Politik | Interview

“Touristenzüge sind zukunftsweisend”

Bald fährt wieder ein Nachtzug direkt von Rom nach Innichen. Bürgermeister Klaus Rainer ist erfreut – und hofft, dass sich nun auch beim Mobilitätszentrum etwas bewegt.
Probefahrt Rom–Innichen
Foto: Facebook/Daniel Alfreider

Er hat nicht damit gerechnet. Vielleicht für den nächsten Sommer. Doch die Nachricht erreicht Klaus Rainer während des Gesprächs mit salto.bz: Noch im Dezember fährt wieder ein Nachtzug direkt von Rom nach Innichen. Dort ist Rainer seit 2020 Bürgermeister. Erfreut nimmt er die Nachricht, die sowohl Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider als auch der ehemalige Pusterer STA-Präsident Martin Ausserdorfer bestätigen, entgegen. Warum wird die Zugverbindung, die es bis in die 1990er Jahre gab, nun reaktiviert? Und was bringt sie Innichen? Eine Menge, ist Klaus Rainer überzeugt. Doch es gibt auch Kritik.

salto.bz: Herr Rainer, Sie freuen sich?

Klaus Rainer: Ja, sicher! (lacht)

Dabei schienen Sie sich noch vor einigen Tagen nicht mit Martin Ausserdorfer einig zu sein, “von wem die Initiative ausging”.

Es ist so: Anfang Juni war ich mit Vertretern des Innichner Tourismus bei den Ferrovie dello Stato, um über die Wiedereinführung dieser Direktverbindung zu sprechen. Der für die Reaktivierung touristischer Züge in Italien zuständige Funktionär hat zugesichert, sich darum zu kümmern. Vorige Woche habe ich mitbekommen, dass es eine Probefahrt gegeben hat. “Hoppla, da geht jetzt etwas weiter”, habe ich mir gedacht. Die Reaktivierung der Verbindung ist am Ende ein gemeinsamer Erfolg von Gemeinde, Land und STA.

Über die Testfahrt waren Sie nicht informiert?

Nein. Wir haben zwar immer wieder Rückmeldungen aus Rom bekommen, dass die Sache in die Wege geleitet werden soll, aber von dieser Probefahrt habe ich konkret nichts gewusst.

 

Sie sind nur wegen Rom–Innichen nach Rom gepilgert?

Nein. Es ist auch – ich kann das offen und ehrlich sagen –, um den Stillstand beim Innichner Mobilitätszentrum gegangen. Es gibt ein Projekt noch von früheren Gemeindeverwaltungen, bei dem nichts weitergeht. Die Arbeiten aufseiten des Schienennetzbetreibers RFI (Rete Ferroviara Italiana) sind eingeschlafen. Im Sommer hat es zwar einen Lokalaugenschein gegeben. Bei dem hat sich allerdings herausgestellt, dass RFI gegen die Verlegung des Bahnhofs Richtung Ortszentrum ist. Das kann nicht sein.

Die Landesregierung hat bereits 2018 grünes Licht für die Verlegung gegeben. Warum ist die nötig?

Unser Ziel ist, das Mobilitätszentrum so nahe wie möglich ins Dorf zu rücken. Der aktuelle Standort Außerkirchl ist für mich nicht der richtige. Wir sind im Sommer mit sehr, sehr vielen Touristen konfrontiert, die glücklicherweise mit dem Zug anreisen. In Spitzenzeiten ergeben sich dadurch Situationen mit Fußgänger- und Radfahrerströmen, die äußerst schwer händelbar sind. Die Verlegung Richtung Polizeikommissariat wäre ideal. Dort wäre auch Platz für die fünf Bahngleise, die die RFI in Innichen sagt zu benötigen. Beim Außerkirchl ist das unmöglich. Man muss also die Bedürfnisse der RFI mit denen der Gemeinde und der STA unter einen Hut bringen.

Es ist einfach zeitgemäß, dass Leute die Chance haben, mit dem Zug in Urlaubsdestinationen anzureisen

Warum wurde Rom–Innichen eigentlich eingestellt?

Mit der Einführung des Stunden- bzw. des Halbstundentaktes haben die Direktzüge zurückgefahren werden müssen. Weil sie auf der Linie nicht Platz haben – außer sie fahren zu außergewöhnlichen Zeiten.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nun Regionalzüge gestrichen werden?

Ich kann mir vorstellen, dass manche Taktzüge wegfallen werden, ja.*

 

Es gibt bereits etwas Missmut: Den Menschen vor Ort werden Züge gestrichen, um Touristen direkt nach Innichen zu holen? Und das auch noch vor dem Hintergrund, dass es so gut wie keine Direktzüge aus dem Pustertal nach Bozen gibt?

Diese Reaktionen kann ich voll nachvollziehen. Aber man muss bedenken, dass die Direktzüge am Wochenende fahren: einer kommt Samstag früh in Innichen an und einer fährt Sonntag abends nach Rom ab. Die Einschränkungen für Pendler werden also so gering wie möglich gehalten. Andererseits kann die gesamte Ausrichtung der Züge nicht immer auf Bozen bzw. den Hauptlinien passieren.

Wie meinen Sie das?

Wir haben mit diesen touristischen Zügen früher sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht. Innichen ist dank dieser Züge sehr bekannt geworden. Und ist es noch, selbst in Rom. Viele Gäste wünschen sich diese Direktverbindung. Es ist einfach zeitgemäß, dass Leute die Chance haben, mit dem Zug in Urlaubsdestinationen anzureisen. Touristenzüge werden in ganz Europa immer attraktiver. Sie sind zukunftsweisend.

Weil bei RFI alles so langsam und schwerfällig ist, kommen wir beim Mobilitätszentrum ganz schwer weiter

Die Stimmung in Innichen ist also mehrheitlich gut?

Beim Tourismus sicher. Und ich denke, wenn man etwas tun will, um den Individualverkehr der Touristen etwas einzuschränken, muss man auch solche Angebote schaffen. Das größte Handicap, das Touristen haben, die bei uns mit dem Zug anreisen, ist, dass sie ein Mal in Bozen und ein zweites Mal in Franzensfeste umsteigen müssen. Mit der Riggertalschleife wird sich das sicher bessern. Aktuell aber ist es einfach viel zu umständlich. Wenn man mit Familie, Koffern und vielleicht noch Skiern unterwegs ist, ist es ideal, wenn man am Abend in Rom in den Zug ein- und um 8 Uhr morgens in Innichen aussteigen kann.

Aber nicht alle werden in Innichen auch bleiben.

Im gesamten Hochpustertal haben wir ideale Busverbindungen. Bei uns ist Urlaub ohne Auto ohne weiteres möglich. Als ich noch in Innichen gewohnt habe – inzwischen wohne ich als pendelnder Bürgermeister in Toblach –, habe ich selbst nie ein Auto gebraucht. Das ist in ländlichen Gebieten alles andere als selbstverständlich.

Rechnen Sie damit, dass mit der Wiederaufnahme des Direktzuges auch Investitionen in die Bahnhofsinfrastruktur bzw. das geplante Mobilitätszentrum auf Schiene gebracht werden?

Hoffentlich! Wenn es die alleinige Kompetenz der Gemeinde wäre oder die des Landes, dann hätten wir ein Mobilitätszentrum oder barrierefreie Bahnsteige so schnell wie möglich realisiert. Als ich vor Kurzem mit der Frecciarossa von Rom nach Bozen gefahren bin, ist neben mir eine ältere Dame aus dem Zug gestürzt. Weil beim Aussteigen 40, 50 cm zum Bahnsteig fehlen. Selbst der Bahnhof in Bozen ist nicht barrierefrei. Und das im Jahr 2022! Aber weil das gesamte Innichner Bahnhofsgelände RFI gehört, die jegliche Genehmigung erteilen muss und es so schwierig ist, mit RFI zu sprechen, alles so langsam und schwerfällig ist, kommen wir in diesem Punkt ganz schwer weiter. Ich hoffe aber und setze mich dafür ein, dass mit der Einführung dieses Zuges noch mehr Wert auf die Infrastruktur gelegt wird.

 

*Nach Informationen von salto.bz entfällt Samstag früh und Sonntag Abend jeweils ein Regionalzug, der aber von dem Direktzug ersetzt wird; sprich, der Zug aus Rom hält im Pustertal zwar nicht an allen Haltestellen, soll aber – so die Bestrebungen – mit dem Südtirolpass benutzt werden können.

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Hartmuth Staffler Sa., 03.12.2022 - 15:32

Für manche Menschen, wie zum Beispiel den Bürgermeister von Innichen, sind die Bedürfnisse von Touristen natürlich wichtiger als die der Einheimischen. Ich frage mich, ob das die Menschen, die diesen Bürgermeister gewählt haben, auch so sehen.

Sa., 03.12.2022 - 15:32 Permalink
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Hartmuth Staffler Sa., 03.12.2022 - 15:32

Für manche Menschen, wie zum Beispiel den Bürgermeister von Innichen, sind die Bedürfnisse von Touristen natürlich wichtiger als die der Einheimischen. Ich frage mich, ob das die Menschen, die diesen Bürgermeister gewählt haben, auch so sehen.

Sa., 03.12.2022 - 15:32 Permalink
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Hartmuth Staffler So., 04.12.2022 - 08:23

Antwort auf von Ceterum Censeo

"Die Einschränkungen für die Pendler werden so gering wie möglich gehalten", sagt der Bürgermeister. Er hält also die Streichung von zwei Lokalzügen nicht für wichtig. Außerdem wird diese Einschränkung des Lokalverkehrs in erster Linie nicht Pendler, sondern einheimische Skifahrer treffen. Wenn auch der Herr Ceterum Censeo Touristen für wichtiger hält als Einheimische, dann soll er das offen sagen und nicht wie üblich zur Ablenkung falsche Anschuldigungen erheben.

So., 04.12.2022 - 08:23 Permalink
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Johannes Engl Mo., 05.12.2022 - 21:28

Wenn die Zugstrecken so stark beansprucht werden, dann wird das wohl hoffentlich die Investitionen von den Straßen weg in Richtung Ausbau und Modernisierung der Zugstrecken lenken. Das wäre mehr als logisch und dringend nötig.

Mo., 05.12.2022 - 21:28 Permalink