Gesellschaft | Massentourismus

Venezianer protestieren gegen Invasion

Tausende Venezianer haben mit einer Kundgebung gegen die Fremdenflut in ihrer Stadt protestiert. Sie fordern Wohnungen für Einheimische.
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Foto: web

Die Venezianer haben es gründlich satt. Vergangenes Wochenende waren es ausnahmsweise die Bewohner der geplagten Lagunenstadt, die grosses Gedränge am Markusplatz verursachten. Mehrere tausend Bewohner machten ihrer Verärgerung mit einer Protestkundgebung Luft. Mit Transparenten und Sprechchören protestierten sie gegen die Vereinnahmung ihrer Stadt durch eine bespiellose Touristenflut von 30 Millionen Besuchern jährlich. Ihre Wut richtete sich vor allem gegen die Gemeindeverwaltung und die Unesco, die ihr Ultimatum an Venedig um weitere zwei Jahre verlängert hat, um eine Art numerus clausus einzuführen. Die Lage hat geradezu groteske Züge angenommen.

Täglich strömt ein Heer von 30.000 Pendlern vom Festland an die Arbeits- oder Studienplätze in der Lagunenstadt.

Wohnungen und Zimmer sind dort nur zu stark überhöhten Preisen zu finden. 7000 bed and breakfest gibt es im Stadtgebiet. Die Demonstranten aus 46 Vereinigungen protestierten dagegen, dass "1000 Gebäude in öffentlichem Besitz ungenutzt" seien. Für einen Handwerker sei es unmöglich, geeignete Räumlichkeiten zur Auübung seines Berufs zu finden. "Residenti resistenti" und "Venezia muore" stand auf den Transparenten zu. Die "monocultura turistica" mache Venedig zu einem Disneyland. Dass der in der Provinz Treviso ansässige Bürgermeister Luigi Brugnaro in diesen Tagen in Dubai, Boston und Lissabon für seine Initiative Invest in Venice wirbt, steigerte die Wut der Demonstranten. Weil es keinen erschwinglichen Wohnraum für Einheimische gibt, ist die Zahl der Bewohner Venedigs auf unter 50.000 gefallen, jene der Touristen auf absurde 30 Millionen gestiegen. Noch innerhalb dieses Monats will Kulturminister Dario Franceschini einen "piano strategico contro il sovrafollamento nelle grandi cittá d'arte" vorstellen, mit dem die Besucherzahlen und die Zahl der Autobusse kontingentiert werden sollen. Er soll für Venedig, Rom, Florenz, Mailand und Neapel gelten. In Italiens Hauptstadt strömen jährlich 40 Millionen Besucher

2017 neues Rekordjahr für Italiens Fremdenverkehr   

Indessen stellt sich Italien auf ein Rekordjahr mit fast 400 Millionen Übernachtungen ein. Damit könnte es Deutschland und Grossbritannien überholen. Die ausländischen Gäste sollen um drei Prozent zunehmen - vor allem an den Stränden der Emilia-Romagna und der ligurischen Riviera. In beiden Region fehlen mehrere tausend  saisonale Arbeitkräfte, 2000 allein in Rimini, wo verzweifelt Bademeister gesucht werden. Die Abschaffung der vaucher hat die Lage zusätzlich verschärft wie die Entscheidung vieler Hoteliers, die Arbeitskräfte nicht mehr selbst zu beherbergen.  Zum üblichen Fremdenverkehr kommt in Italien noch der religiöse Tourismus mit 38 Millionen Pilgern pro Jahr.  18 Millionen jährlich besuchen den Petersdom, 6 Millionen die Basilika des Hl. Antonius in Padua, 5 Millionen Assisi, fast ebensoviele das Heiligtum von Padre Pio in S.Giovanni Rotondo und  3,5 Millionen den Wallfahrtsort Loreto.