Gesellschaft | Soziales

Unsichtbare Leidtragende

Die Verwirklichung von Inklusion darf wegen der Pandemie nicht pausieren. So die Forderung am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember.
Eltern mit Kind mit Beeinträchtigung
Foto: Unsplash

Menschen mit Beeinträchtigung trifft die Corona-Pandemie besonders hart: Eine Mischung aus Sorge um die Gesundheit, Isolation und Improvisation bestimmt den neuen Alltag. Sorge um die Gesundheit, weil Menschen mit Beeinträchtigung sehr oft zur Hochrisikogruppe zählen. Die damit einhergehenden Vorsichtsmaßnahmen stellen viele Familien vor eine sehr große Herausforderung.

Anlässlich des 3.Dezember, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen, startet in Südtirol eine Plakatkampagne unter dem Motto „Gemeinsam durch die Krise – Inklusion leben, Rechte garantieren“. Die Aktion appelliert an die Politik, an die öffentliche Verwaltung und an die Gesellschaft als Ganzes, ursprüngliche soziale Anliegen auch in der Krise nicht aus den Augen zu verlieren.

 

Leben im neuen Alltag

 

Angelika Stampfl, Präsidentin des Arbeitskreises Eltern Behinderter (AEB), bezeichnet die plötzliche Veränderung der Gewohnheiten als „sehr belastend“. Ohne Sport, ohne Therapie, ohne Gruppentreffen und ohne Schule finde eine besorgniserregende Vereinsamung statt. Insbesondere für Kinder mit Behinderung sei eine ständige Förderung sehr wichtig, um einen Rückgang in der Entwicklung zu vermeiden.

Stampfl hebt die Zusammenarbeit mit der Landesregierung positiv hervor. Als Krankenpflegerin auf der Covid-Station weiß sie um die Gefahr des Virus und hat Verständnis für die Maßnahmen. Dennoch, viele Familien stehen tagtäglich vor der Herausforderung, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. „Oft ist das nur mit viel Improvisation und größtmöglicher Anstrengung zu bewältigen“, zeigt Angelika Stampfl auf. Der AEB konnte einige Lockerungen erreichen: Vom Kindergarten bis zur Oberstufe dürfen Kinder mit Beeinträchtigung in den Präsenzunterricht, verhaltensauffällige Kinder müssen nicht verpflichtend die Maske tragen, längere Spaziergänge sind trotz Lockdowns möglich und in einigen Schulen tragen Lehrer*innen transparente Masken für hörgeschädigte Kinder. In teilstationären Einrichtungen arbeiten geschlossene Kleingruppen abwechselnd, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten. Zusätzlich wird regelmäßig getestet. Stampfl hofft, dass die Eindämmung der Pandemie es bald ermöglicht, die Kurzzeitpflege wieder anzubieten. Familien würden so von ihrer ununterbrochenen Betreuungsaufgabe zum Teil entlastet werden.

 

Gelebte Inklusion auch nach Corona

 

Die AEB-Präsidentin hat auch Wünsche für die Zeit nach Corona. Dazu zählt die Inklusion der Menschen mit Beeinträchtigung in die Gesellschaft in allen Lebenslagen, von der Frühförderung bis ins Alter. „Wir glauben daran, dass viele Menschen mit Behinderungen durch entsprechende Förderung ein hohes Maß an Selbstständigkeit erreichen könnten, um das Leben eigenständiger zu führen“, so Stampfl. Sie fordert mehr Arbeitsplätze auf dem offenen Markt – Angestelltenverhältnisse mit entsprechender Versicherung und Rentenvorsorge. „Wir Eltern überschätzen unsere Kinder nicht. Es gibt einige Arbeiten, die sie sicherlich ausüben könnten. Auch leistbare, betreute Wohngemeinschaften sollten gefördert werden, für Menschen mit wenig und viel Unterstützungsbedarf.“

Inklusion soll auch in der Freizeit stattfinden. Menschen mit Beeinträchtigung sollten aktiv, auf ihre Weise mitwirken können und dadurch in die Gruppe integriert werden, zum Beispiel in Musikkapellen und in Jugendgruppen. Ausschließlich Sondermaßnahmen seien nicht wünschenswert und nicht zielführend. „In jeder Gemeinde gibt es Sozialreferent*innen, es zählt zu ihrer Aufgabe, für die Menschen mit Beeinträchtigung vor Ort, in der Gemeinde, zu sorgen“, so Stampfl.

Der Verein Arbeitskreis Eltern Behinderter setzt sich seit über 40 Jahren für Kinder mit Beeinträchtigung ein. Angelika Stampfl will und wird weiterkämpfen: „Für mehr Inklusion, vielseitige Förderung und für mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung in der Gesellschaft.“