Gesellschaft | Migration

Jeder vierte Arbeiter ist Nicht-EU-Bürger

Der erste Bericht der Koordinierungsstelle für Einwanderung gibt einen umfassenden Überblick über Migration und Integration – und schärft den Blick auf die neuen Südtiroler.

Wer sind die Menschen, die aus anderen Ländern nach Südtirol gekommen sind, wie leben und arbeiten sie, und welche gesetzlichen Bestimmungen und Initiativen gibt es, um ihre Integration und das Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung zu fördern?  Der am Donnerstag Vormittag vorgestellte Bericht „Einwanderung und Integration in Südtirol“ ist der breiteste Überblick über den Status quo in diesem Bereich, der in den vergangenen Jahren veröffentlicht wurde, betonten Integrations-Landesrat Roberto Bizzo und Abteilungsdirektor Helmuth Sinn bei der heutigen Vorstellung.

Ein Einblick in die Lebensrealität von 44.362  Menschen mit 134 unterschiedlichen Nationalitäten, die mittlerweile  8,7 Prozent aller Südtiroler Ansässigen stellen. Auffällig hoch ist dabei laut Helmuth Sinn im Vergleich zu anderen Provinzen der Anteil der EU-Ausländer, die ein Drittel aller Ausländer ausmachen.

Anhand von drei konkreten Daten machte der Direktor der Abteilung Arbeit fest, wie sich das Gesicht der Einwanderung in Südtirol verändert: So ist der Anteil von Frauen in der vergangenen zehn Jahren signifikant gestiegen: Kamen 2001 auf 100 Frauen 116 Männer, waren es 2011 auf 100 Frauen nur mehr 90 Männer. Darüber hinaus sind heute mehr als die Hälfte aller ausländischen Kinder bereits in Südtirol geboren. Und: Zuwanderer sind mit einem Durchschnittsalter von 33,5 Jahren fast zehn Jahre jünger als die inländische Bevölkerung – wirken also dem Phänomen der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung entgegen.

95 Prozent verrichten Arbeitertätigkeiten

Interessante Daten enthält auch der Teil der Publikation, der sich mit den Arbeitsbedingungen von Zuwanderern beschäftigt. Hier wird klar wie selten deutlich, dass vor allem Nicht-EU-Bürger jene Arbeiten verrichten, die von Einheimischen in einer Wohlstandsgesellschaft nicht mehr gesucht werden. Denn sie haben nicht nur häufiger  prekäre Arbeitsverträge als andere Bevölkerungsschichten; über 95 Prozent von ihnen verrichten auch Arbeitertätigkeiten. Über die Hälfte der Frauen arbeiten dabei als Reinigungskraft, Hausangestellte oder Hauspflegekraft. Bei den Männern überwiegen unqualifizierte Tätigkeiten wie „allgemeiner Arbeiter“ oder Hilfskraft.

Unter Einrechnung der Saisonarbeiter stellen Zuwanderer, die aus Staaten außerhalb der EU-15 kommen, mittlerweile 13 Prozent der abhängig Beschäftigten. Betrachtet man nur die Privatwirtschaft sind es überhaupt 17 Prozent. Beeindruckend wird der Prozentsatz unter den Nicht-Angestellten: Hier stammt mit 24 Prozent fast jeder Vierte Beschäftigte von außerhalb der alten EU-Staaten.

Mehr Sensibilität in Berichterstattung gefragt

Außerhalb solcher Statistiken gibt der Bericht aber auch einen Überblick über die Einrichtungen und Initiativen, die im Oktober 2011 mit dem Landesgesetz zur Integration verabschiedet und teilweise umgesetzt wurden.  Neben der Koordinierungsstelle für Einwanderung und dem Netzwerk der Integrationsbeauftragten zählen dazu die Integrationsreferenten in den Gemeinden und Bezirksgemeinschaften. Wie konkrete Integrationsbemühungen in den Gemeinden aussehen können, wird in der Publikation anhand von ersten Erfahrungen in Plaus und Eppan aufgezeigt. Darüber hinaus gibt ein Beitrag der Europäischen Akademie einen Überblick über gesetzliche Neuerung zum Thema Integration auf staatlicher Ebene. Interessant ist auch eine Medienanalyse, die aufzeigt, wie Personenen mit Migrationshintergrund in der Berichterstattung dargestellt werden. Das Fazit? Die lokale Berichterstattung liegt zwar über dem Niveau mancher nationaler Medien; dennoch würde mehr Sensibilität bei der Wortwahl zum Abbau von Klischees beitragen.

Insgesamt bleibt in Sachen Integration allerdings noch viel mehr zu tun als bereits getan wurde, unterstrich Helmuth Sinn. Nicht nur was die Umsetzung des Landesgesetzes betrifft, wo bis dato die Einrichtung einer Anti-Diskriminierungsstelle, die Regelung der interkulturellen Mediation sowie die Einsetzung eines Landeseinwanderungsbeirates ausständig sind. Vielmehr sei Integration ein permanenter beidseitiger Prozess.