Kultur | Salto Afternoon

Die Heimat der Heimatlosen

„In der Vergangenheit eine Ahnung von der Gegenwart spüren“, sagt Martin Pollack. Am kommenden Montag wird der Autor in Bozen zu Gast sein.
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Foto: Foto: Amrei-Marie, Wikipedia

Mit der Der Tote im Bunker – Bericht über meinen Vater machte der österreichische Autor Martin Pollack bereits im Jahr 2004 von sich reden – nicht nur, aber auch in Südtirol. Für dieses Buch besuchte Pollack einen Bunker am Brenner, in welchem sein leiblicher Vater, der ehemalige SS-Sturmbannführer und Gestapo-Chef Dr. Gerhard Bast, sein tragisches Ende fand. Zehn Jahre hat Pollack an der Aufarbeitung der Geschichte seiner Familie gearbeitet: „Eine Familiengeschichte kann man nicht ablegen wie einen Mantel an der Garderobe. Ich habe nicht ein Buch über meinen Vater geschrieben und damit ist die Sache gegessen.“

Pollacks Vater Gerhard Bast war schon 1931 der NSDAP beigetreten, ein Jahr danach der SS. Mit dem Krieg kam die Karriere. Nach Einsätzen in Graz, Linz und Koblenz kam er nach Münster, die Hauptstadt des Gaues Westfalen-Nord, als Stellvertreter des Gestapo-Chefs. Dort organisierte und überwachte Bast die Transporte der Juden in den Osten - ein Kriegsverbrecher. Mitten im Krieg verliebte er sich in Hilde Pollack, eine verheiratete Frau, 1944 kommt der Sohn Martin zur Welt und erhält den Namen seines Stiefvaters.

Gern lässt Martin Pollack in seinen Büchern Dokumente sprechen – einprägende O-Töne von Zeitzeugen, aber auch Stammtischsprüche...

Ende 2010 legte er das Buch Kaiser von Amerika vor, Anfang 2011 wurde er mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Im Buch behandelt er die Auswanderung aus Galizien im 19. Jahrhundert, eine erschreckende Geschichte samt düsteren Details: „Es ist mir wichtig, dass es mit der Story immer wieder Bezüge zur Gegenwart gibt, dass sozusagen die Gegenwart durch die Vergangenheit durchschimmert, oder anders gesagt, dass wir in der Vergangenheit bereits eine Ahnung der Gegenwart spüren. Diese beklemmenden Parallelen beim Schlepperwesen, dem Frauenhandel oder der Zwangsprostitution, erschließen sich dem halbwegs intelligenten Leser von selbst. Interessant ist, dass diese Mechanismen heute sehr ähnlich funktionieren wie vor 130 Jahren“

Ferner wurden von Martin Pollack sämtliche Werke des polnischen Autors Ryszard Kapuściński ins Deutsche übersetzt.

Im März 2017 ist sein Buch Galizia – Viaggio nel cuore scomparso della Mitteleuropa bei Keller Editore erschienen, 2016 Paesaggi Contaminati. Unter dem Titel Le patrie dei senza patria wird Martin Pollack am 11. September (ab 18 Uhr) mit Literaturkritiker Gabriele Di Luca im Festsaal der Gemeinde Bozen ein Gespräch führen.