Politik | Rosatellum II

Politische Grundrechte verletzt

Das letzte Woche vom Parlament definitiv abgesegnete neue Wahlrecht macht zwar den Weg frei zur Wahl beider Kammern mit einheitlichen Regeln, verletzt aber Grundrechte.
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Doch könnte dem Rosatellum II durchaus dasselbe Schicksal blühen wie dem Vorgängergesetz Italicum, nämlich in Teilen für verfassungswidrig erklärt zu werden. Tatsächlich verletzt dieses von der Regierungsmehrheit und Lega mit der Vertrauensfrage durchgedrückte Gesetze einige politische Grundrechte:

1. Art 48 der Verfassung gibt den Wählern das Recht auf eine freie, gleiche und personenbezogene Wahl der Abgeordneten und Senatoren. Diese freie Wahl von Kandidaten wird vom Rosatellum II nicht gewährleistet, weil automatisch die Liste des gewählten Kandidaten auch für jenen Teil der Parlamentssitze als gewählt gilt, der mit Proporzsystem besetzt wird.

2. Im Unterschied zum bundesdeutschen Wahlrecht kann der Wähler seine Stimme zwischen Direktwahl im Einer-Wahlkreis und Proporzwahl im selben Wahlkreis nicht splitten (Zweitstimme). Die Wahl eines Direktkandidaten ist nämlich direkt verknüpft mit dessen Liste für den Proporzwahlbereich, wo es nur „blockierte Listen“ und keine Vorzugsstimmen für Kandidaten gibt. Man wählt die Katze im Sack einfach mit.

3. Das Rosatellum II bringt wie das Italicum „blockierte Listen“ und nimmt damit den Wählern die Vorzugsstimmenwahl. Beim Proporzwahlbereich (399 von 630 Sitzen, also fast zwei Drittel) darf man nur eine Liste ankreuzen. Damit ist die Wahl eindeutig nicht mehr persönlich frei und direkt, unter Verletzung der Verfassungsartikel 48, 49, 51, 56 und 58. Von den Parteizentralen fix vorgegebene Listen verletzen das Grundrecht auf Wahlfreiheit der Bürger und Bürgerinnen.

4. Das Rosatellum II verletzt auch in seinem Zustandekommen die Verfassung, denn mit seiner Verabschiedung im Parlament ist die Vertrauensfrage für die Regierung gestellt worden. Laut Art. 72, Abs.4 Verf., ist für Wahlgesetze wie für Verfassungsgesetze das normale Gesetzgebungsverfahren vorgesehen.

Schließlich verletzt das Rosatellum II wie schon das Italicum anscheinend in verschiedenere Hinsicht die Verfassung auch bei den Sonderbestimmungen für die Parlamentswahl in der Region Trentino-Südtirol. Verfassungsklagen zu diesem Punkt befinden sich in Vorbereitung. PD und Forza Italia mit Unterstützung von der Lega und NCD störte das alles nicht, weil sie wohl davon ausgehen, dass die Verfassungswidrigkeit des Rosatellum II erst nach den Wahlen im März 2018 festgestellt wird, wie schon beim Italicum geschehen. Damit könnte ein mit verfassungswidrigem Wahlrecht gewähltes Parlament wie das amtierende wieder fünf Jahre im Amt bleiben. Die italienische Demokratie macht’s möglich.