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Der schwarze Monolith

Nach einer Odyssee im Weltraum ist Kultregisseur Stanley Kubrick nun auch in Bozen Süd angekommen.
schwarze monolith
Foto: Screenshot Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick

Jede Zeit hinterlässt ihre Spuren. Auf den unterschiedlichsten Ebenen, im Verdeckt-Verborgenen und im manchmal Vergessenen tragen wir und unsere Umwelt die Vergangenheit mit uns. In wohl wenigen Orten in Südtirol manifestiert sich die Geschichte so monumental, vielseitig und vor allem gleichzeitig wie auf dem Gelände der Ex-Alumix in Bozen Süd. Hier erzählt die Architektur:

Alte Transformatorenhallen, erbaut im Stil des Rationalismus, erinnern an die Zeit des Faschismus, als Mussolini die Industrialisierung der Zone Bozen Süd und die damit einhergehende Zuwanderung von italienischen Arbeitskräften befahl. Der künstlerisch gestaltete Wasserturm hingegen zeigt, wie sich das Gelände trotz seiner Prägung durch die Schwerindustrie als fruchtbarer Boden erwiesen hat und sich zu einem Austragungsort für kulturelle Veranstaltungen, wie der Kunstbiennale Manifesta 7, entwickelte. Durch die kürzliche Eröffnung des NOI Technologieparks erhält das Gelände wieder eine neue Bestimmung: Neben der Kultur, sollen nun auch Wirtschaft und Wissenschaft Seite an Seite dort residieren. Rechtzeitig dafür, hat man diesen Wandel gleich in einem symbolisch ausdruckstarken Monument festgehalten.

Neues Kapitel – neuer Bau:

Die unter Denkmalschutz stehenden Fabrikhallen und der Wasserturm wurden durch einen besonders ins Auge stechenden Neubau ergänzt. Es handelt sich um einen schwarzen, schiefliegenden Quader. Kubrickkenner dürften beim genaueren Betrachten dieses Neubaus sofort an den Sciencefiction-Klassiker von 1968 2001: Odyssee im Weltraum denken. Architekt Claudio Lucchin spielt mit offenen Karten: er habe die Gestaltung des Gebäudes direkt an Kubricks Ästhetik und Konzept des „schwarzen Monolithen“ angelehnt.

Zur Auffrischung der Erinnerung: Aus 2001: Odysee im Weltraum entstammt jener berühmte Ausschnitt, der die zum Walzer An der schönen blauen Donau im Weltall kreisenden Satelliten zeigt. Der Film stellt eine Zeitreise durch die Menschheitsgeschichte und Lebensalter dar. Von der Urzeit bis hin die (damalige) Zukunft, der sogenannten Satellitenära und von der Kindheit bis in den Tod und die Wiedergeburt, lässt dieser - nicht nur bild-gewaltige - Film vieles im Dunkeln. Eine der wenigen, wenn auch nicht klar deutbaren Konstanten im Film ist der schwarze Monolith.

Bereits zu Beginn des Films erscheint er das erste Mal: Eines Morgens wachen die Vorläufer des Homo Sapiens neben einem schwarzen Monolithen auf. Unklar woher er kommt, was er bedeutet und wofür er steht, führt er in den Menschen eine Bewusstseinsveränderung durch. Erst durch den Monolithen lernen sie Waffen und Werkzeuge aus Knochen herzustellen. Ein zweiter schwarzer Monolith taucht im zweiten Akt, in einer späteren Ära im Jahre 2001, in einem Mondkrater auf. Der Monolith besitzt elektromagnetische Schwingungen, eine zerstörerische Energie, die sich gegen jenes Expeditionsschiff richtet, das ihn hätte erforschen sollen. Mit einem schwarzen Monolithen endet der Film auch: Er steht im Zentrum eines surrealistischen Innenraumes, neben ihn ein sterbender Greis, der seine Hand hebt, so als wolle er den Stein berühren, wie ihn bereits die Urmenschen und die Astronauten auf dem Mond berührten.

Der von den zwei Architekturbüros Chapman Taylor und Claudio Lucchin & AA entworfene „Black Monolith“ in Bozen Süd wagt sich nun an dieses epische Kapitel der Kinogeschichte heran. Ähnlich wie im Film, soll auch der schwarze Monolith in Bozen die Geschichte der Menschheitsevolution erzählen. Auf seiner Rückseite wird das Gebäude bei seiner Fertigstellung den Boden berühren, von dort aus wächst es nach vorne und nach oben, fast so als würde es sich aufrichten: wie wir Menschen anfangs mit allen Vieren auf dem Boden standen und uns nur langsam aufrichteten um anschließend so aufrecht stehen zu können, wie heute.

Architekt Lucchin betont jedoch, dass die nach oben ragende Vorderseite des Gebäudes nicht die letzte Entwicklungsstufe sei. Denn nur weil der Mensch nun aufrecht stehe, sei die Evolution doch noch nicht beendet: nun liege es daran auch im Kopf zu wachsen. Hier schlägt der schwarze Monolith die Brücke zu seiner Funktion, einem Zentrum für Wissenschaft und Wirtschaft, das im Sinne der Nachhaltigkeit in die Zukunft blickt.

Der schwarze Monolith hat die Symbolik seines Vorbildes übernommen und steht für den Bewusstseinswandel der Menschen. Das Industriezeitalter auf dem Ex-Alumix Gelände ist zu Ende, das Wissenszeitalter beginnt. Doch seine Formsprache stellt Bruch und Wandel gleichzeitig dar: die geometrische Form erinnert an die Strenge des Rationalismus, die schwarze Fassade aus dunklen Solarzellen und Aluminiumschaumplatten an die Geschichte des Areals. So treffen Vergangenheit und Gegenwart im Namen der Zukunftsinnovation in diesem bewusst gesetzten Monument aufeinander: Das Mysterium des schwarzen Monolithen bleibt dabei in den Zukunftsvisionen erhalten.