Wirtschaft | Milchwirtschaft

Faire Kostenverteilung gefordert

Kaum ein landwirtschaftlicher Sektor steht derzeit so unter Druck wie die Milchwirtschaft. Der Sennereiverband hat kürzlich Bilanz über das Geschäftsjahr 2021 gezogen.
Milchkuh
Foto: Othmar Seehauser
„Die Pandemie hat die Milchwirtschaft noch weiter unter Druck gesetzt, die Wirtschaftlichkeit unserer Betriebe leidet und es ist fraglich, wie lange sie noch durchhalten können“, beschrieb Obmann-Stellvertreter Georg Egger die derzeitige Situation. Denn obwohl die Produktionskosten seit zwei Jahren rasant steigen, sehen sich Südtirols Bergbauern auch 2021 mit einem niedrigeren Auszahlungspreis konfrontiert. Als Gründe dafür nannte der stellvertretende Obmann zum einen  den Total-Ausfall der Wintersaison 2021, bedingt durch die Corona-Pandemie und den Lockdown, zum anderen die Preisexplosion bei den Futtermitteln, wichtigen Rohstoffen sowie Treibstoff und Energie. Besonders hohe Kostensteigerungen hatten die Landwirte bei Futtermitteln, Energie und Investitionskosten zu verbuchen, die Verarbeitungsbetriebe hat es vor allem bei Energie, Verpackungen und Transportdienstleistungen sowie bei Rohstoffen wie Früchten getroffen. Die Energie-Kosten sind zwischen Jänner 2021 und Jänner 2022 um über 200 Prozent gestiegen, die Kosten für das Gas um über 350 Prozent und für den Treibstoff um knapp 53 Prozent.Die massiven Kostensteigerungen konnten am Markt leider nicht vollständig weitergegeben werden“, erklärte Egger und betonte: „Es ist daher an der Zeit, die Rolle der Lebensmittelproduzenten in der Wertschöpfungskette zu stärken.“ Konkret müssten die Leistungen der Produzenten stärker abgegolten und Qualität finanziell belohnt werden.
 
 
 
 
Auch Annemarie Kaser, Direktorin des Sennereiverbandes Südtirol, wies auf die aktuell schwierige Situation hin. Vor allem der Ausfall der Wintersaison und der nahezu totale Wegfall des Städtetourismus in Italien im ersten Halbjahr 2021 haben die Milchwirtschaft schwer getroffen „Der Absatz unserer Produkte ist in den ersten Monaten des vergangenen Jahres eingebrochen, der Versandmilchanteil musste angehoben werden“, so Kaser, die zudem auf Engpässe bei Verpackungsmaterialien und Rohstoffen verwies. „Selbst ein gutes zweites Halbjahr hat den Absatzrückgang im ersten nicht wettmachen können“, so Kaser. Die Absatzkrise zeigte sich nicht zuletzt an den Rückgängen, die in der Produktion aller Südtiroler Milchprodukte, Mascarpone und Sahne ausgenommen, feststellbar sind. Der Frischmilchabsatz sank im Vergleich zu 2020 um rund 2,6 Prozent, jener von Joghurt um 1,84 Prozent, jener von Käse sogar um 7,3 Prozent. Entsprechend hatten die Südtiroler Milchhöfe 2021 einen Umsatzrückgang zu beklagen.
 
 
 

2021 haben 62 Betriebe aufgegeben

 

Während die 2021 produzierte Milchmenge in Südtirol annähernd gleich geblieben ist, mit 403,9 Millionen Kilogramm wurde nur 0,5 Prozent mehr Milch produziert als im Jahr zuvor, ist die Zahl der Milchbetriebe im Land weiter gesunken. Im vergangenen Jahr haben 62 Betriebe die Milchproduktion eingestellt, in den letzten zwei Jahrzehnten hat Südtirol mehr als 1.500 Milchbetriebe verloren. Der Grund für diese negative wirtschaftliche Entwicklung dürfte im Auszahlungspreis liegen, der in Südtirol im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zwar relativ hoch ist, in welchem sich jedoch die erbrachte Arbeitsleistung und die Produktionskosten nicht widerspiegeln. 2021 wurde in Südtirol ein durchschnittlicher Auszahlungspreis von 50,17 Cent pro Kilogramm erreicht, 0,66 Cent weniger als noch im Vorjahr. Für gentechnikfreie Qualitätsmilch erhielten die Bauern einen Auszahlungspreis von 48,48 Cent pro kg, für Ziegenmilch 65,23 Cent pro kg und 68,32 Cent pro kg Biomilch. Insgesamt wurden 203,7 Millionen Euro an die 4.354 Südtiroler Milchlieferanten ausgeschüttet.
 

Image

 

Welchen Wert man einem positiven Image beimisst, ist an der Werbestrategie und den Marketingmaßnahmen, die in Zusammenarbeit mit der IDM umgesetzt wurden, ablesbar. Neuerdings hat der Sennereiverband auch das Potential von „Influencern“ entdeckt, so wurde 2020 eine Kooperation mit den Influencerinnen Luisa Ambrosini und Francesca Guatteri geschlossen, die ihren Followern die Südtiroler Milchwirtschaft und ihre Produkte vorstellen.
In den vergangenen Jahren lag der Fokus verstärkt auf Heumilch-Produkte. Ziel war und ist es Südtirol als erste Region Italiens, welche Heumilch geschlossen und unter einem Dach vermarktet, zu positionieren, erklärte dazu die Direktorin des Sennereiverbandes. „Wenn der italienische Konsument an ‚latte fieno‘ denkt, soll er automatisch an Südtirol denken“, so Kaser, die präzisierte, dass Werbung für Milch Hand in Hand mit Werbung für den Tourismus gehe. In der Heumilch-Werbekampagne, welche ursprünglich auf drei Jahre ausgelegt war und 2021 fortgeführt wird, wird die Botschaft vermittelt, dass Heumilch als ursprünglichste Bewirtschaftungsform zur Tradition und Geschichte Südtirol gehört. Für die Heumilchkampagne hat der Sennereiverband Südtirol gleich zwei Preise im Rahmen der Tespi Awards der renommierten italienischen Fachzeitschrift „Formaggi & Consumi“ erhalten.
 

Bester Milchlieferant kommt aus Mühlwald

 

Zur Tradition des Sennereiverbandes und der einzelnen Sennereien gehört es mittlerweile, jährlich die besten Milchlieferanten auszuzeichnen. In diesem Jahr fiel die Wahl des Landesbesten – die Rangfolge wird anhand eines ausgeklügeltes Punktesystems ermittelt – auf Josef Holzer, Wieseler in Mühlwald. Der Hof liegt auf rund 1.600 Meter Meereshöhe ist mit 126 Erschwernispunkten eingestuft. Bewirtschaftet werden im Nebenerwerb zwei Hektar Feld und drei Hektar Wald.
 

„Ganz ohne Bauern wird es nicht gehen“

 
Salto.bz hat bei Annemarie Kaser, Direktorin des Sennereiverbandes, nachgefragt und einige interessante Antworten erhalten.
 
Salto.bz.: Frau Kaser, pro Dekade war in den vergangenen Jahren ein Rückgang von 1.000 Milchbauern zu verzeichnen. Heißt das, dass es in 40 Jahren keine Milchbauern mehr in Südtirol gibt?
 
Annemarie Kaser: Ganz ohne Bauern wird es nicht gehen, schließlich brauchen wir alle etwas zu essen. Was in 40 Jahren sein wird, wissen wir allerdings alle nicht.
 
Wie schlimm ist die Situation tatsächlich?
 
Die größten Schwierigkeiten haben zurzeit die mittelgroßen Betriebe, die noch im Haupterwerb tätig sind, weil aufgrund der Kostensteigerung die Wirtschaftlichkeit sehr stark sinkt. Diese Bauern stellen sich derzeit die Frage, ob sie weiterhin die Milchproduktion aufrecht erhalten können bzw. wollen, wenn sie in den Nebenerwerb gehen müssen. Jene, die bereits im Nebenerwerb arbeiten, haben ein höhere Bereitschaft abzuwarten. Aber Bauern, die aufgrund der finanziellen Situation entscheiden müssen, ob sie sich eine Arbeit suchen müssen, um den Hof zu erhalten, können nicht lange abwarten. Bei diesen Betrieben ist das Risiko am größten, dass sie aus der Milchproduktion aussteigen. Derzeit weiß leider keiner, wie lange diese Situation andauern wird.
 
 
 
Vor Kurzem hat die Landesregierung den Milchbauern eine finanzielle Unterstützung zugesichert – 300 Euro pro Kuh. Allerdings wird die Maßnahme auf jene Landwirte eingeschränkt, die sich an die flächenbezogenen Landwirtschaft halten. Diese dürften aber – sofern die Fläche dem Futtermitteldarf tatsächlich entspricht – ohnehin nicht in hohem Maße auf Futtermittelzukäufe angewiesen sein. Warum müssen dennoch gerade sie unterstützt werden?
 
Ziel der flächenbezogenen Landwirtschaft ist es, möglichst viel Grundfutter vom eigenen Grund und Boden zu beziehen. Unabhängig davon erhalten die Milchkühe aber zusätzlich Ausgleichsfuttermittel, die sich innerhalb kürzester Zeit extrem verteuert haben. Erhalten sie keine Ausgleichsfuttermittel, hat dies negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit und die Fruchtbarkeit. Das wirkt sich langfristig negativ auf die Wirtschaftlichtkeit der Betriebe aus. Daher ist eine unmittelbare Unterstützung wichtig. Nur indem wir die Landwirte in der Produktion halten, sichern wir auch eine lokale Nahversorgung.
 
Eine Hochleistungskuh ist auch eine „Qualitätskuh“
 
Hochleistungskühe – in der Regel sind es Holsteiner – brauchen Hochleistungsfutter. In der Imagekampagne des Sennereiverbandes und der IDM sind schöne gehörnte Grauviehkühe zu sehen. Besteht das langfristige Ziel des Sennereiverbandes in einem Umstieg von der Hochleistungskuh hin zur „Qualitäts-Kuh“?
 
Eine Hochleistungskuh ist auch eine „Qualitätskuh“. Wichtig ist, dass es dem Tier gut geht. Die Zucht bewegt sich derzeit besonders in Richtung Langlebigkeit und Fitness der Tiere. Wir werden jedoch genau beobachten müssen, wie sich die Situation auf dem Futtermittelsektor entwickelt. Es wird immer gesagt, die Kuh fresse den Menschen die Nahrung weg. Dabei entseht bei der Produktion von einem Kilogramm veganer Lebensmittel mindestens vier Kilogramm nicht essbare Biomasse. Wir brauchen also die Kühe, um die gesamte Biomasse zu verwerten. Auch das angesprochene Ausgleichsfutters enthält rund 65 Prozent an für den Menschen unverwertbaren Stoffen. Kurz und gut: Die Kuh frisst den Menschen nicht die Nahrungsmittel weg. Es gibt keine besseren Möglichkeiten, die Almen offen zu halten als durch die Bestoßung mit Rindern.
 
Die Kuh frisst den Menschen nicht die Nahrungsmittel weg.
 
Würden Sie trotz der schwierigen Situation eine Prognose wagen?
 
Ich bin zuversichtlich. Wir haben ein gutes Produkt, eine gute Qualität und ein gutes Image am italienischen Markt. Das sind unsere Stärken und daran werden wir weiter arbeiten. Mit schwierigen Situationen hatten die Bergbäuerinnen und Bergbauern oft zu kämpfen, aber auch diese werden sie meistern; schließlich muss der Mensch essen und die Nahrungsmittel werden immer noch vom Bauern produziert. Wie wichtig eine eigene Produktion in Südtirol ist, hat uns die Pandemie und der Krieg in der Ukraine vor Augen geführt. Wir dürfen es nicht als selbstverständlich hinnehmen, dass die Nahrungsmittelflüsse offen sind. Die Menschen unterschätzen bisweilen, wie wichtig die Lebensmittelproduktion vor der eigenen Haustür ist.
 
Schließlich ist es wahr, was wir hier zeigen.
 
Der Sennereiverband hat gemeinsam mit IDM einige Imagekampagnen lanciert. In den Werbefilmen wird die Milch mit einer altertümlichen Seilbahn von einem idyllisch abgelegenen Bergbauernhof zur nächsten Straße gebracht, wo der Fahrer des Milchwagens geduldig lächelnd wartet. In einem weiteren Film offeriert der Kellner einer Kuh der Rasse Grauvieh ein Büschel Kräuter auf dem Silbertablett. Warum setzen Sie auf diese Strategie bzw. nicht auf realitätsnähere Erzählungen, um kritischen Fragen der Konsumenten vorzugreifen? Es muss ja nicht ein Güllefass sein, aber diese Sujets scheinen doch etwas realitätsfern zu sein.
 
Es ist die richtige Strategie. Schließlich ist es wahr, was wir hier zeigen. Natürlich wird das Futter den Kühen nicht auf Tellern serviert, dabei handelt es sich um eine überspitzte Darstellung, um das Thema Heumilch zu veranschaulichen. Aber die Landschaft ist real und die Kühe sind real. Auch heute noch wird in Südtirol die Milch von entlegenen Höfen mit der Seilbahn zur Straße gebracht, wo sie vom Sammelwagen abgeholt wird. Das ist Teil der Südtiroler Berglandwirtschaft. Natürlich zeigen wir auch die Tierhaltung und die verschiedenen Arbeitsschritte, die auf einem Hof ablaufen. Die Landwirte beschäftigen sich schließlich täglich mit ihren Tieren und bemühen sich um die Produktion hochwertiger Milch.

 

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Dietmar Nußbaumer Mi., 04.05.2022 - 20:00

Der Bauer lebt von dem, was unterm Strich herauskommt. Da Kraftfutter und Energie teurer werden bzw. geworden sind, ist wahrscheinlich ein Umdenken nötig. Vielleicht ist die Zucht von Turbokühen nicht sinnvoll.

Mi., 04.05.2022 - 20:00 Permalink
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Klemens Riegler Mi., 04.05.2022 - 21:39

Das Problem bei vielen ähnlichen Beiträgen in denen die Tränendrüsen bedient werden ist schlicht folgendes: Es wird gelogen bis das Weinen eigentlich weh tun müsste.
Warum sollte die Milchwirtschaft 200% mehr für Energie und 350% mehr für Gas zahlen? ... Gehts noch? Zahlt die Milchwirtschaft aktuell noch einmal das Doppelte von dem was alle anderen zahlen? Und warum wird nicht gesagt, dass die meisten Milchverarbeitungsbetriebe fixe Stromverträge haben und eigentlich keinen einzigen Cent mehr zahlen. Ganz im Gegenteil zu den "Milchkonsumenten".
Also liebe "Plärrer" aller Gattungen und Richtungen: Immer ein bisschen näher an der Wahrheit bleiben, ansonsten ist das letzte "Biß-chen" Vertrauen, Respekt und Wertschätzung auch noch im Milch-Eimer.
P.s.1; keine Frage ... wir brauchen Berglandwirtschaft und alle die dafür zuständig sind müssen ordentlich von dieser Tätigkeit leben können. Auch mit Förderungen aller Couleur ... allerdings nicht im Giesskannenprinzip.
P.s.2; KUH-Milch hat prinzipiell wenig Zukunft. Der Umstieg auf andere Gattungen oder "Vegi"-Wirtschaft ist der profitablere Weg in die Zukunft und wird schlussendlich das Überleben der Bergbauern sichern. Garantiert! Je früher jemand umsteigt umso rentabler.

Mi., 04.05.2022 - 21:39 Permalink
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Hansi Kafmann Mi., 04.05.2022 - 23:11

Wenn die Kosten nicht mehr in den Endpreis eingerechnet werden dann führt dies langfristig in den Konkurs. Angebot und Nachfrage machen den Preis. Aber leider haben wir Bauern es verlernt von unserem Produkt einen fairen Preis zu verlangen. Wir haben die Preisgestaltung in die Hände der Verbände und Genossenschaften gelegt. Jammern und betteln wird uns langfristig nicht weiter bringen. Wir sollten wieder Unternehmer werden, Produzent alleine ist zuwenig.

Mi., 04.05.2022 - 23:11 Permalink
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Klemens Riegler Mi., 04.05.2022 - 23:45

Antwort auf von Hansi Kafmann

Schön so etwas zu lesen Herr Kafmann. Ich würde noch dazu fügen ... nicht nur Unternehmer werden, sondern sogar LAND-Wirtschaftler. Ein "Wirtschaftler" hätte schon längst der Milchkuh den Rücken gekehrt und würde auf andere "Pferde" wie Ziegen und Schafe setzen. Wobei dann früher oder später auch der Milchbauer wieder davon profitiert (wenn Milchmenge zurück geht und der Preis steigt).

Mi., 04.05.2022 - 23:45 Permalink
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Josef Fulterer Do., 05.05.2022 - 05:41

Antwort auf von Klemens Riegler

Beim allgemeinen Gejammere wegen der Milch, sind auch die Genossenschaftsstrukturen zu hinterfragen, die sich ähnlich wie der Raiffgeisenverband, zum Beispiel bei der BERGMILCH, recht weit von den Idealen der Friedrich Wilhelm Raiffeisen entfernt haben.
GASTROFRESH, SÜDTIROLMILCH, STELLA BIANCA, ehemals ALPIGUSTO und der "HEUMILCH MOZZARELLA Betrieb BUSTFFA & FIGLI, sind Milchgeld fressende Anhägnsel, bei denen früher der Alber, weiterhin auch Zampieri und Reinalter für die gleiche Milch, reichliche zusätzliche Vergütungen eingesteckt haben.

Do., 05.05.2022 - 05:41 Permalink
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Herta Abram Do., 05.05.2022 - 08:46

Insgesamt sollten wir veränderungsresistenten Molkereigenossenschaften, welche die Krisenbewältigung allein auf die Bauern, Gesellschaft, Politik abschieben wollen,
nicht die Alleindeutung der zu bewältigenden Probleme überlassen.
- Die globale Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft und gerade auch der Milchbauern ist politisch gewollt – und wurde auch von den Interessenverbänden selbst gefordert. Das führte aber auch dazu, dass die Preise jetzt viel stärker schwanken als vorher. Das nutzen Einzelhandel und Molkereien gegen die Bauern aus.
Die Zeche für die ExportStrategie, müssen am Ende die Landwirte bezahlen, in Folge wir Steuerzahler.
"Es ist daher an der Zeit, die Rolle der Lebensmittelproduzenten in der Wertschöpfungskette zu stärken". Könnte heißen: Regionale, klimafitte, zukunftsfähige Anreize zu schaffen, um die Milchmenge zu verringern. Bauern, die ihre Produktion um zehn Prozent gegenüber dem Vormonat drosselten, sollten Ausgleichszahlungen erhalten. „Bisschen weniger Soja in den Trog, bisschen weniger Mischfutter, und die 10 Prozent bisschen früher trockenstellen, nicht sechs Wochen, sondern acht Wochen, das geht ohne Weiteres, der Bauer hat viele Möglichkeiten, um die Produktion zu reduzieren“, schlägt mir ein Landwirt vor. Ein weiter so geht einfach nicht mehr!

Do., 05.05.2022 - 08:46 Permalink
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Martin.M. Lintner Fr., 06.05.2022 - 08:43

Die Antworten von Frau Kaser überzeugen mich weitgehend nicht. Ein paar
kritische Anmerkungen:

„Erhalten Kühe keine Ausgleichsfuttermittel, hat dies negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit und die Fruchtbarkeit.“ Das ist m.W. in dieser Form nicht zutreffend. Ehrlich und zutreffend müsste es lauten: Der hohe Anteil von Kraftfutter ist in erster Linie notwendig zur Steigerung der Michleistung. Selbst bei Heumilch wird in der Regel bis zu 25% Kraftfutter zugefüttert. Zwischen „kein Ausgleichsfutter“ und hohem Einsatz von Kraftfutter gibt es eine weite Spannbreite. Eutererkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheiten bei Milchkühen und sind der Hochleistungslaktation geschuldet, nicht der Mangelernährung bei Reduktion von Kraftfutter. Umgekehrt gibt es Studien, die aufzeigen, dass die Reduktion von Kraftfutter eine geringere Michleistung zur Folge hat, sich aber nicht negativ auf Gesundheit der Kuh auswirkt. Bei der Argumentation von Frau Kaser beißt sich die Katze in den Schwanz.

„Es wird immer gesagt, die Kuh fresse den Menschen die Nahrung weg. (…) Die Kuh frisst den Menschen nicht die Nahrungsmittel weg.“ Wenn es denn so simpel wäre. Ca. 80% der Flächen, die derzeit global zur Produktion von Futtermittel für Tiere verwendet werden, könnten für die Produktion für Lebensmittel für Menschen verwendet werden, ohne dass täglich neue Flächen von Urwald gerodet werden müssten. Zu diesen 80% gehören natürlich nicht die alpinen Almen, dort werden aber auch nicht Getreide, Raps und Soja für das Kraftfutter angebaut.

„Es gibt keine besseren Möglichkeiten, die Almen offen zu halten als durch die Bestoßung mit Rindern.“ Dem ist zuzustimmen. Aber: Wie viele der über 130.000 Rinder, davon ca. 75.000 Milchkühe in Südtirol werden nicht gealpt und kommen auch nicht auf die Weiden (die nicht bestoßen, sondern mehrmals pro Jahr gemäht werden), sondern stehen ganzjährig oder vorwiegend in Ställen – sei es in Anbindehaltung, sei es in Laufställen?

Zur Antwort auf die Frage nach den realitätsfernen Imagekampagnen und Werbestrategien: „Es ist die richtige Strategie. Schließlich ist es wahr, was wir hier zeigen.“ Wie bitte? Glaubwürdigkeit schaut anders an. Zum hochbezahlten Einsatz von InfluencerInnen: Diese mögen werbetechnisch effektiv sein, aber authentisch sind sie nicht. Sich für manipulativ inszenierte Fotos oder Videos in Pose zu werfen, steht in keinem Vergleich zur schweren körperlichen Arbeit der Bauern. Ihnen dafür mehr Geld zu geben als die Bauern und Bäuerinnen verdienen, ist mehr als nur fragwürdig. Ich halte es für unseriös und „unter der Würde“ unser Bauern und Bäuerinnen.

Vorige Woche hat beim Mittagsmagazin spezial ein pensionierter Tierarzt gesagt: Die derzeitige katastrophale Lage für die Milchbauern zeigt einmal mehr die verfehlte Landwirtschaftspolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte auf. Solange ich solche Interviews von VerantwortungsträgerInnen lese, habe ich wenig Hoffnung, dass sich daran was ändert.

Fr., 06.05.2022 - 08:43 Permalink
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Josef Fulterer Fr., 06.05.2022 - 21:41

Antwort auf von Martin.M. Lintner

Bis zum Jahr 2013 wurde der Durchschnittsauszahlungspreis an die Mitglieder, von jeder einzelnen Sennereigenossenschaft bekannt gegeben.
Die BERGMILCH hat auch mit ihren Vergänger-Betrieben MILA und MILKON, seit über 20 Jahre dauerhaft von 10, auch bis über 25 % weniger Milchgeld erwirtschaftet. Als der Zampieri 2013 zum "Manager des Jahres" geadelt wurde, durfte die Milchgeld-Auszahlung an die Mitglieder nicht mehr veröffentlicht werden.
Dabei ist der jährliche Durchschnittsauszahlungpreis an die Mitglieder, ein Gradmesser wie gut die Sennerei als Marktinstrument für die Mitglieder arbeitet.
Die 10 % wären gerade der Arbeitslohn aus der Milchviehhaltung gewesen. So gesehen wurden die Mitglieder von BERGMILCH & C0, all die Jahre von der stümperhaften Führung, um den Arbeitslohn betrogen.

Fr., 06.05.2022 - 21:41 Permalink
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Herta Abram Sa., 07.05.2022 - 10:51

Antwort auf von Martin.M. Lintner

Danke für diese Klärung! Wir dürfen uns von niemanden vormachen lassen, dass es keine Studien und Alternativen zu den heutigen Fehlentwicklungen gibt!!
Südtirol hätte die Bedingungen für eine nachhaltige Produktion. Eine Tierhaltung, die sich auf die eigene Futterbasis und auf eine weitgehende Weidehaltung besinnt, hätte viele Probleme, in die sich die Landwirtschaft in den letzten Jahren hineinmanövriert hat, gar nie verursacht. -Tierethik/ Tierwohl als Grundhaltung für ein respektvolles Zusammenleben, kann diese Basis bilden.- Die Tiergesundheit wäre besser, der Antibiotikaverbrauch geringer, die Milch nachweislich gesünder, die enormen Umweltbelastungen der heute teils stark überhöhten, überzüchteten Tierbestände ginge zurück, die zu hohen Kosten würden gesenkt und der Milchmarkt von seinen futterimportbedingten Milchüberschüssen entlastet, was wieder höhere Produzentenpreise für Milch ermöglichen würde.
Nicht zuletzt geht es um das Einkommen der Bauernfamilien. Studien zeigen: Dieses würde markant steigen, würde sich Politik und Landwirtschaft wieder auf die eigenen Ressourcen besinnen und auf eine weide- und graslandbasierte Produktion mit tiergerechten Leistungen statt Höchstleistungen setzen.(Vision Landwirtschaft)
1. Schritt: Ende mit den von Lobbys und Politik vielfältig geförderten Fehlanreizen! Stattdessen: Fördern/Anreize schaffen für Invstitionen in Klima- und Umweltschutz, Tierwohl, Bodengesundheit, Artenschutz, Regionalität....

Sa., 07.05.2022 - 10:51 Permalink
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Profil für Benutzer Sonja Günthner
Sonja Günthner Sa., 07.05.2022 - 11:58

Der Sennereiverband finanziert nun also Influencerinnen, die den italienischen Konsumenten die südtiroler Milchwelt heil und glücklich reden sollen. Ein sauberes grünes Image, das gute Gefühl, die (Nutztier-) Welt sei hier noch in Ordnung und die Milchprodukte ein bisschen besser als anderswo.

Um dieses Bild zu vermitteln, dass selbst bei oberflächlicher Betrachtung der Wirklichkeit nicht standhält, dafür reichen inszenierte Fotos und unhaltbare Aussagen zur angeblich guten Tierhaltung auf Internetseiten und Hochglanzbroschüren offenbar nicht mehr aus.

Es reicht auch nicht aus, als wirtschaftlich orientierter Interessenverband die nächste Generation in staatlichen Schulen zu unkritischen Konsumenten beeinflussen zu dürfen, indem Kindern unzutreffende Produktionsbedingungen vermittelt werden. Na ja, schließlich ist die Wahrheit über angebundene Mamakuh und den Umgang mit dem Kälbchen auf Postkarten auch nicht so kindgerecht darstellbar.

Nein, nun müssen also Influencerinnen her, um die Existenz der Milchhöfe und Betriebe zu retten. Sympathische junge Frauen, die zumindest Expertinnen dafür sind, wie man im Internet damit sein Geld verdient, unbedarften Menschen die schönen Dinge des Lebens noch ein bisschen schöner und simpler vorzustellen, selbst denken ist nicht mehr notwendig. Und das ist auch gut so. Sonst kämen die treuen Follower vielleicht noch auf die Idee zu fragen, warum die Wiesen denn so leer sind, wo doch das traditionelle Grauvieh dort weiden sollte und warum eigentlich die großen Holstein Friesian, die so viel Kraftfutter brauchen, in Ställen angebunden sind, in die sie nicht so recht reinpassen wollen und auch sonst nicht sonderlich bergtauglich sind.

Ich find es sehr schade, dass Sennereiverband und Milchhöfe das Geld für die Imagewerbung nicht in Projekte investieren, welche die tatsächlichen Probleme der Berglandwirtschaft angehen. Ein gemeinsamer Weg statt egoistischer Grabenkämpfe untereinander, damit wäre den landwirtschaftlichen Betrieben weit mehr geholfen. Eine ehrliche Analyse statt Imagekampagnen, die einen Angriff auf den Verstand aufgeklärter Menschen sind, die sich in Folge immer mehr den Milchersatzprodukten zuwenden. Das Wegbrechen von Absatzmärkten, weil große Handelsketten die Milchprodukte aus den niedrigsten Tierhaltungsformen aus dem Programm streichen.

An dieser Stelle hätte ich lieber ein Interview über Fortschritte im vor einigen Jahren geplanten Tierwohlprojekt des Sennereiverbands mit der Uni Bozen gelesen. Ist man über die damalige Datenerhebungsphase hinaus gekommen? Welche Milchhöfe, wie viele Betriebe machen da eigentlich schon oder muss man sagen immer noch mit? Widerspricht es tatsächlich geltendem Recht, über das wenig ambitionierte italienische Classy Farm hinaus weitergehende Maßnahmen zum Tierwohl umzusetzen, die damals angedacht waren? Inwieweit werden die Absichtserklärungen des Strategiepapiers „Landwirtschaft 2030“ in operative Konzepte umgesetzt? Die Lage ist nach all den Jahren enttäuschend, man hat das Gefühl, es sei alles nicht ganz so ernst gemeint gewesen. Leidtragende sind die Tiere und letztlich auch die Landwirte.

Sa., 07.05.2022 - 11:58 Permalink
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Profil für Benutzer josef burgmann
josef burgmann Mi., 11.05.2022 - 20:03

Antwort auf von Sonja Günthner

Kompliment Frau Kaser,
ohne Zusatzfutter erkranken die Südtiroler Kühe...... welch ein Schwachsinn! Das Rind als Widerkäuer ist nur mit Gras und Heu in der Lage Milch und Fleisch zu erzeugen und jährlich ein Kalb zu Welt zu bringen. Wir reden von einer genetisch nicht hochgezüchteten Kuh. Dass Turbokühe (10.000 kg Jahresleistung und mehr) nur von Spezialisten halbwegs gesund erhalten werden können, wird jeder Tierarzt bestätigen.
Die Südtiroler Kühe bringen im Schnitt nur 2.5 Kälber, sprich 2,5 Jahre Produktion, dann ist ihre Lebensleistung erbracht. Traurig ? Oder?
Eine gesunde, nicht zu schwere Kuhrasse (z. B. Grauvieh oder original Pinzgauer ) mit einer Jahresleistung von 7.000 kg Milch wäre für die Bergbauernbetriebe ideal. Milchbauern in Gunstlagen mit Silomais- und Getreideanbau haben andere Möglichkeiten.
Deshalb an alle Bauern: Organisiert euch selbst, von oben kommt keine Hilfe.

Mi., 11.05.2022 - 20:03 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Sa., 14.05.2022 - 06:34

Antwort auf von josef burgmann

Warum nur 2,5 Kälber?
Eine Kuh kann wenn sie vernünftig gehalten wird ab 2,5 Jahre, bis über Jahre jedes Jahr kalben, wenn sie nicht "durch Überfütterung" wegen Unfruchtbarkeit, nicht ausheilenden Euterleiden und bei den Beinen, angefütterter Fettleber, zu geringer Milchleistung usw., vorzeitig ausscheiden muss.

Sa., 14.05.2022 - 06:34 Permalink