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Down the drain

Bei jedem Toilettengang werden wichtige und immer knapper werdende Nährstoffe einfach weggespült. Nun sollen die menschlichen Exkremente als Dünger auf die Felder kommen.
© 2022 zirkulierBAR – REGION.innovativ
Foto: © 2022 zirkulierBAR – REGION.innovativ

“Für alle Menschen, die uns ihre inneren Werte anvertrauen”, liest man auf der Webseite von Finizio, einem 2018 gegründeten Unternehmen, das sich um die Wiederverwertung von menschlichen Exkrementen bemüht. Die oben zitierten “inneren Werte” stehen dabei nicht für abstrakte Wertvorstellungen und Ideen, sondern für ganz konkrete Materie: Kot und Urin. Wie der Firmenname suggeriert, versucht Finizio, unsere Endprodukte (fine) an den Anfang (inizio) zu stellen: Die in unseren Ausscheidungen enthaltenen Nährstoffe wie Phosphor oder Kalium sollen wiederverwertet werden und es als Biodünger auf unsere Felder schaffen. Gar nicht so einfach, wenn man die technischen und vor allem rechtlichen Barrieren bedenkt, die es dafür noch zu lösen gilt. Im Rahmen des Forschungsprojekts ZirkulierBAR, das vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wird, werden die verschiedenen Möglichkeiten nun erprobt und ausgebaut. Die ersten Früchte konnten bereits geerntet werden. 

 

Was wäre, wenn…

 

Was, wenn Kot und Urin, die bei Festivals in den Dixi-Toiletten landen, nicht weggeworfen, sondern wieder in natürliche Kreisläufe eingebunden würden? Mit der Antwort auf diese Frage verdient Finizio sein Geld: Die vom Forstwirt Florian Augustin vor vier Jahren gegründete Firma Finizio stellt öffentliche Toiletten für Großveranstaltungen zur Verfügung und löst damit die chemisch gereinigten Dixi-Klos mit sogenannten Trockentoiletten ab.

 

Die Trockentoiletten sind gut durchlüftete Kabinen, die die Benutzer:innen dazu einlädt, ihr Geschäft zu verrichten und etwas Stroh darüber zu streuen. Mithilfe eines Drainagesystems wird dann der Urin vom Kot getrennt und in separaten Behältern aufbewahrt. So wird der Geruch - anders als beim klassischen Dixi-Klo - neutralisiert und die Exkremente können später aufbereitet und wiederverwendet werden.

 

Wert- und Gefahrstoff

 

Dabei können Kot und Urin nicht einfach über die Felder gestreut werden: „Uns ist bewusst, dass wir sowohl mit einem Wert- als auch Gefahrstoff arbeiten”, betont Augustin gegenüber der Berliner Tageszeitung “die Taz”. Die menschlichen Exkremente könnten nämlich Antibiotikareste, Bakterien oder andere Schadstoffe enthalten. Wie permanent durchgeführte wissenschaftliche Studien belegen, kann diese Gefahr bei richtiger Aufbereitung - wobei die Exkremente in den Finizio-Toiletten durch sehr hohe Temperaturen unschädlich gemacht werden - jedoch ausgeschlossen werden.

 

Das deutsche Düngerecht verbietet die Verwendung von menschlichen Exkrementen als Ausgangsstoff.

 

Verkaufen darf das Unternehmen den Humus bisher trotzdem nicht: Wie in den meisten europäischen Ländern verbietet das deutsche Düngerecht die Verwendung von menschlichen Exkrementen als Ausgangsstoff. Die gewonnenen Nährstoffe können also nur dank einer Sondergenehmigung im Rahmen des Forschungsprojekts ZirkulierBAR an teilnehmende Bauern verschenkt werden. 

 

Warum das Ganze?

 

ZirkulierBAR zielt darauf ab, eine kommunale Nährstoffwende einzuleiten, indem Nährstoffe aus verzehrten Lebensmitteln zurückgewonnen und diese im Sinne einer nachhaltigen regionalen Kreislaufwirtschaft wieder der Landwirtschaft zugeführt werden. Herzstück des Projektes ist die seit 2018 betriebene Pilotanalge von Finizio, in der die gewerblich gesammelten Inhalte aus Trockentoiletten zu Humuskompost und flüssigem Mehrnährstoffdünger veredelt werden. Diese sollen nun erweitert und technisch ausgebaut werden, um wertvolle Rohstoffe wie Phosphor oder Stickstoff für den Nahrungsmittelanbau ohne Einbußen in Qualitätssicherung und Verbraucherschutz zurückzugewinnen.

 

 

Wissenschaftler:innen unterstützen Finizio dabei, die Qualität und hygienische Unbedenklichkeit der Recyclingdünger zu sichern (wobei deutlich strengere Anforderungen gelten als für Dünger, Klärschlamm und Gülle). Zudem sollen in einem zweiten Schritt die rechtlichen und kulturellen Barrieren, die den Einsatz und die Akzeptanz von Recyclingdünger bremsen, abgebaut werden. Bis dato sind aus menschlichem Harn und Kot hergestellte Düngemittel in Europa nämlich nur in Lichtenstein und der Schweiz legal auf dem Markt erhältlich. 

 

Die ersten Früchte

 

Im August des letzten Jahres wurde zum ersten Mal in Deutschland Roggen geerntet, der mit Humusdünger aus Inhalten von Trockentoiletten gedüngt wurde. Der Ertrag hat die Erwartungen laut Finizio dabei deutlich übertroffen: “Gegenüber der Null-Variante zeichnet sich eine Düngewirkung ab. Wie vorausgesagt liegt die chemische Düngung zwar weit vorne auf Platz eins, – aber genau da liegt das Ziel unserer Lernkurve: die Herstellung von qualitativ hochwertigem Humusdünger, der in naher Zukunft eine greifbare Alternative zur synthetischen Nährstoffkeule bietet”.