Politik | Kommentar

Rizinusöl & rote Zecken

Der Marsch der Casapound-Gemeinderäte durch Bozen ist eine dumme Provokation. Wirklich Angst macht aber ein Blick in die Gedankenwelt der strammen rechten (Un)Demokraten.

Es war und ist ein Geschmacklosigkeit, eine dumme Provokation. Der Marsch der Casapound-Gemeinderäte durch die Bozner Innenstadt macht deutlich in welcher Geisteswelt sich Bonazza & Co immer noch bewegen. Es kann einem übel davon werden.
Den Versuch jetzt die Staatsanwaltschaft zu bemühen, halte ich dennoch für falsch und gefährlich. In einem Land in dem das martialische Aufmarschieren der Schützen für Gott, Kaiser & Vaterland als Hochamt der Volkskultur verkauft wird, kann der Schweigemarsch eines Dutzend mitteljunger Neofaschisten wohl kaum ein Verstoß gegen das Strafgesetz sein. Staatsanwaltschaft und Strafgesetz sind nicht die geeigneten Mittel, um auch bedenkliche politische Überzeugungen zu bekämpfen.

"Staatsanwaltschaft und Strafgesetz sind nicht die geeigneten Mittel, um auch bedenkliche politische Überzeugungen zu bekämpfen."

Das heißt aber nicht, dass man den Marsch durch Bozen kopfschüttelnd hinnehmen muss. Ganz im Gegenteil. Es liegt an uns allen, den Fokus darauf zu richten und die Welt am Rande der demokratischen Ordnung so auszuleuchten, dass man die gefährlichen Schattierungen erkennen kann. Das schwarze Hemd kann als Modeerscheinung abgetan werden, nicht aber die menschenverachtenden und faschistoiden Überzeugungen im Kopf dieser Marschierer.

Was diese Herren und Damen im Kopf haben, kann man täglich auf Facebook begutachten. Gabriele Di Luca hat auf salto.bz unter dem Titel „C'è del marcio a Bolzano“ mit viel Intelligenz und dem nötigen Sarkasmus den Marsch der rechten Recken analysiert.
Casapound hat diesen Artikel auf der eigenen Facebook-Seite Casapound Bolzano, Untertitel „Politische Organisation“ gepostet. Mit dem Hinweis: „Giornalismo democratico“.
Wirklich erhellend sind aber die über 100 Kommentare, die auf den Artikel folgen.
Das bewährte Mittel ist der persönliche Angriff auf salto.bz und den Autor:

Wessen Geistes Kind die „politische Organisation“ Casapound ist, wird schnell klar.

Schläge und Rizinusöl war eines der Mittel, die die Faschisten gegen politisch Andersdenkende einsetzten. Wie fruchtbar dieser Schoß immer noch ist, lässt sich anhand des Wortwechsels zweier Casapound-Anhänger deutlich nachvollziehen.

 

Besonders wütend werden die Eingaben bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verstoßes gegen das Mancino-Gesetz kommentiert. Die Kommentare und ein schlechter Witz legen offen, welche demokratiepolitische Kinderstube die gewählten Volksvertreter genießen.

Die Südtiroler ANPI-Sektion und ihr Präsident Orfeo Donatini haben den Marsch nicht nur hart verurteilt, sie fordern auch das Einschreiten der Staatsanwaltschaft. Umgehend gerät der langjährige Alto Adige-Journalist Donatini direkt ins Visier der Angriffe

Inzwischen hat die Diskussion im Casapound-Forum einen neuen Höhepunkt erreicht.

Maurizio Puglisi Ghizzi, Andrea Bonazza und Sandro Trigolo wurden am 8. Mai von 2.533 Boznerinnen und Boznern gewählt, die genau jenem Gedankengut anhängen, das in diesen Kommentaren zu Ausdruck kommt. Das sind nicht Protestwähler, sondern genau um 220 Stimmen mehr wie die Grünen bei derselben Wahl geschafft haben.
Diese Tatsache sollte uns weit mehr erschrecken und zu denken geben, als der dumme, faschistoide Aufmarsch.

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carlo sperzna So., 05.06.2016 - 10:17

Das viele Italiener im Lande Faschisten sind ist eine alte Wahrheit so wie viele Deustche (die deutsche Version des Faschismus...) Hat zum Teil sicher mit der mangelnden Geschichtsaufarbeitung zu tun? Weiss nicht persönlich glaube es ist physiologisch und "normal"

Einige Kommentare kann ich aber nachvollziehen: Die Kommentare über ANPI (associazione nazionale partigiani). 99% der "partigiani" sind ja längst schon tod und begraben. Wie viel gibt es da noch...
Nebenbei viele dieser echten partigiani waren auch symbolisch (zumindest mit den Gedanken) in "piazza Venezia" als Mussolini den Krieg erklärte und jubelten.

So., 05.06.2016 - 10:17 Permalink
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carlo sperzna So., 05.06.2016 - 10:50

Die Nachricht ist nicht dieser dumme Aufmarsch, symbol alter Politik sondern der Tod des Muhammad Ali. Er hat unsere Welt zum besseren geändert wie vielleicht kein Zweiter... Sein Einsatz fuer die Zivilrechte hat auch hier bei uns, in schwierigen Zeiten, positives Echo gefunden

So., 05.06.2016 - 10:50 Permalink