Politik | Rom

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Lega und Fünf-Sterne-Bewegung fordern rasche Neuwahlen. Staatspräsident Sergio Mattarella steht nun vor einer schwierigen Entscheidung.
Verbotener Kuss
Foto: Sonja Schiefer

Nach Wochen ergebnislosen Parteienhaders gibt es nur eine Gewissheit: Italien steuert auf Neuwahlen zu.
Was bei den Bürgern Frust auslöst, verleitet die zerstrittenen Parteien zu rätselhaften Höhenflügen. Lega-Chef Matteo Salvini fordert vom Staatspräsidenten einen preincarico, eine der unzähligen Optionen  am institutionellen Schachbrett Italiens. Mit diesem Sondierungsauftrag will er einen letzten Anlauf zur Bildung einer Regierung mit der Fünf-Sterne Bewegung unternehmen, die jedoch bereits abgewinkt hat. Luigi Di Maio fordert Neuwahlen im Juni - ein illusorisches Unterfangen, da das Parlament mindestens 45 Tage vor der Wahl aufgelöst werden muss und für die Vorbereitung in den Auslandswahlkreisen rund zwei Monate nötig sind. Wahlen im Hochsommer hat es in der Geschichte der Republik noch nie gegeben und sie werden auch jetzt nicht in Betracht gezogen. 

Dass bei der Regionalwahl im Friaul gut die Hälfte der Wähler zuhause geblieben sind, kann als zusätzliches Warnsignal gelten. Die Fünfsterne-Bewegung hat im Friaul in zwei Monaten 13 Prozent ihrer Stimmen eingebüsst, ein deutliches Indiz für die wachsende Unzufriedenheit der Basis mit den Entscheidungen der Parteiführung – vor allem dem Angebot einer Koalition mit dem Partito Democratico. Wenige Tage vor dem für Dienstag einberufenen Parteivorstand des PD hat Matteo Renzi mit einem gewohnt arroganten Fersehauftritt für zusätzlichen Zündstoff in der zerstrittenen Partei gesorgt. Es könne keine Zusammenarbeit mit den Grillini geben. Der Ex-Premier dürfte im Vorstand mit 117 zu 92 Stimmen noch immer über einen Vorsprung in der von Implosion bedrohten Partei verfügen. 

Sicher scheint in diesem Chaos nur eines: der Staatspräsident wird versuchen, Neuwahlen so lange wie möglich zu verzögern.

 

Übergangskabinett

Staatspräsident Mattarella steht nun vor einer schwierigen Entscheidung. Im Gespräch sind verschiedene Optionen: governo di minoranza, governo di tregua, governo di unità nazionale, governo di scopo.... 

Eines steht fest: Vor seiner Auflösung muss das Parlament in jedem Fall ein neues Wahlrecht verabschieden, das Mehrheitsbildung und Regierbarkeit gewährleistet – kein kleiner Brocken, wenn man weiss, wie lang sich die Parlamentarier in den letzten Jahren mit diesem Problem beschäftigt haben – ohne es letztendlich zu lösen. Salvini will zudem vorher wichtige (und populistische) Reformen verabschieden wie die Änderung des Fornero-Rentengesetzes. Als Druckmittel nutzt der Lega-Chef den deutlichen Wahlerfolg im Friaul, der dafür gesorgt hat, dass das Rechtsbündnis nun den Norden Italiens von der slowenischen bis zu französischen Grenze regiert. Dagegen hat der PD mit Molise und Friaul in nur 14 Tagen zwei Regionen verloren – unmissverständlicher könnte die Krise der Partei kaum verdeutlicht werden. Ob sich die Gerüchte über Renzis Absicht, eine neue Bewegung nach dem Vorbild jener Macrons zu gründen, wirklich bewahrheiten, werden die nächsten Wochen erweisen.

Für Matteo Salvini wäre das ein neuer Anlass, sich die Hände zu reiben. Er verfügt als einziger über eine schlagkräftige und geschlossene Partei, in der es keine internen Konflikte gibt.
Sicher scheint in diesem Chaos nur eines: der Staatspräsident wird versuchen, Neuwahlen so lange wie möglich zu verzögern und eine befristete Regierung zu beauftragen, die bis zum Jahresende arbeiten kann – wenn ihr im Parlament niemand einen Strich durch die Rechnung macht.