Politik | Ungleiche Waffen

Nette Demokraten vs. zielstrebiger Trump

Die seit der Erkrankung des Präsidenten verstärkte Asymmetrie in der Wahlkampfführung birgt die Gefahr, dass die Demokraten wieder als sympathische Verlierer hervorgehen.
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Foto: Steven Braeger, Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication

Links-liberale Medien wie der Spiegel, die Zeit und die Süddeutsche warnten unmittelbar nach Bekanntwerden der Corona-Ansteckung Trumps davor, ihn jetzt mit Häme und Spott zu überschütten und ihm sein Kleinreden der Pandemie vorzuhalten. Man würde sich nur auf sein Niveau herabbegeben und dessen Spiel spielen. Auch sein Versagen in der Bekämpfung der Seuche mit Tausenden Toten (manche schätzen 100.000), die durch ein schnelles und konsequentes Vorgehen in den USA verhindert hätten werden können, solle ihm nun nicht unter die Nase gerieben werden. Dabei verkünden diese Medien nur, was die US-Demokraten auszeichnet und zu diesem Anlass an Tag legen. Dabei kann dieser asymmetrische nachsichtige Umgang ein Schuss nach hinten sein und dem nur um sich selbst kreisenden, skrupellosen Realitätsinterpreten zum Sieg verhelfen.

Nicht genug, dass die Präsidentschaftswahl 2016 wie wohl nie zuvor vom Einsatz unlauterer Methoden und niederträchtiger, im Nachhinein sich als falsch herausgestellten Aussagen entschieden worden. Gehackte E-Mails der Gegenkandidatin waren der Öffentlichkeit preisgegeben worden, der FBI-Chef belastete diese wenige Tage vor der Wahl mit Aussagen, die er nach den Wahlen wieder zurücknahm bzw. relativierte; von Millionen unentschlossenen Wählern in den Swing-States, darunter 3,5 Mio. Schwarzen, hat sich das Trump-Wahlkampfteam mithilfe der mittlerweile abgewickelten Firma Cambrigde Analytics private Daten besorgt, die aus geschäftlichen Gründen im Besitz anderer Unternehmen waren, und Profile erstellt, dank denen maßgeschneiderte Botschaften mit massenweisen Fake-News speziell über die Gegenkandidatin versendet wurden. Dazu gesellten sich die intransparenten Aktionen Russlands zugunsten von Trump, erst mehrere Jahre später von Facebook und Twitter erhoben und zugestanden, während sich die Demokraten brav und politisch korrekt nach den Regeln von Anstand und Tradition verhielten und das Land einem Ego-Tripper sondergleichen überlassen mussten, dessen Politik noch Jahre über dessen Amtszeit hinaus katastrophale Folgen für Schwarze (Thema Rassismus), sozial Schwache (Thema Obama Care), Frauen (Rollenbild, Abtreibung), Waffenrecht, Weltklima (Paris Abkommen), Verlässlichkeit der internationalen Beziehungen (Handelsstreit China, Strafzölle EU, Atomabkommen Iran etc.) entfalten wird.

Nun vier Jahre später, scheint sich diese Asymmetrie der eingesetzten Mittel zur Machtergreifung bzw. zum -Erhalt angesichts der ach so bemitleidenswürdigen wie schicksalshaften Erkrankung des nunmehrigen Präsidenten Trump zu wiederholen. Die Demokraten, seit 4 Jahren darauf aus, das Land von Trump zu befreien, beharren in ihrem Verhalten des Anstands und Respekts, der Aufrichtigkeit und der Vernunftbezogenheit im Namen der typisch amerikanischen political correctness. So stellt Biden seine TV-Spots mit Angriffen auf Trump ein und von Nancy Pelosi bis Barack Obama werden dem Präsidenten allseits Mitgefühlsbekundungen und Besserungswünsche erbracht. Wir sitzen alle im selben Boot, heißt es (welch ein Irrtum, bei jemandem, der Hydroxychloroquin predigt und sich Remdesivir verabreichen lässt). Die Trump-Kampagne lässt hingegen ihre aggressiven Spots gegen Sleepy Joe unbeirrt weiterlaufen, genauso wie das Verfahren zur Ernennung einer ultrakonservativen Verfassungsrichterin noch vor den Wahlen vorangetrieben wird, obwohl auch mehrere Mitglieder des Senats, der darüber zu entschieden hat, an Covid erkrankt sind. Vor 4 Jahren hat der Senat dem damaligen Präsidenten Obama ein ganzes Jahr lang die Nachbesetzung eines frei gewordenen Sitzes im Obersten Gerichtshof verwehrt mit dem Argument, dass der entsprechende Vorschlag dem neuen Präsidenten zustehe. Diesmal soll die Angelegenheit in eineinhalb Monaten durchgepeitscht werden, um dem amtierenden Präsidenten die Nominierung zu ermöglichen. Diese spezifische Asymmetrie dürfte dazu führen, dass die konservativen Richter im politisierten Supreme Court über Jahrzehnte hinweg eine klare Mehrheit besitzen und weitreichende Entscheidungen in gesellschaftlichen Entwicklungen (Einwanderung, Abtreibung, Waffenrecht, usw.) fällen werden. Die Rücksichtnahme der Demokraten gegenüber der Rücksichtslosigkeit Trumps und seiner Republikaner in der Schlussphase dieses Wahlkampfes erhöht die Gefahr, ihnen für weitere 4 Jahre die Macht zu überlassen, mit all den Schäden, die diese für Weltklima, soziale Gerechtigkeit, Gesundheit, Menschenrechte, gesellschaftlichen Zusammenhalt oder internationale Zusammenarbeit mit sich bringt. Ist diese Gefahr nicht unverhältnismäßig größer als jene, ihren Ruf absoluter Anständigkeit und Korrektheit zumindest teilweise aufs Spiel zu setzen, als dass die Demokraten, die sich auch in den Augen vieler von uns Europäern für die richtigen Ziele stark machen, die versuchen, die Herausforderungen der heutigen Zeit lösungsorientiert und in internationale Kooperation anzugehen, es nicht endlich wagen sollten, aus ihrer braven Naivität herauszutreten, um zielgerichteter, wenn nötig auch zynischer und rücksichtsloser gegenüber einem, ein schmutziges Spiel spielenden Gegenpart, nach der Macht zu greifen? Die hehrsten Ziele bleiben warme Luft und toter Buchstabe, wenn es nicht gelingt, die nötigen Mehrheiten von Bevölkerung und Staaten zu erobern.