Kultur | Gastkommentar

Magnago for Kids. Das etwas andere Lebewohl

Silvius Magnago, il Landesvater del Sudtirolo, nacque a Merano esattamente 100 anni fa. Un ricordo delicato e profondo di Hans Heiss, pubblicato originariamente sulle pagine del quotidiano Die Neue Südtiroler Tageszeitung il 26 maggio 2010, cioè dopo la sua morte.

Unsere Kinder sind 1988 und 1991 geboren, sie kennen als Politiker Durnwalder, Berlusconi oder Obama, aber Magnago ist für sie nichts weiter als ein verwehter Name. Was für ihre Eltern und Großeltern selbstverständlich war, die mediale Präsenz des gebrechlichen alten Herrn, der trotz seiner Krücken Autorität und Respekt ausstrahlte, ist für junge Erwachsene heute eine Leerstelle. Wie würde ich unseren Kindern Magnago erzählen, wenn sie danach fragten, wer dieser Mann war, der jetzt gestorben ist und was er geleistet habe?

„Magnago, lieber Niklas, liebe Anna, war wie ihr ein Morgenmuffel, mit dem in der Früh nicht gut Kirschen essen war. Er war auch deshalb morgens schlecht drauf, weil auf ihn Tag für Tag ein Riesenberg an Problemen wartete, durch die er sich durchgraben musste. Noch dazu war er aus dem Krieg mit einem Bein zurück gekommen, das andere hatte er bei der Wehrmacht in Russland verloren, Nazi war er aber keiner. Trotz der schweren Versehrung ging er in die Öffentlichkeit mit einer Energie, die Behinderte oft aufbringen. Wie der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, wie früher US-Präsident Franklin D. Roosevelt, nahm er größte Aufgaben an.

Magnagos Herausforderung hieß Südtirol. Unser Land steht heute gut da, während es in Europa überall mehr als kriselt, gibt es bei uns immer noch Arbeit für die meisten (nicht für alle!), das Land ist ordentlich verwaltet, freilich auch deshalb, weil es über einen Batzen Geld verfügt. In den Schulen, in die ihr geht, bröckelt nicht der Putz von den Wänden und für Euch gibt es gute Zukunftschancen, nicht nur deshalb, weil ihr die Kinder eines Politikers seid.

Wenn das so ist, so hat Magnago wichtige Grundlagen dafür gelegt. Er hat mit anderen darum gekämpft, dass dieses Land Südtirol, von Italien, zu dem es 1919 unfreiwillig gekommen ist, eine Selbstverwaltung erhält. Die Regierung in Rom wollte lange nichts davon wissen und ließ die Südtiroler 40 Jahre lang abblitzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten sie zwar – wie ihr wisst - Schulen in der Muttersprache, ein bißchen Selbstverwaltung, wurden aber von Rom und Trient aus ferngesteuert. Magnago, dem man einiges zutraute, wurde dann 1957 zuerst Chef seiner Partei, der Südtiroler Volkspartei, dann 1960 auch Landeshauptmann. Und Magnago begann zu verhandeln, mit der Hilfe Österreichs, mit weiteren Politikern und ging der Regierung in Rom so lange auf die Nerven, bis sie ein Einsehen hatte. Magnago und andere wollten eine große Autonomie für das Land, andere Südtiroler dagegen wollten überhaupt raus aus Italien und auch die musste er bei der Stange halten. Obwohl er nicht wusste, ob es klappen würde, glaubte Magnago fest an die Autonomie und erklärte den Südtirolern: „Wir sind dann zwar weiter bei Italien, können dann aber vieles selbst gestalten.“ Nicht alle glaubten, dass das gut gehen könnte, manche warfen ihm auch Verrat vor, aber die meisten Südtiroler schenkten ihm doch ihr vertrauen und sagten: “Ok, wir verstehen zwar nicht alles, was Magnago da heraus verhandeln will, aber wenn es einer hinkriegt, dann unser Landeshauptmann, er wird uns nicht belügen.“

Nachdem die Südtiroler Volkspartei im November 1969 (im Jahr von Woodstock) einen Tag und eine Nacht lang intensiv diskutiert und gestritten hatte, beschloss sie mit ganz knapper Mehrheit, die Autonomie anzunehmen, die Magnago mit anderen heraus verhandelt hatte. 1972 wurde dann im Parlament in Rom das Südtiroler Autonomiestatut erlassen, ein eigenes Verfassungsgesetz, mit dem unser Land sehr viel Selbstverwaltung erhielt. Magnago regierte dann als Landeshauptmann noch 17 Jahre weiter, bis wichtige Fragen geklärt waren und ging dann mit 75 in Pension. Seither lebte er mit seiner Frau und ihrer Haushälterin Hermine in seiner Wohnung in Bozen und mischte sich kaum mehr in die Politik ein. Er war ganz zufrieden damit, wie sich die Autonomie und Südtirol entwickelte, obwohl ihm sein Nachfolger oft zu stürmisch war, zu groß tat und für seinen Geschmack zu viel Geld verbrauchte. Aber das sagte er nicht öffentlich.

Magnago hätte sich etwas mehr Mühe geben müssen, auch den Italienern in Südtirol zu erklären, dass die Autonomie notwendig ist und auch ihnen nützt, aber das versäumte er leider. Es wäre gut gewesen, wenn er auch das noch hingekriegt hätte, weil er sehr gut Italienisch sprach und die Leute ihm glaubten.

Trotz seiner Behinderung sorgte sich Magnago sehr um seine Frau, die 2003 starb. Nun ist er sanft eingeschlafen, die 100 Jahre hat er verpasst, aber so alt wollte er doch nicht werden.

Er war ein großer Mann, weil er ein großes Ziel hatte: Südtirol in vielen Bereichen selbstständig zu machen. Viele andere Minderheiten wünschen sich eine Autonomie, wie wir sie haben und studieren, wie sie funktioniert. Aber viele von ihnen leben in Diktaturen, haben andere Probleme und nicht zuletzt – sie haben keinen Magnago.

Er war auch deshalb ein großer Mann, weil er für sich persönlich wenig wollte: Geld interessierte ihn nicht besonders, er hatte ein gutes Politikergehalt, er ging wenig auf Reisen, hatte kein dickes Auto und wohl auch keine Aktien. Magnago war kein Mann zum Anfassen, kein Kumpeltyp, niemand schlug ihm auf die Schulter, man hatte Respekt vor ihm. Aber die Leute mochten ihn trotzdem, er war ein guter Redner, hatte Humor und konnte sogar über sich selbst lachen, was nicht alle Politiker hinkriegen.

Magnago wird in Südtirol nicht vergessen werden, auch in Österreich, Deutschland und Europa erinnert man sich an ihn. Ihr habt ihn nicht gekannt, aber trotzdem hat er auch für Euch gearbeitet, der schmale Mann mit den Krücken, der Südtirol das Gehen beibrachte.

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Johannes Engl Di., 04.02.2014 - 21:19

... für den gut geschriebenen Artikel, der sicher nicht nur für Kinder, sondern für alle Südtiroler/innen lesenswert ist. Ich werde den Artikel auch meinen Kindern zum Lesen vorschlagen.

Di., 04.02.2014 - 21:19 Permalink
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Michael Bockhorni Mi., 05.02.2014 - 08:00

was die zukunftchancen angeht bin ich mit nicht so sicher. nicht immer ist das was sich bisher bewährt hat, auch für die zukunft das beste rezept. die äußerst geringe forschungs- und innovationsquote, die beschämend niedrige finanzielle förderung von familien, der völlige mangel an aktiver arbeitsmarktpolitik macht mir bauchweh.

Mi., 05.02.2014 - 08:00 Permalink
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Hans Knapp Mi., 05.02.2014 - 09:34

..., ich hoffe, meine Tochter nimmt sich die Zeit, diese ausgewogene, schöne Würdigung zu lesen

Mi., 05.02.2014 - 09:34 Permalink