anderseits aber auch die Kommunikationsweise, mit der er begründet wird. Denn im Vordergrund stünden dabei fast immer die zusätzlichen Erwerbsmöglichkeiten am Hof, die Erwerbserweiterung und die Sicherung des bäuerlichen Einkommens, kritisieren Martha von Wohlgemut und Kathrin Huebser . „Durch die soziale Landwirtschaft soll jetzt ein neuer sozial-unternehmerischer Bereich eröffnet werden und dieser wird in einem Atemzug mit dem Urlaub am Bauernhof, der Direktvermarktung  der Produkte auf Bauernmärkte, im Hofladen oder als Direktlieferanten, genannt“, meinen die Verbandsvertreterinnen.

"Wir können es uns auch nicht anmuten, in der Sozialarbeit über das Wolfsmanagement zu reden."

Somit gehe aber nicht nur unter, dass es vielmehr um die Bedürfnisse der Anspruchsberechtigten gehen soll, sondern auch, dass solche „pflegerische, pädagogische, therapeutische und weitere soziale Dienstleitungen“ nicht als von der Sozialarbeit losgelöste Dienstleistungen bzw. Angebote geführt werden könnten. „Denn Pflege wird von Fachkräften der Pflege, Therapien von Therapeutinnen und  Soziale Arbeit von Fachkräften in der Sozialarbeit gewährleistet“, sagt Martha von Wohlgemuth. Die sozialen Dienstleistungen am Bauernhof können deshalb laut den Vorstellungen ihres Verbandes  nur als niederschwellige Unterstützungen und Ergänzungen zu den bestehenden Angeboten  bzw. Gesetz geführt werden. „Soziale Landwirtschaft kann nicht entkoppelt von allen Regelwerken und als Alternative zu den Betreuungsangeboten des Landes gestaltet werden, sondern es braucht eine Abstimmung und ein Miteinbeziehen des Berufsstandes und der Trägerkörperschaften  im Sozialbereich“, fordert der Verband für Sozialberufe.

Doch eine solche Abstimmung sei bislang weder von Seiten des Bauernbundes und seiner Bäuerinnenorganisation noch von Seiten der Landesregierung gesucht worden, kritisieren seine Vertreterinnen. „Vielmehr haben wir uns im Vorjahr an sie gewandt, weil immer öfter Anfragen von Menschen bei uns eintrudelten, die wissen wollten, ob sie mit ihrer Ausbildung als Seniorenbetreuer am Bauernhof auch in anderen Bereichen arbeiten können“, erzählt Martha von Wohlgemuth. In Folge von Treffen mit Maria Hochgruber Kuenzer und Landesrat Arnold Schuler sei ihnen zwar zugesichert worden, dass man ihnen den Gesetzentwurf vorab zukommen lasse. „Bis heute haben wir jedoch nie etwas zu Gesicht bekommen,“, sagt von Wohlgemuth. Auch der Bitte, das eigene Angebot in der Kommunikation klar abzugrenzen, werde weiterhin nicht nachgekommen.

„Um es klar zu sagen: Wir können es uns auch nicht anmuten, in der Sozialarbeit über das Wolfsmanagement zu reden“, sagen die beiden Vertreterinnen des Landesverbandes der Sozialbetreuung. Ob die Bäuerinnen und Bauern im Land dazu im Umkehrschluss auch noch gesetzlich ermutigt werden, werde sich zeigen, sobald der Gesetzesentwurf nun öffentlich wird. Sicher ist: Beim LVS wird er mit Argusaugen geprüft werden.