Wirtschaft | Asbest

Gefährliche Altlasten

Die Bonifizierungskosten für die Erweiterung des NOI-Techparks sind doppelt so hoch wie geplant. Die Suche nach den Verantwortlichen könnte jetzt alte Wunden aufreißen.
IDM & NOI Techpark
Foto: IDM Südtirol
Ulrich Stofner verweist gegenüber RAI Südtirol auf einen Rechtsgrundsatz. „Wer die Verschmutzung verursacht hat, der zahlt“. 
Der Ressortdirektor von Landeshauptmann Arno Kompatscher, der als Direktor der BLS Südtirol auch für den Bau des NOI Techpark verantwortlich zeichnet, muss sich derzeit mit einer unangenehmen Umweltgeschichte befassen. 
Das Land Südtirol hat für die Erweiterung des Technologieparks bereits vor Jahren die Gründe der Ex-„Speedline“ angekauft. Weil der Boden der ehemaligen Stahlwerke verseucht ist, hat man beim Kauf knapp 3,5 Millionen Euro an Kosten zur Bonifizierung des Baugrundes mit einberechnet. Jetzt wurde aber bekannt, dass die Belastungen im Boden weit größer sind als angenommen. Die Kosten für die Bodensanierungen könnten sich demnach im schlechtesten Fall verdoppeln.
Die Fragen, die man deshalb in den vergangenen Tagen in den Medien stellte: Wer zahlt und - vor allem - wer ist Schuld an dieser falschen Kostenschätzung?
Se non otterremo dalle ditte la disponibilità a riconoscere il proprio ruolo nell’inquinamento, inizierà una procedura più complessa di ricerca delle responsabilità“, meinte Giulio Angelucci, der Direktor des Landesamtes für Abfallwirtschaft gegenüber dem Alto Adige.
Was aber niemand sagt: Ausgerechnet die Suche nach den Verantwortlichen könnte am Ende in einem weit größeren politischen Scherbenhaufen enden. 
 
 
Denn einige der brisanten Fakten zur aktuellen Polemik liegen in einen halben Dutzend Aktenordnern im Archiv des Bozner Landesgerichts begraben. Unter dem Aktenzeichen 1910/12 sind dort die Ergebnisse einer Ermittlung der Bozner Finanzwache gesammelt, die – dass muss unterstrichen werden - am Ende für alle Beteiligten mit einer Archivierung endete. 
Diese Dokumente führen nicht nur in die hohe Landespolitik, sondern sie machen auch deutlich, dass einige, die jetzt öffentlich reden, die eigene Mitverantwortung an der Affäre „Speedline“ anscheinend vergessen haben.
 

Die Ermittlung

 
Am 7. August 2014 reichten die beiden stellvertretenden Staatsanwälte Giancarlo Bramante und Igor Secco beim Voruntersuchungsrichter für den Fall 1910/12 einen Antrag auf Archivierung ein. Das Verfahren richtet sich gegen die beiden bekannten Bozner Unternehmer Giovanni und Alex Podini sowie gegen den damaligen Wirtschaftslandesrat Thomas Widmann und BLS-Direktor Ulrich Stofner. Fast zwei Jahre lang hatte die Bozner Finanzwache gegen das Quartett ermittelt. Bankkonten wurden beschlagnahmt, Geldflüsse von Panama über die Schweiz nach Südtirol rekonstruiert und alle Beschuldigten angehört. Strafrechtlich relevante Verfehlungen konnten aber nicht belegt werden; deshalb der Archivierungsantrag der Staatsanwaltschaft. Einige Woche später kommt der Voruntersuchungsrichter diesem Ansinnen nach. Das Verfahren gegen alle vier Beschuldigten wird annulliert.
Was aber durchaus ungewöhnlich ist: Der Archivierungsantrag des Duos Bramante/Secco umfasst 69 Seiten. Akribisch werden darin alle Ermittlungsschritte nachzeichnet. Vor allem aber liest sich das Dokument in weiten Teilen eher wie eine Anklageschrift. 
Im Zentrum des Berichts steht dabei ein kolossaler Interessenkonflikt des damaligen Wirtschaftslandesrates Thomas Widmann. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt: Thomas Widmann betrieb jahrelang ein gemeinsames Agrarunternehmen mit Giovanni Podini in der Toscana, während er als Landesrat und Mitglied der Landesregierung verschiedenste Immobilienoperationen und Beschlüsse zu Gunsten der Unternehmer mit entschied. 
Weil Widmann aber in der Ermittlungsphase aus dem Unternehmen austritt  und alle Beteiligten die beanstandeten Geldflüsse stimmig offenlegen können, müssen am Ende alle Beschuldigungen fallen gelassen werden.
 
 
Ermittelt wird in diesem Verfahren auch gegen Ulrich Stofner. Dabei geht es genau um jenen Deal, der jetzt wieder in die Schlagzeilen kommt. Den Verkauf des ehemaligen „Speedline“- Grundes in der Bozner Industriezone. Dieses Areal war von einer Podini-Gesellschaft angekauft und dann an das Land bzw. das BLS weiterverkauft worden. Zwischengeschaltet wurde eine Leasingsgesellschaft. Als BLS-Direktor war Stofner federführend an dem Kauf beteiligt. Weil Stofner wenig später aber von einer Podini-Firma privat eine Attikawohnung im Zentrum von Bozen ankaufte, mutmaßten die Ermittler, dass es hier zu Korruption gekommen sei könnte.
Doch Ulrich Stofner konnte über seine Anwälte nachweisen, dass er die Wohnung zum Marktpreis und ohne Rabatt erworben und auch selbst bezahlt hat.
Deshalb auch die Archivierung, die seit fast fünf Jahren Rechtskraft erlangt hat.
 

Der Deal

 
Im Ermittlungsakt wird detailliert auch der Verkauf des Speedline-Grundes nachgezeichnet. Dabei kamen schon damals Details und Fragen an das Tageslicht, die mit der aktuellen Entwicklung neue Bedeutung erlangen könnten.
Am 16. Juni 2006 verkauft die „Speedline Srl“ den Grund an die Podini-Gesellschaft „Dantebau Srl“. Der Kaufpreis: 9,8 Millionen Euro. 
Nachdem das Land den Beschluss zur Errichtung des Technologieparks im ehemaligen Alumix-Gelände fasste, wurde schnell klar, dass man für Erweiterung des NOI auf den angrenzenden Speedline-Grund zurückgreifen muss. Laut aktuellem Plan soll dort unter anderem jetzt die neue Ingenieursfakultät der Uni Bozen entstehen.
Im Frühjahr 2010 kommt es zu ersten Gesprächen zwischen der BLS, dem Land und Alex Podini. Am 10. Juli 2010 macht die Dantebau ein offizielles Angebot. Man würde den Grund um 17.010.816 Euro an das Land abtreten. Da aber von vornherein klar ist, dass der Boden verseucht ist und damit bonifiziert werden müssen, würde sich der Kaufpreis auf 13,5 Millionen reduzieren. Die Bodensanierung gehe dabei auf Kosten des Landes.
Weil das Schätzamt des Landes für den Speedline-Grund aber einen niedrigeren Preis ermittelt, einigt man sich am Ende auf einen Kaufpreis von 11.597.646 Euro. Am 1. Oktober 2010 übernimmt das Land um dieses Geld das Ex-Speedline Areal.
 
 

Die Bonifizierungskosten


Die zentrale Frage in der aktuellen Diskussion sind jetzt aber die Kosten für die Bodensanierung. Die Gesamtkosten für den Abbruch der bestehenden Gebäude wie auch die Bonifizierung der Böden wurden im Kaufvertrag mit 3.491.194 Euro beziffert. 
Der Betrag wurde aus einem Gutachten und Vorprojekt des Mailänder Unternehmens Arcadis ermittelt, das der private Verkäufer dem Land Anfang 2010 vorlegte. Der Kopf von Arcadis war damals der Bozner Geologe und Schwager von Landesrat Thomas Widmann, Lorenz San Nicolò. Der renommierte Geologe legte eine detaillierte Kostenberechnung samt Bodenanalysen vor.
Alex Podini übermittelt dieses Gutachten am 28. Jänner 2010 an das BLS, das es wiederum an das Landesamt für Abfallwirtschaft weiterreicht. Dort sollen das Gutachten und die Kostenschätzung für die Bodensanierung überprüft werden. Das passiert auch. Am 18. März 2010 gibt Amtsdirektor Giulio Angelucci grünes Licht. In einem offiziellen Schreiben an die Dantebau und die BLS werden das Gutachten und die Kostenschätzung für gut und angemessen befunden. Die knapp 3,5 Millionen Euro würden demnach für die Bodensanierung ausreichen.
 
 
Man muss davon ausgehen, dass das Landesamt das Arcadis-Gutachten auf Herz und Nieren geprüft hat. Geologe Lorenz San Nicolo gilt in der Branche als zuverlässig und seriös.
Aber bereits drei Jahre später kommt Giulio Angelucci dann aber zu einem anderen Schluss. 2013 merkt der Amtsdirektor, dass die Kosten für die Bodensanierung – nach einem Vorprojekt der BLS – um 1,9 Millionen Euro höher sein werden.
Im Mai 2018 gibt der Giulio Angelucci in der Beantwortung einer grünen Landtagsanfrage Kosten von 5.555.468,40 Euro für die Bodensanierung an. Interessant ist aber der Grund für diese Mehrkosten, die der damalige Landesrat Richard Theiner den Grünen mitteilt. Man müsse mehr Material entsorgen als ursprünglich angenommen, weil man so die Höhenquote besser an die umliegenden Infrastrukturen anpassen könne. 
Inzwischen spricht man aber bereits von rund 7 Millionen Sanierungskosten. Wobei man im ersten Baufortschritt mit den ursprünglich geplanten 3,5 Millionen Euro auskommt.
Vor diesem Hintergrund dürfte die jetzt angekündigte Spurensuche nach den Schuldigen mehr Ablenkung sein. Weder die früheren Besitzer noch die privaten Verkäufer wird man zur Kasse bitten können. Sie haben vor neun Jahren die Absolution des zuständigen Landesamtes erhalten.
Wenn schon wird man deshalb im eigenen Haus nach den Verantwortlichen suchen müssen.