Politik | Landesgesetzentwurf

Direkte Demokratie hat schweren Stand

„Wenn man will, dass in Südtirol politisch nichts weiter geht,“ hatte LH Kompatscher öffentlich verlauten lassen, „braucht man nur diesen Gesetzentwurf zu verabschieden."
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Das verheißt einen noch steinigen Weg fürs neue Landesgesetz „Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung“, den eine Arbeitsgruppe des Landtags (Foppa, Amhof, Noggler) in einem mehr als zweijährigen, partizipativen Prozess erstellt haben. Offene Veranstaltungen in allen Bezirken, Anhörungen von Experten, Anregungen von Bürgern und Vereinen: vor allem Amhof und Foppa hat ein veritables „Vernehmlassungsverfahren“ (Beispiel Schweiz) angestoßen, der sich als „Versuch der Vermittlung versteht zwischen den divergierenden Erwartungen der unterschiedlichen Teile der Gesellschaft, zwischen jenen der Politik und der Bürger und zwischen jenen der politischen Mehrheit und Minderheit (Begleitbericht zum Gesetzentwurf).

In der  Tat gibt es im jetzt vorliegenden Entwurf bedeutsame Neuerungen. So wird die Zahl der Wahlberechtigten, die eine Volksabstimmung veranlassen können, auf 8.000 einheitlich abgesenkt. Ein wesentlicher Schritt zur Erleichterung, auch wenn die Pflicht zur Beglaubigung der Unterschriften durch Amtspersonen bleibt. Auch ein Drittel+1 der Landtagsabgeordneten wird eine Volksabstimmung veranlassen können, was eigentlich nicht zur Natur der Referendumsrechte als Bürgerrechte gehört und schwerlich durch den Landtag zu bringen sein wird. Das Quorum wird von heute 40% auf 25% abgesenkt und erstmals wird das bestätigende Referendum auf Landesgesetze eingeführt, das Vetorecht der Bürger. 300 Promotoren sollen vor Inkrafttreten eines Landesgesetzes eine Volksabstimmung beantragen können, dann in kurzer Frist 8.000 Unterschriften sammeln und damit eine Abstimmung erwirken (Näheres in dieser POLITiS-Publikation).

Wichtig auch die Neuerung, dass bei „ethnisch-kultureller Sensibilität“ einer Fragestellung nicht die bloße landesweite Mehrheit beim Volksentscheid ausreichen wird, sondern auch die Mehrheit in jenen Gemeinden erforderlich sein wird, wo jene Sprachgruppe die Mehrheit bildet, die die Frage der Sprachgruppensensibilität aufgeworfen hat. Diese Bestimmung könnte es der italienischen Sprachgruppe erleichtern, die dort weit verbreitete Skepsis gegenüber direkter Demokratie zu mildern. Keinen Erfolg hatte die im Vorfeld oft erhobene Forderung nach dem bestätigenden Referendum auf wichtige Beschlüsse der Landesregierung.

Der neue Gesetzentwurf wagt auch den Einstieg in ein weiteres Feld der Bürgerbeteiligung, nämlich die deliberative (also nicht-entscheidende) Bürgerbeteiligung. Allerdings wird nur eine von 15-20 möglichen Formen gesetzlich verankert, nämlich der Bürgerrat, eine der schwächsten Formen. Diese ist vor allem in Vorarlberg auf Gemeindeebene in den vergangenen Jahren mit gewissem Erfolg angewandt worden, hat in letzter Zeit aufgrund ihrer Zahnlosigkeit viel an Zuspruch und Interesse bei den Vorarlbergern eingebüßt. Ein wichtiger Aspekt der Bürgerbeteiligung wird mit diesem Entwurf wesentlich ausgebaut, nämlich die Information, Transparenz und politische Bildung. Der Landtag soll künftig die Pflicht haben, vor jeder Volksabstimmung alle Wahlberechtigten mittels einer Broschüre zu informieren. Ein eigenes Büro für Bürgerbeteiligung für die Begleitung dieser Prozesse und für politische Bildung wird beim Landtag errichtet.

Insgesamt ist dieser Gesetzentwurf von Foppa/Amhof/Noggler sowohl gegenüber den bestehendem Landesgesetz Nr.11/2005 als auch gegenüber dem letzten SVP-Gesetz vom Juni 2013 ein ganz wesentlicher Fortschritt. Es wird nicht mehr mit übermäßigen Hürden und einem zweistufigen Verfahren versucht, die Bürger möglichst von der Nutzung von Beteiligungsrechten abzuschrecken, auch wenn das unnötige Beteiligungsquorum noch bleibt. Es wird das bestätigende Referendum eingeführt und es werden Maßnahmen zur aktiven Unterstützung der Bürgerbeteiligung verankert. Grüne und Amhof+Noggler haben sich auf einen Kompromiss geeinigt. Das Problem ist nun zweierlei: zum einen die Schwächen dieser Kompromisslösung, zum anderen der Rest der SVP. Nur einige Beispiel für die Schwächen: es gibt kein bestätigendes Referendum auf wichtige Beschlüsse der Landesregierung, sondern nur eine nicht bindende Volksbefragung darauf. Es fehlt ein Gegenvorschlagsrecht des Landtags bei den Volksinitiativen. Es gibt eine schwache Form der deliberativen Demokratie. Zum anderen der politische Rückhalt. Dieses Gesetz wird von den Grünen und einem Teil der deutschen Opposition befürwortet, aber noch lange nicht vom SVP-Apparat als solchem. Mächtige Verbände werden innerhalb der SVP noch ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Wird der Entwurf aber im Landtag weiter verwässert, geht die SVP auch ein Risiko ein, nämlich jenes einer Neuauflage des bestätigenden Referendums vom Februar 2014, als eine klare Mehrheit der Wählerschaft das SVP-Gesetz vom Juni 2013 versenkte. Ein solches Referendum fiele zudem ins Wahljahr 2018, vielleicht doch ein Anlass für die SVP, sich in Sachen Beteiligungsrechte einen Ruck zu geben.