Prostitution? Ja bitte!

In Deutschland wird derzeit über politische Maßnahmen gegen Prostitution diskutiert. Prostitution berührt die intimsten öffentlichen und privaten Bereiche und ist dementsprechend ein heikles Thema. Diskussionen über Prostitution werden selten sachlich geführt. Ich möchte mich nun in einigen Zeilen an dieses Thema heranwagen.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Grundsätzlich gilt es, eine gemeinsame Basis zu erarbeiten. Ich denke wir sind uns alle darin einig, dass jeder Mensch über seine Sexualität selbst bestimmen darf. Das heißt, kein Mensch darf zu sexuellen Handlungen gezwungen werden. Pointiert ausgedrückt heißt das: „Meine Vagina/mein Penis gehört mir – und ich mache damit was ICH will“
So argumentierend könnte man doch meinen: Wenn ein Mensch nicht dazu gezwungen werden darf, sexuelle Handlungen auszuführen, wie kann dann jemand das Recht haben, einem Menschen freiwillige sexuelle Handlungen zu untersagen? Wäre dies nicht ein massiver Einschnitt in die Selbstbestimmung des Individuums?

Ein Gegenargument gegen diesen individualistischen Zugang zur Prostitution ist die Frage des Zwanges. Wo beginnt Zwang und wo hört Zwang auf? Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Gewalt sind eindeutig als Zwang identifizierbar und dementsprechend verwerflich. Doch es gibt auch den „sanften“ Zwang. Ein Mensch kann auch durch ökonomische Not dazu gezwungen sein, seinen Körper „eigentlich“ gegen seinen Willen zu verkaufen.
Doch nun stellt sich die entscheidende Frage: Verbessert ein Verbot der Prostitution die ökonomische Situation des Notleidenden? Wohl eher nicht. Ich denke sogar, ein solches Verbot wäre gefährlich. Wäre Prostitution legal, könnte sie in einem geregelten, rechtssicheren Bereich stattfinden. Wäre Prostitution jedoch verboten, müsste die notleidende Person sich in illegale Gefilde begeben.
Wer also die Prostitution abschaffen will, damit Menschen in ökonomischer Not nicht mehr ihren Körper verkaufen müssen, sollte sich eher um eine anständige Wirtschaftspolitik denn um das Verbot einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs gegen Geld bemühen.

In der Realität stößt man mit einem solch rationalen Zugang zum Thema meist auf wenig Gegenliebe, da Prostitution für viele Menschen ein hochemotionales Thema ist. Prostitution ist in ihren Augen nicht nur eine Methode, Geld für eine Dienstleistung zu erhalten. Prostitution ist ein Phänomen, das die Menschen offensichtlich tiefergehend berührt. Es geht um Macht, es geht um Liebe, es geht um Moral und auch um unsere monogame Grundeinstellung. Diese emotionale Ladung führt dazu, dass die Prostitution bis heute in einem rechtlichen Graubereich stattfindet – aus Scheu vor etwaigen Konflikten.

Jeder Mensch hat das Recht über seinen Körper zu bestimmen, auch Menschen, die sexuelle Handlungen für Geld anbieten wollen. Wir sollten dementsprechende rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, um allen in der Prostitution tätigen Menschen den Respekt entgegenzubringen, den sie verdienen. Es gibt keinen moralischen Grund dafür, einvernehmlichen Sex zu verbieten. Ein Verbot der Prostitution löst das Problem der Zwangsprostitution nicht, sondern könnte dieses Problem sogar noch verschlimmern. Dadurch würden auch all jene, die diesen Beruf aus freien Stücken ausüben (wollen) in die Illegalität gedrängt. Das kann nicht der Anspruch einer westlich-aufgeklärten Gesellschaft sein.

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Frank Blumtritt Mo., 06.01.2014 - 01:03

Panorama komplett, pro&contra klar, fehlen noch konkrete Vorschläge. Also, Freudenhäuser nach deutschem Muster in Italien wieder zulassen und Prostitution als offiziell steuerpflichtigen Erwerb? Warum nicht. Diese Art Transparenz gäbe einigen Prostituierten so manche Sicherheit, wäre aber teils unerwünscht, zB bei Minderjährigen, Drogenabhängigen, illegalen Einwanderinnen, usw... letztere haben natürlich immer noch ganz andere Probleme der Ausbeutung, als nur die Prostitution und sie ist für manche vielleicht wirklich eine Hilfe. Daher sollte eine Repression des Straßenstrichs immer mit Kriminalitätsbekämpfung und social streetwork einhergehen, aber ich denke, das wird bereits gemacht und es gibt auch Frauenhäuser.
Die Freier bestrafen ist sicher Quatsch, genauso wie die Bestrafung des Drogenkonsums.
International ist es schon schwieriger. Ein großer Teil der Prostitution ist das Ergebnis des modernen Sklavenhandels und der ist leider total globalisiert. Da ist auch die Außenpolitik aller Industriestaaten gefordert. Aber wenn die daran wirklich Interesse hätten, gäbe es die meisten Kriege nicht und dort fängt das ganze Übel an: Frauen und Kinder sind immer die ersten - und vermutlich auch letzten Opfer der Kriegsherren (die leider von unseren "zivilisierten" Ländern unterstützt werden). Also besser: act local...

Mo., 06.01.2014 - 01:03 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mo., 06.01.2014 - 15:44

Oder keine Argumente dagegen zu setzen?
Hab den Artikel von Frau Schwarzer gelesen und ich finde in diesen Artikel auf Salto die logische Antwort dazu. Der springende Punkt bleibt bei der Erfolgslosigkeit des Verbots, der im Gegenteil meist kontraproduktiv wirkt.

Mo., 06.01.2014 - 15:44 Permalink
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Frank Blumtritt Mo., 06.01.2014 - 16:02

Schwarzer ist nun wirklich nicht mehr der letzte Schrei zum Thema Prostitution... Liebe/r Simone, damit ziehst du das Thema auf die bekannte ideologisch-moralische Ebene und machst es somit unlösbar. Bezahlter Sex, das hat es immer gegeben und wird es immer geben (und nicht nur bei Männern..!). Der Spruch des "ältesten Gewerbes der Welt" kommt ja nicht von ungefähr. Lösbar hingegen sind die Themen "mehr Selbstwertgefühl durch adäquate Kindererziehung" und die "sozio-ökonomische Situation marginaler Gesellschaftsschichten", also "Kampf der Ausbeutung". Das Geschlechtsverhalten der Menschen wird (allerdings nur teilweise!) durch diese Problembereiche beeinflusst.

Mo., 06.01.2014 - 16:02 Permalink
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Christian Jung Mo., 06.01.2014 - 23:50

Gute Artikel, gut analysiert!

Leider gibt es zurzeit ein bisschen eine Hetzjagd gegen Sexualität / Prostitution.
Frau Schwarzer, etc argumentieren mit falschen Zahlen und setzen Prostitution mit Menschenhandel gleich. Der weit überwiegende Teil der Prostituierten arbeiten freiwillig.

Jeder Mensch sollte selbst über seinen Körper und Sexualität bestimmen können. Die Sexarbeiter sollten eher entstigmatisiert werden anstatt verurteilt!

Mo., 06.01.2014 - 23:50 Permalink
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Oskar Egger Di., 14.01.2014 - 07:34

Also am besten hat mir in dieser Diskussion F.Blumtritts Appell an "mehr Selbstwert durch adäquate Kindererziehung" gefallen. Ich finde nämlich, das trifft ins Schwarze. Und wenn die Kindererziehung eine gesunde, überlegte, Sexualerziehung ohne mehr oder weniger verdeckte Spielchen, globalisiert, beinhaltet, wenn der Umgang mit Macht und die Achtung vor dem Anderen, sowie die Verantwortung für ihn (sie) und sich selbst gegenüber, in die Köpfe und Herzen einzieht, wenn Eltern endlich verstehen, was der Unterschied zwischen Affenliebe, Vernachlässigung, Mißbrauch und Grenzziehung mit Inzesttabu ist, dann werden auch sexuelle Fehlentwicklungen, Ausbeutung und Perversion weniger. Dann wird es möglich, die Freude am eigenen und am Körper des anderen zu feiern, angstlos. Utopie?? Nein, genauso möglich wie die Einführung/Abschaffung von "Freudenhäusern". Wirklich Freude, für wen??

Di., 14.01.2014 - 07:34 Permalink
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Lorenz Gallmetzer Di., 13.05.2014 - 02:42

Ich bin ja auch ein Anhänger von provokanten Titeln und insofern gefällt er mir. Aber warum fehlt zu dem Artikel der Name des Autors?? Aus der Anonymität geschrieben ist nie sehr glaubwürdig - außer es war ein digitales "Hoppala" - dann bitte Namen nachliefern.
Als Mann und libertärer "Noch-Immer-68er" bin ich natürlich auch gegen die derzeit in vielen Ländern Europas (Frankreich!!!) diskutierten oder gar schon beschlossenen Verbotsoffensiven was Prostitution betrifft - ebenso übrigens Drogen betreffend. Einfach deshalb, weil wir seit der berühmt-berüchtigten Alkohol-Prohibition in Amerika wissen, dass das keinesfalls zur Bekämpfung des "Übels" beigetragen hat, sondern bestenfalls zur Stärkung der Mafia - in unserem Fall der illegalen Prostitution und somit des Menschenhandels. So weit so gut. Man sollte das Problem aber auch nicht banalisieren. Die Flat-Rate-Bordelle und Laufhäuser in Deutschland oder der Schweiz erwecken vorert den Eindruck einer geregelten, sicheren, sanitär kontrollierten und den Prostituierten entgegenkommende Regelung. Kein Sraßenstrich bei Regen und Kälte, keine unbekannten und bedrohlichen Kunden in Autos etc. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Wenn die jungen Frauen angehalten werden, für eine - meist geringe - Pauschalsumme so und so oft "zur Verfügung" zu stehen, hat das mit Freiwilligkeit schon nicht mehr allzuviel zu tun.
Dann gibt es natürlich die andere Schiene, die high-class-Prostitution, die Escort-services für wohlhabende und reiche Kunden. Da läuft das Geschäft anders und selten sind die jungen Frauen Opfer von Zuhältern, weil die Escort-Organisationen (sehr häufig von Ex-Prostituierten geleitet) selbst für Sicherheit und Schutz sorgen und dafür einfach 40% des Verdienstes kassieren. Und viele Sexarbeiterinnen sind - via soziale Medien - überhaupt völlig autonom. Siehe dazu den vielsagenden Artikel von Corriere della Sera online: http://www.corriere.it/cronache/14_maggio_12/mia-vita-segreta-frontalie… Aber trotz allem: neben noch so vielen selbstbestimmten Sexarbeiterinnen gibt es eben immer noch und immer mehr Zwangsprostituierte (vor allem aus Osteuropa und Afrika), deren Leben alles andere als easy und glamourös aussieht. Und dagegen muss etwas unternommen werden.

Di., 13.05.2014 - 02:42 Permalink