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China- ein fairer EU-Partner?

Vor wenigen Tagen lud China zum Seidenstraßen-Gipfel nach Peking ein. Darunter auch die Europäische Union, einen seiner wichtigsten Handelspartner.
Cina
Foto: upi

Mit seinem Mega-Projekt Neue Seidenstraße will China ein riesiges Handelsnetzwerk nach Europa und Afrika aufbauen um seine Waren auf dem Land-und Seeweg Richtung Westen zu transportieren. Dafür investiert das Land in den Bau von Transport-und Energieinfrastruktur, also Pipelines, Häfen, Straßen. Mit Kosten zwischen 1,4 und 8 Trillionen Dollar wäre es das größte Einzelinvestitionsprojekt der Geschichte. Bereits im 5. Jh. v. Chr. war die sogenannte Seidenstraße, die von China über Zentralasien nach Europa führte, die Hauptroute für den Warenaustausch vom Orient in den Okzident. Über die alte Seidenstraße brachte Marco Polo die ersten Spaghetti aus China nach Italien. Nun will China die antiken Handelswege wiederbeleben. 2013 verkündete Peking erstmals das Projekt der Neuen Seidenstraße. Spätestens seitdem Italien in diesem Jahr als erstes G7-Land eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit an dem chinesischen Infrastrukturprojekt unterzeichnet hat, ist das Thema auch in europäischen Medien präsent. Obwohl China die Offenheit und Vorteile des Projekts stets betont, wird es von vielen Ländern mit Skepsis betrachtet. Das verdeutlichen Zeitungstitel wie „Chinas Griff nach globaler Macht“ oder „Mittelpunkt der neuen Weltordnung“. 

Aus diesem Grund will China der Welt sein Projekt erklären, es ihr schmackhaft machen, und seine Partner, von dessen Investitionen die Initiative abhängt, überzeugen. Zu diesem Anlass lud China Ende April die Staats-und Regierungschefs zum zweiten Seidenstraßen-Gipfel nach Peking ein. Christer Ljungwall war bei diesem Gipfel als Experte dabei. Der Schwede ist Professor für Wirtschaft an der Pekinger Universität HSBC Business School und arbeitete davor an der schwedischen Botschaft für Wissenschaft und Innovation in China. Dr. Ljungwall hörte auf dem Gipfel zu, als der chinesische Staatschef Xi Jinping der Welt verkündete, China setze auf multilaterale Zusammenarbeit, auf eine transparente Umsetzung der Projekte und werde sich an die allgemein verbindlichen Regeln für einen fairen Handel halten. Also genau jene Versprechen, die bisher als von China nicht eingehalten kritisiert wurden. Dr. Ljungwall verfolgte auch den EU-China Gipfel vor zwei Wochen, den europäische Führungskräfte als einen Erfolg verkauften, und einen ersten Schritt Chinas in die richtige Richtung. Der Experte und Wirtschaftsprofessor begegnet dem Erfolgsversprechen jedoch mit etwas mehr Vorsicht: „Es wurden verschiedene Instrumente und Projekte für die Zusammenarbeit mit China beschlossen. Dabei ging es vor allem um den Ex-und Import von Waren, sowie Forschungszusammenarbeit. Das zeigt die Bereitschaft der EU, auf langfristige Sicht mit China zusammenzuarbeiten. Allerdings wurden jene Themen, bei denen man sich noch uneinig ist, und die Konfliktpunkte darstellen, beiseitegelegt. Die verschwinden aber nicht einfach. Sobald es um die konkrete Umsetzung der Projekte geht, werden diese wieder an die Oberfläche kommen.“

Über die alte Seidenstraße brachte Marco Polo die ersten Spaghetti aus China nach Italien. Nun will China die antiken Handelswege wiederbeleben.

Zu diesen Punkten gehört die Tatsache, dass die meisten Seidenstraßen-Projekte immer noch an chinesische Firmen gehen, und somit vielmehr China, wie deren Partnern nutzen. Viele fürchten sich außerdem davor, durch Chinas Investitionen in Abhängigkeit zu geraten, in sogenannte Schuldenfallen, wie es etwa mit Sri Lanka der Fall war. Das Land konnte Chinas Kredit für den Bau eines Hafens nicht zurückzahlen, weshalb dieser nun für die nächsten 99 Jahre China gehört und Peking somit Zugang zum Indischen Ozean sichert. Aus diesem Grund blicken viele EU-Länder kritisch auf Italiens jüngsten Deal mit China. Bisher sicherte China der italienischen Regierung Investitionen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro unter anderem für den Bau von italienischen Häfen zu. Dr. Ljungwall sieht die Sorge der EU als berechtigt: „Es ist natürlich beunruhigend, wenn ein Nicht-EU-Land eine kritische Infrastruktur eines Mitgliedslandes besitzt. Denn das würde heißen, dass es einfach Kontrolle übernehmen kann und Bedingungen bestimmen. Das passiert gerade und daher ist es ein sehr legitimer Punkt aller Skeptiker, über den wir sprechen müssen. Wir sollten vorsichtig bleiben, und externe Investitionen genau untersuchen.“ Wohl auch aus diesem Grund etablierte die EU im März das sogenannte Instrument zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen. Diese Verordnung ermöglicht es den einzelnen Mitgliedsländern, koordiniert ausländische Investitionen zu prüfen, um sicherzustellen, dass keine EU-Interessen in strategisch wichtigen Bereichen gefährdet werden.

Ein weiterer Kritikpunkt gegenüber China ist die fehlende Marktoffenheit. Obwohl es in einigen Sektoren eine leichte Verbesserung geben werde, ist der Experte Ljungwell überzeugt, dass wir in den kommenden Jahrzehnten kaum eine Öffnung von Chinas Märkten erleben werden: „China ist sehr gut darin, Freihandelsabkommen mit Ländern zu unterzeichnen. Freier Handel ist aber nicht dasselbe wie ein offener Markt. Es ist ein Abkommen zwischen zwei Staaten, mit dem für bestimmte Waren Zölle abgeschafft werden. Das heißt nicht, dass der Markt für alle Länder zu den gleichen Konditionen zugänglich wird. In dieser Hinsicht wird es in Zukunft noch viele Streitpunkte geben.“

Was bei der Seidenstraße aber vor allem auf der Strecke bleibt sind Umwelt- und Sozialstandards. Das autoritäre China ist nicht gerade bekannt für seine Einhaltung von Menschenrechten, fairen Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit. Gerade hier sei der Einsatz der EU und anderer Demokratien gefragt, meint Dr. Ljungwall. Die EU müsse dafür sorgen, dass die Infrastrukturprojekte der Neuen Seidenstraße den von der UNO vereinbarten Zielen für Nachhaltige Entwicklung entsprechen. Geeint könne die EU einen großen Einfluss in dieser Hinsicht ausüben, erklärt der Experte: „Wir können Chinas Innenpolitik natürlich nicht beeinflussen. Aber sobald eine europäische Firma oder europäisches Geld in einem Projekt involviert ist, können wir die Voraussetzungen für die Umsetzung des Projekts mitbestimmen.“ Um diese Standards zu gewährleisten, müsse die EU aber mit einer Stimme sprechen. So lautet auch die vorwiegende Meinung internationaler Experten: „Wenn alle EU Mitglieder sich zu den UNO-Zielen für Nachhaltigkeit verschreiben, und jedes Mitglied bei der Umsetzung der Projekte daran festhält, dann ist das schon mal ein sehr starker Einfluss. Die EU ist ein sehr wichtiger Handelspartner für China. Jetzt, nach dem Konflikt mit den USA, umso mehr!“, betont Ljungwall.

Doch gerade diese einheitliche Stimme fehlt der Union. Die EU hat noch keine gemeinsame Außenpolitik, viele koordinierte Politikbereiche scheitern am Veto einzelner Länder, manche Mitglieder entscheiden sich für den Alleingang mit China. Ein Beispiel ist etwa das 16+1 Forum, eine Kooperation zwischen 16 Ost-und Mitteleuropäischen Staaten und China. Und nun schert auch noch Italien aus einer gemeinsamen EU-politik aus. Laut dem Wirtschaftsprofessor Ljungwall sei die Unterzeichnung des Abkommens mit China aber noch nicht das Entscheidende. Der große Test für Italien und Europa zeige sich erst später, wenn die Investitionen in strategischen Bereichen der Infrastruktur konkret umgesetzt werden. „Da wird man dann sehen müssen, wie sich Italien wirklich verhält. Italien muss sich der Vorteile, aber auch der potentiellen Probleme bewusst sein. Das heißt, man muss sich fragen: Unter welchen Konditionen wird der Deal vereinbart, werden die UNO-Ziele für Nachhaltige Entwicklung eingehalten, wie wird der Deal finanziert? Das sind praktische Aspekte, über die Italien jetzt nachdenken muss.“ Und auch in Zukunft müsse jeder weitere Mitgliedsstaat, der sich für eine bilaterale Annäherung an China entscheide, darauf achten, das gemeinsame Rahmenwerk an EU Regeln nicht zu verletzen. 

Die EU hat noch keine gemeinsame Außenpolitik, viele koordinierte Politikbereiche scheitern am Veto einzelner Länder, manche Mitglieder entscheiden sich für den Alleingang mit China.

In einigen Politikbereichen gibt es aber auch gute Ansatzpunkte zur Koordination, etwa bei den europäischen Umweltstandards. Dr. Ljungwall sieht Grund zur Hoffnung: „Es scheint so, als hätte die EU in letzter Zeit ihre gegensätzlichen Interessen etwas runtergespielt und versucht, einheitlich mit China zu sprechen. Und ich denke, das wird früher oder später auch passieren.“ Doch schon jetzt zeigt sich diese Entwicklung. Das verstärkte Engagement der EU wurde vom französischen Staatspräsidenten Emanuel Macron gar als „europäisches Erwachen“ bezeichnet. Ende letzten Jahres verabschiedete der Rat der europäischen Union eine gemeinsame EU-Strategie zur Förderung der Konnektivität zwischen Europa und Asien. Der Ansatz soll, ähnlich wie die Neue Seidenstraße, die Vernetzung durch Infrastruktur durch Zentralasien stärken. Es soll aber ein alternativer Ansatz sein, bei dem Standards für Nachhaltigkeit, Sozialschutz und Achtung der individuellen Rechte stärker im Fokus stehen. „China versteht das Konnektivitäts-Projekt als Strategie der EU um sich in die Neue Seidenstraße positiv zu integrieren“, erklärt Dr. Ljungwall, „es wird mehr Kooperation mit China fördern, aber auch Möglichkeit für Alternativen schaffen, wo Kooperation nicht möglich ist.“ Die allmählich verstärkte Zusammenarbeit der EU in ihrer Chinapolitik zeigt, dass die Mitglieder sich langsam der Bedeutung dieser Initiative bewusst werden, den Vorteilen, aber auch den potentiellen Risiken. Um den internationalen Handel in Zukunft fair und nachhaltig mitgestalten zu können, bedarf es aber noch mehr Zusammenarbeit, inklusive USA. Mehrmals plädierten Europäische Führungspersönlichkeiten dafür, ihre Chinapolitik mit den USA zu koordinieren, allerdings stoß dieser Vorschlag auf wenig Begeisterung bei dem transatlantischen Partner. Dr. Ljungwall macht sich darüber keine allzu großen Sorgen und verkündet gelassen: „Wir haben die Freude in einer Demokratie zu leben. Das heißt Regierungen kommen und gehen, Positionen ändern sich.“

Der Wirtschaftsprofessor hält eine transatlantische Kooperation also durchaus für möglich, vor allem aber, sei sie essentiell, wolle man eine grenzenlose Macht des autoritären Chinas eindämmen: „In 10 Jahren wird China 25 Prozent des globalen BIPs ausmachen. Das ist ein riesiger Teil. Die EU wird ungefähr 18 Prozent entsprechen, die USA 22 Prozent. China wird von vielen daher als der entscheidende Akteur wahrgenommen. Aber wenn wir gemeinsam unsere Chinapolitik koordinieren, hätten wir eine doppelt so starke Wirtschaftsmacht. Nimmt man Kanada, Südamerika und andere Demokratien dazu, können wir unsere Stimme durchsetzen.“ Es gäbe zwar das Risiko für mehr Protektionismus, sollte die EU sich entscheiden, mit Marktschließung auf Chinas mangelnde Beachtung internationaler Regeln zu antworten, erklärt der Experte. Allerdings erreiche die EU viel mehr, wenn sie China stärker in die internationale Handelsordnung integriere, aktiv kommuniziere und verhandele. Denn man könne das Land und sein Projekt der Neuen Seidenstraße nicht länger ignorieren: „Die Seidenstraße-Initiative ist nicht ein Projekt, dass in Zukunft umgesetzt wird, oder irgendwann mal passieren wird. Es passiert jetzt, in diesem Augenblick, und es schreitet voran. Ob die EU es will oder nicht, sie kann nicht so tun, als gäbe es die Initiative nicht. Die EU kann sich entscheiden: Entweder sie kämpft dagegen und macht es zum Problem, oder sie zieht Nutzen daraus, und kooperiert mit China in den möglichen Bereichen.“ Wie es nach dem letzten EU-China Gipfel im April den Anschein erweckt, ist die EU dabei, sich für Option B zu entscheiden, und sich somit gegen den Protektionismus der USA zu stellen. Die EU geht ihren eigenen Weg. Nicht den, der Unilateralität und Abschottung, sondern den, des Dialogs und der Kooperation.

 
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19 amet Do., 02.05.2019 - 18:41

Ich möchte nur das hier auch wiederholte Märchen des Marco Polo der die Spaghetti aus China nach Italien gebracht hätte widerlegen. 100 Jahre bevor Marco Polo geboren wurde, hat der arabiche Geograf al Idrisi in Siyilien den Ort Trabia beschrieben, in dem eine schwungvolle Produktion von "Ithrya", in Streifen geschnittenen Nudeln, betrieben wurde, die auch getrocknet und per Schiff verladen wurden. Die Erfindung und Verbreitung der trockenen Nudeln wird den Arabern zugeschrieben, und durch deren Händler über das Mittelmeer verbreitet. Schon 1244 gibt es ein Dokument in Genua in dem "Nudel" erwähnt werden. Als Marco Polo 1295 aus Asien zurückkehrte waren also die getrockneten Nudel bereits weitum bekannt.

Do., 02.05.2019 - 18:41 Permalink
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19 amet Do., 02.05.2019 - 19:00

Ich möchte nur das immer wiederkehrende Märchen widerlegen, dass Marco Polo die Spaghetti aus China mitgebracht und darauf diese in Italien bekannt wurden.100 Jahre vor der Geburt Marco Polos hat der in Sizilien lebende arabische Geograph Al Idrisi den Ort Trabia bei Palermo beschrieben, wo eine schwungvolle Produktion von getrockneten "Itriyah" Bandnudeln betrieben und diese auch auf Schiffe verladen wurden. 1244 wurde in einem Dokument in Genua Nudeln erwähnt. Als Marco Polo1295 aus Asien zurückkam waren diese Bandnudeln und auch die Lasagne bereits weitum bekannt.

Do., 02.05.2019 - 19:00 Permalink
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Peter Gasser So., 05.05.2019 - 10:40

Projekt der neuen Seidenstrasse:
China reagiert auf die Erderwärmung und damit darauf, dass Waren über See (bisher mit Schweröl betriebene Supertanker) oder Luftfracht (mit schädlichem Kerosin betriebene Flugzeuge) in Zukunft viel zu teuer werden, bzw. dieser Warenverkehr schwierig bis unmöglich wird. Um trotzdem wenigstens an den europäischen Konsumentenpool heranzukommen: Züge über die Seidenstrasse.
Porsche hat bereits angekündigt, seine Autos künftig auf diesem Weg nach China zu bringen.
Wie einst die Portugiesen den Warenverkehr zwischen Europa und Asien monopolisierten, werden dies bald die Chinesen tun: sie werden das neue Tor in den gesamten asiatischen Raum.

So., 05.05.2019 - 10:40 Permalink