Gesellschaft | Zweisprachigkeit

"Meines ist auch ein Anliegen"

Zweitsprachenprüfung: die Achillesferse vieler Schüler, aber nicht für alle.
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Foto: https://riccardodellosbarba.wordpress.com/category/bilinguismo/
Neulich, als ich einige Artikel über die diesjährige Matura gelesen habe, erinnerte ich mich wieder daran, wie ich ein Jahr zuvor auf der Schulbank gesessen und die Worte von Seneca übersetzt habe. Die Artikel berichteten über die Zweitsprachenprüfung, die heuer angeblich ein wenig leichter ausgefallen, aber dennoch die Achillesferse vieler Schüler gewesen ist.

Für manche war die Italienisch- bzw. Deutschprüfung allerdings ein echtes Kinderspiel, so haben es viele Maturanten berichtet: Jugendliche, die aus einer zweisprachigen Familie kommen, aber auch viele, die in einem einsprachigem Umfeld geboren wurden und beschlossen haben, ein paar Jahre die Schule der anderen Sprache zu besuchen.

"Ich glaube, solche Beispiele zeigen, dass besonders die junge Generation verstanden hat, dass zwei, drei oder vier Sprachen zu beherrschen, heutzutage eine Bereicherung ist, und dass wir hier in Südtirol in dieser Hinsicht eigentlich ein großes Zukunftspotential hätten."

Eine Sprache zu können, ist nämlich nicht nur eine linguistische Kompetenz, sie öffnet uns auch neue Wege, zeigt uns neue Gesellschaften und Kulturen und öffnet uns in Richtung Europa und der Welt. Der Schüleraustausch zwischen den Schulen, die Auslandsjahre, der Wunsch vieler Eltern, die eigenen Kinder in eine Schule oder Kindergarten der anderen Sprache zu schicken, all das sind Zeichen, dass das Bedürfnis für eine mehrsprachige Schule, als zusätzliches Angebot zu den italienischen und deutschen Schulen, vorhanden ist.
So, wie es allerdings eine Gesellschaft gibt, die nach vorne schaut und die angefangen hat, diese enorme Ressource unseres Landes zu nutzen, so gibt es auch eine Politik, die noch im 20. Jahrhundert stehen geblieben ist und die es nicht schafft, Schritt zu halten.

"Es ist eine Politik, die diesen Wandel der Gesellschaft nicht wirklich wahrhaben will und die mit ihren ständigen, auf Spaltung ausgerichteten Aktionen lieber eine geschlossene Gesellschaft vor Augen hätte."

Ich denke da zum Beispiel an die getrennten Kulturämter, an die voneinander getrennten italienischen und deutschen Beiräte, aber insbesondere an die Kampagnen zu den Kindergärten, die doppelte Staatsbürgerschaft und an die ständige Rhetorik des „Wir sind in Italien, hier wird Italienisch gesprochen!” oder des „Südtirol ist nicht Italien, Walsch brauchen wir nicht!”. Das ist eine Politik, welche die Sprache als Mittel nutzt, um Konsens zu erreichen, und um zu trennen anstatt zu vereinen. Eine Politik, die mir wegen meines Wunsches einer mehrsprachigen Schule sicher vorwerfen wird, die Minderheiten des Landes nicht zu schützen, etwas gegen die Deutschen oder wahlweise gegen die Italiener zu haben.

Wie man wahrscheinlich bemerkt hat, bin ich zweisprachig, Sohn eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter.

"Seitdem ich geboren bin, haben mir meine Eltern eines der größten Geschenke überhaupt gemacht: Sie haben mir ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Traditionen vermittelt. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein."

Als ich 18 wurde, musste ich mich entscheiden: „Bin ich deutsch oder italienisch?”. Eine Frage, die mich lange Zeit beschäftigt hat, und auf die ich bis heute noch keine Antwort geben kann, obwohl ich gezwungen wurde mich zu entscheiden.

Zweisprachig zu sein, hat mir viele Türen geöffnet und genau deswegen wünsche ich jedem, der dieses Glück nicht gehabt hat, zweisprachig werden zu können. Und wenn es der Minderheitenschutz ist, der die Politik bremst, dann will auch ich geschützt werden. Ich will für das anerkennt werden, was ich wirklich bin: sowohl „Italiener”, als auch „Deutscher”.

Zeno Oberkofler, Co-Sprecher der young greens southtyrol

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Pascal Vullo Do., 05.07.2018 - 17:31

Schöner Artikel!

Scheinbar war es nötig endlich etwas auszusprechen oder nochmal neu vor Augen zu führen, was doch inzwischen eigentlich selbstverständlich sein sollte: Die Sprachliche und kulturelle Vielfalt in Südtirol ist eine Ressource, ein Schatz, ein Auftrag, fast eine Pflicht.

Inzwischen ist gar im Nachteil, wer diese interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen nicht mitbekommt, weil die Trennung noch zu groß ist, oder weil man sich verweigert. Dabei ist es durchaus möglich die eigene Kultur und Identität zu pflegen, und gleichzeitig die Chancen von Vielfalt zu nutzen. Das gehört zum europäischen Gedanken. Werfen wir die letzten Barrieren über Bord!

Do., 05.07.2018 - 17:31 Permalink