Politik | SVP

Die Gruppenarbeit

Die SVP verteilt die Verantwortung für das Koalitionsprogramm auf viele Schultern. Ob dieser Schritt die Verhandlungen mit der Lega erleichtert? Wohl kaum.
SVP-Sitz in Bozen
Foto: Salto.bz
Ganz am Ende des Fahrplans steht ein Datum: 20. Dezember 2018.
An diesem Tag, einem Donnerstag, soll der SVP-Parteiausschuss das Koalitionsprogramm zwischen SVP und Lega gutheißen. So sieht der Plan aus.
Ob man das in 17 Tagen allerdings schafft, steht noch in den Sternen. „Ich hoffe nicht, dass die Lega-Vertreter bei jedem Beistrich in Mailand oder Rom nachfragen müssen“, sagt Karl Zeller durchaus sarkastisch, „denn dann sind wir erst 2021 fertig“.
Der ehemalige SVP-Parlamentarier und SVP-Vizeobmann ist unterm Edelweiß einer der prominentesten Skeptiker der SVP-Lega-Koaltion. Zeller findet sich jetzt in einer ungewöhnlichen Rolle wieder. Das erste Mal seit knapp 30 Jahren ist der Meraner Anwalt Teil einer Verhandlungsdelegation zur Ausarbeitung des Koalitionsprogramms der Landesregierung. „Das wird kein Spaziergang“, prophezeit Zeller gegenüber salto.bz.
An der Person Karl Zeller lässt sich aber auch die Taktik festmachen, die die SVP-Spitze beim Zusammengehen mit der Lega gewählt hat. Landeshauptmann Arno Kompatscher und SVP-Obmann Philipp Achammer stehen vor keiner leichten Entscheidung. Beide haben mit dem historischen Schritt nach Mitte-Rechts nicht nur Bauchweh, sondern sie wissen auch, dass vom Ausgang dieses Abenteuers ihre persönliche politische Zukunft abhängen wird.
 
Deshalb greift man jetzt zu einem Kunstgriff: In die konkreten Regierungsverhandlungen werden so viele SVP-Mandatare und Funktionäre eingebunden, wie es in der 73-jährigen SVP-Geschichte noch nie der Fall war. Bisher gab es schmale, überschaubare Verhandlungsdelegationen. Jetzt setzt man auf eine Art kollektives Brainstorming.
Ob dabei etwas herauskommt, wird sich zeigen. Sicher aber ist, dass man damit die Verantwortung für den Ausgang dieses politischen Abenteuers auf viele Schultern verteilt. Im Guten wie im Schlechten.
 

Fünf Tische

 
Das dürfte dann auch der Sinn der Übung sein, die der SVP-Parteiausschuss am Montagnachmittag beschlossen hat. Das Regierungsabkommen 2018-2023 soll in fünf Arbeitsgruppen zwischen SVP und Lega ausverhandelt werden. Die SVP-Parteileitung hat am Montag die Themenbereiche der fünf Gruppen definiert und die Mitglieder nominiert.
Vier Arbeitsgruppen bestehen aus jeweils sechs Mitgliedern: drei von der SVP und drei von der Lega.
Für die Arbeitsgruppe 2, die sich mit den Bereichen Wirtschaft, Infrastruktur, Bauten, Mobilität beschäftigt, wurden der Chef der SVP-Wirtschaft Josef Tschöll sowie die beiden Landesräte in spe Daniel Alfreider und Thomas Widmann nominiert.
Für die Arbeitsgruppe 3 Gesundheit, Soziales, Wohnbau, Arbeit, Sport nominierte die SVP, Arbeitnehmerchef Helmuth Renzler, den Vorsitzenden der SVP-Senioren Otto von Dellemann und Frauenchefin und Parlamentarierin Renate Gebhard.
In Arbeitsgruppe 4 Bildung, Familie, Kultur, Integration wurden Magdalena Amhof, JG-Vertreter Stefan Premstaller und Maria Hochgruber Kuenzer entsandt.
In Arbeitsgruppe 5 zu den Bereichen Raumordnung, Landschaft, Landwirtschaft, Umwelt, Energie, Städte und Ländlicher Raum werden hingegen Zeno Christanell, Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner und der Bozner Vizebürgermeister Christoph Baur einziehen.
 
Über diesen vier Arbeitsgruppen thront aber eine Art Supergruppe. Die Arbeitsgruppe 1 besteht aus insgesamt 12 Mitgliedern und sie beschäftigt sich mit dem Themenkreisen Autonomie, Europa, Europaregion, Zusammenarbeit Rom, Region, Verwaltung, Finanzen, Personal und Sicherheit. Die SVP-Parteileitung hat dafür Landeshauptmann Arno Kompatscher, SVP-Obmann Philipp Achammer, seine beiden Stellvertreter Angelika Wiedmer und Karl Zeller sowie den Sprecher der Bezirksobmänner Meinhard Durnwalder und Landesrätin Waltraud Deeg nominiert.
Diese Arbeitsgruppe soll vor allem die großen politischen Themen abstecken und am Ende die Ergebnisse der anderen vier Arbeitsgruppen in ein einheitliches Koalitionsprogramm gießen.
Man will bereits heute mit den Arbeiten an den fünf Verhandlungstischen beginnen.
 

Der Verzicht

 
Die Nominierungen erfolgten am Montag in der SVP-Parteileitung einstimmig.
Es war wirklich eine harmonische Sitzung“, sagt Karl Zeller, „auch weil es zwei noble Gesten gegeben hat“.
Gemeint sind damit zwei freiwillige Verzichte. Als Mitglied der Arbeitsgruppe 5 zu Raumordnung und Landwirtschaft waren ursprünglich auch Arnold Schuler und Albin Kofler vorgesehen.
Weil die Bozner Stadt-SVP unbedingt an diesem Tisch sitzen will, verzichtete der amtierende Landwirtschaftslandesrat zugunsten des Bozner Vizebürgermeisters Christoph Baur. Albin Kofler hingegen ließ dem Burggräfler Arbeitnehmer-Vertreter Zeno Christanell den Vortritt.
 
Arno Kompatscher bekräftigte auf der Sitzung noch einmal energisch das Festhalten seiner Partei an dem beschlossenen Wertekatalog. Dieser soll als Prämisse dem Koalitionsprogramm vorangestellt werden. „Wir werden auf keinen Beistrich verzichten“, tönte der Landeshauptmann in der Parteileitung.
Tatsache ist aber auch, dass die jetzt beschlossene Gruppenarbeit einige neue Probleme an den Tag legen dürfte. Zum einen gibt es in Detailfragen nicht nur zur Integration grundlegende Differenzen zwischen der Lega und der SVP.
Zum anderen stellt der SVP-Beschluss die Südtiroler Lega vor ein Personalproblem: Will die Lega alle Arbeitsgruppen bestücken, wird man auf den Großteil der Südtiroler Gemeinderäte zurückgreifen müssen.
Dann allerdings könnte die Landes-SVP ein anderes Gesicht der Salvini-Partei kennenlernen.
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Richter Peter Di., 04.12.2018 - 08:06

Diese Koalition ist schon vor der Geburt eine absolute Missgeburt, eigefädelt durch einen etwas senilen Altlandeshauptmann und einen viel zu leichtfertigen Parteisekräter. Mal abgesehen davon, dass alle guten Regeln des Geschmacks und des Anstandes gebrochen werden - die Lega ist in Rom schon mächtig unter Druck. 6 Monate Regierung und 0 Reformen, die Confindustria zu recht auf Kriegsfuß, die manovra economica kriegen sie seit Wochen nicht gebacken usw. usw. Unser “Innenminister” entpuppt sich mehr und mehr als regierungstechnischer Tölpel. Warum müssen wir solche Leute in die Regierung Südtirols holen? Wo gibt es da für die vernünftigen Südtiroler irgendeinen Vorteil? Warum müssen Rechtsextreme salonfähig gemacht werden?

Di., 04.12.2018 - 08:06 Permalink
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Hans Hanser Di., 04.12.2018 - 08:31

Antwort auf von Richter Peter

Unweigerlich ist Ihre Frage rein rhetorischer Art. Die Antwort ist jedoch ganz einfach. Lega ist jener Partner, der der unerschöpflichen Gier der SVP-Bauern keinen Einhalt gebietet, gleichzeitig nur 2 Versorgungsposten fordert und den Rest der Edelweiß-Freunderlwirtschaft intakt lässt. Dass dabei das soziale Gleichgewicht weiter aus den Fugen gerät, ist der SVP-Führungsriege egal, sie kommen ja zum Futtertrog. Wie erbärmlich die Lega in Südtirol eigentlich ist, liest sich an den "Fachleuten", die in diesen Gremien sitzen. Wie hat es H. Heiss so schön formuliert: Fernmeldetechniker, ein ehrbarer Beruf!
Auf Personen wie Salvini zu setzen wird sich jedoch sowieso als epochaler Fehler erweisen, wie es auch ein historischer Fehler war Bressa und Boschi durch deutschsprachige Südtiroler nach Rom zu befördern.

Di., 04.12.2018 - 08:31 Permalink
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Marcus A. Di., 04.12.2018 - 09:34

Erinnert irgendwie an die Erfolgsgeschichte Autonomiekonvent...

Ist aber von den beiden Superstrategen der SVP nicht schlecht gedacht.
Ich denke kaum, dass ein Beteiligter aus der Verhandlungskoalition danach noch Kritik an der Koalition äußern kann und wird.
Wie denn? Er war ja bei den Verhandlungen dabei und ein Scheitern würde auch auf ihn zurückfallen.

Ob es effizient und zielführend ist, kann bezweifelt werden.

Di., 04.12.2018 - 09:34 Permalink