Wirtschaft | Stromproduktion

Teurer Veneziano

Die „Ahr Energie GmbH“ hat einen Musterprozess um den Wasserzins gewonnen. Das Land muss dem Unternehmen jetzt rund eine halbe Million Euro zurückzahlen.
ahrntal
Foto: bergwezlten
Niederlagen hängt man nicht gern an die große Glocke.
Deshalb wird das Urteil, das drei Tage vor den Landtagswahlen veröffentlicht wurde, auch lieber totgeschwiegen. Denn das Land hat in diesem Verfahren nicht nur über eine halbe Million Euro an ein privates Südtiroler Stromunternehmen verloren, sondern das Wassergericht hat auch ein Präzedenzurteil gefällt, das dem Land in ähnlichen Fällen finanziell noch weit teurer zustehen kommen könnte.
 

Die Ahrstufe

 
Die Geschichte beginnt in einer Zeit als Südtirols Stromwelt noch den Schein einer heilen Welt vermittelte.
2005 legte die damals noch mächtige SEL AG ein Gesuch für eine Konzession einer großen Wasserableitung im oberen Ahrntal vor. Gleichzeitig aber reichen auch die Gemeinde Ahrntal, sowie die private „Ahr Energie GmbH“ Projekte für die Errichtung eines Großkraftwerkes ein.
Es kommt zu mehreren Gerichtsverfahren vor dem Obersten Wassergericht in Rom. Letztendlich werden die Rekurse der SEL AG und der Gemeinde vor Gericht abgewiesen und der „Ahr Energie GmbH“ die Konzession erteilt.
Die Ahr Energie GmbH gehört zu je 9,09% Karl Hellweger, Anton Griessmair, Walter Fischer, Maria Agnes Oberhollenzer und Helmuth Brugger. 54,55% des Unternehmens liegen im Streubesitz.
 
Am 6. April 2009 vergibt die Landesregierung die Konzession GS/6911 an die Ahr Energie GmbH. In den Jahren darauf entsteht in der sogenannten „Ahrstufe 3 Klamme-St. Peter“ das mit einer Jahresproduktion von rund 27 Millionen Kilowattstunden lange Zeit größte private Kraftwerk des Landes.
 

Der Wasserzins

 
Zeitgleich mit der Konzessionsvergabe müssen die Kraftwerksbetreiber auch das Auflagenheft des Landes unterschreiben. Dabei findet sich im diesem Auflagenheft ein mehr als merkwürdige Passus.
Kraftwerksbetreiber müssen für die Nutzung von öffentlichem Wasser einen jährlichen Wasser- und Uferzins zahlen. Der Betrag wird von der Landesregierung festgelegt und alle 2 Jahre den Lebenshaltungskosten angepasst. Im Fall des Ahrntaler Großkraftwerkes zahlen die Betreiber 28,70 Euro an Wasserzins und 7,67 Euro an Uferzins pro Kilowatt genehmigter und anerkannter Nennleistung des Kraftwerks.
Das italienische Gesetz sieht vor, dass diese Gelder ab dem Zeitpunkt bezahlt werden müssen, wenn das Kraftwerk in Betrieb geht. Konkret ab dem Zeitpunkt an dem das Wasser für die Stromproduktion entnommen wird.
 
Doch das Land hat im Auflagenheft für das Ahrntaler Großkraftwerk etwas ganz anderes vorgeschrieben. Die Ahr Energie GmbH soll den vorgeschriebenen Wasser- und Uferzins ab Konzessionsbeginn zahlen. Das heißt: Auch bevor das Kraftwerk überhaupt gebaut ist.
Das zuständige Landesamt für Stromerzeugung ist mit dieser Auslegung der Bestimmungen zwar nicht einverstanden, doch das zentrale Rechtsamt des Landes pocht auf die Umsetzung. Vorgegeben von ganz oben.
Weil man bereits Jahre mit Gerichtsverfahren verloren hat, unterzeichnen die private Kraftwerksbetreiber schließlich das Auflagenheft, das diese mehr als obsolete Bestimmung vorsieht.


Das Verfahren

 
Am 30. Mai 2012, das Kraftwerk ist inzwischen in Betrieb, verlangt die Ahr Energie GmbH über ihre Anwälte vom Land, dass man sich an das Staatsgesetz zur Energiegewinnung hält, das eindeutig festlegt, dass Wasser- und Uferzins erst ab Beginn der Produktion zu zahlen sind. Gleichzeitig verlangt man das in der Bauzeit jährlich gezahlten Geld wieder zurück.
Doch das Land schaltet auf stur. Man verweist auf das Auflagenheft, das die privaten Unternehmer unterschrieben haben.
Die Ahr Energie GmbH reicht daraufhin beim obersten Wassergericht in Rom (Tribunale Superiore delle Acque Pubbliche) Rekurs ein. Das Gericht kommt drei Jahre später in seinem Urteil aber zum Schluss, dass es für diesen Streitfall nicht zuständig sei und verweist auf das regionale Wassergericht, das beim Oberlandesgericht in Venedig angesiedelt ist.
 
Mit dem Urteil 1862/2018 hat das „Tribunale Regionale delle Acque Pubbliche“ jetzt dem Kläger in allen Punkten Recht geben. Laut den Richtern kann das Auflagenheft des Landes und auch das Landesgesetz nicht gegen die Grundprinzipen der staatlichen Regelung für den Wasser- und Uferzins verstoßen.
Laut Urteil muss ein Kraftwerksbetreiber dieser Abgaben erst ab Produktionsbeginn zahlen. Demnach trägt das Land nicht nur die gesamte Verfahrenskosten von rund 20.000 Euro, sondern es muss der Ahr Energie GmbH auch jenes Geld zurückzahlen, das man unrechtmäßig kassiert hat.
Das sind rund 550.000 Euro.
Dazu gibt es ein noch weit größeres Problem: Es gibt in Südtirol über ein Dutzend ähnliche Fälle, wo das Land dieselbe Methode angewandt hat. Vor allem bei den mittleren Kraftwerken. Bestreiten auch diese Unternehmen jetzt den Gerichtsweg und berufen sich auf der Venediger Urteil, wird es für das Land wirklich teuer.
Dann geht es um Millionen.