Chronik | Bergdrama

"Bergführer verließ seine Gruppe nicht"

Erste Ermittlungsergebnisse der Schweizer Staatsanwaltschaft entlasten den Bergführer des Dramas am Pigne d’Arolla. Und zeigen, dass es schon vor der Nacht begonnen hat.
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Foto: http://www.guidealpine.it

„Das hat Mario nicht verdient“, erklärte die SVP-Landtagsabgeordnete und begeisterte Alpinistin Veronika Stirner nach der medialen Verurteilung des Bergführers der in den Schweizer Alpen verunglückten Bozner. Neue Erkenntnisse der Walliser Staatsanwaltschaft und des italienischen Bergführerverbands relativieren das angebliche Versagen von Mario Castiglioni ebenfalls. „Bergführer Marco C. ließ Gruppe doch nicht im Stich“, titelten Schweizer Zeitungen angesichts der ersten Ermittlungsergebnisse durch die Walliser Behörden. Demnach sei die Gruppe schon am Vormittag aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse vom Weg abgekommen. Außerdem sei Mario Castiglioni während der Nacht bei seiner Skitourengruppe geblieben, bevor er aufbrach, um Hilfe zu suchen und dabei zu Tode stürzte. Der italienische Bergführer "verließ während der Nacht seine Gruppe nicht", präzisierte die Staatsanwaltschaft demnach. 

Laut einer Rekonstruktion der italienischen Bergführervereinigung (Collegio Nazionale Guide alpine Italiane), die sich auf Aussagen der Walliser Polizei und der dortigen Bergretter stützt,  wurde Castiglioni am Morgen an einer etwas tiefer gelegenen Stelle als der Rest der Gruppe gefunden. „Er war der erste, der in dieser Tragödie ums Leben kam“, heißt es in der Aussendung, „Man weiß nicht, ob wegen des Sturzes oder der Kälte oder wegen beiden.“ Die Rekonstruktion des Dramas durch die Walliser Polizei und die Bergführervereinigung widerspricht den Anschuldigungen des überlebenden Mailänder Architekten Tommaso Piccioli teilweise. Er hatte in Interviews unter anderem erklärt, Castiglioni habe im Gegensatz zu ihm kein GPS-Gerät dabei gehabt, und die Gruppe sei deshalb ihm gefolgt. „Die Gruppe war für die Tour perfekt ausgerüstet“, heißt es dagegen in der Aussendung der Guide alpine Italiane. „Der Bergführer hatte alle für die Sicherheit nötigen Geräte bei sich: GPS, Satellitentelefon und ein Smartphone mit einer topographischen Karte der Schweiz.“ 

Laut den bisherigen Ermittlungen hatte die Gruppe, die von Mario Castiglioni geführt wurde, gemeinsam mit einer - ungeführten - französischen Gruppe die Nacht vom Samstag 28. auf Sonntag 29. April in der Hütte "Cabane des Dix" verbracht. Am Sonntagmorgen gegen 6.30 Uhr brachen die Franzosen mit dem Ziel "Cabane des Vignettes", die italienische Gruppe dagegen in Richtung "Cabane Nacamuli" in Italien auf, wie die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilte. Gegen 10 Uhr befanden sich die Skitourenfahrer auf der Passage "la Serpentine". In der Folge kamen beiden Gruppen allmählich von der klassischen Route beziehungsweise dem Weg ab, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft. 

Der Bergführer hatte alle für die Sicherheit nötigen Geräte bei sich: GPS, Satellitentelefon und ein Smartphone mit einer topographischen Karte der Schweiz.“ 

Wie das Kollegium der italienischen Bergführer unterstreicht, war beim Aufbruch der Gruppe zwar schon absehbar, dass sich das Wetter verschlechtern würde. Von der Schnee- und Wetterlage her, sei die rund sechs Stunden lange Tour morgens jedoch noch machbar erschienen. Bis 9.30 Uhr hätten die Alpinisten auch gutes Wetter mit wunderbarer Sicht gehabt, wie die Fotos einiger Teilnehmer beweisen würden. „Innerhalb weniger Minuten ist dann jedoch ein gewaltiges Unwetter aufgezogen – mit Temperaturen weit unter Null und Windböen von mehr als 100 km/h“, heißt es in der Aussendung. Deshalb habe die Gruppe von Mario Castiglioni ihr Ziel aufgegeben, die weiter entfernte Hütte auf italienischem Staatsgebiet zu erreichen, und versucht ebenfalls die Hütte „Cabane des Vignettes“ zu erreichen. 

Beide Gruppe verirrten sich dann schließlich auf den Hängen über dem Weg zu den Hütten. Insgesamt verbrachten dann 14 Personen die Nacht dann auf dem felsigen Grat auf 3280 Metern Höhe, wo sie die Schweizer Rettungskräfte am Morgen darauf fanden.

Die mittlerweile sieben verstorbenen Menschen, darunter die drei Bozner, sind laut Staatsanwaltschaft formell identifiziert und konnten inzwischen ihren Familien übergeben werden. Das siebte Opfer, eine 42-jährige Italienerin, war am Mittwochabend im Spital gestorben. Zwei weitere schwer Verletzte, ein 72-jähriger Schweizer und eine 56-jährige Französin, würden nicht mehr in Lebensgefahr schweben, hieß es von Seiten der Behörden. Fünf Personen kamen mit leichteren Unterkühlungen davon.