Kultur | Video del Venerdi

"Wir können es kaum erwarten"

Fainschmitz hat einen neuen Song: Pizza Margherita - ein traurig-fröhliches Lockdown-Lied.
Fainschmitz
Foto: Arno Dejaco

In die Vergangenheit blickend fallen einem oft einige Sachen ein, die man anders machen würde. Die Wiener Gruppe "Fainschmitz" würde vielleicht den Namen mit "ei" schreiben, um sich nicht ständig erklären zu müssen. Aber ansonsten würde wahrscheinlich vieles gleich laufen, schließlich lernt man aus Erfahrungen, auch aus den schlimmen. Fünf Jahre ist es her, seit der gebürtige Steinegger Matthias Vieider in Wien auf Jannis Klenke, Alexander Kranabetter und Martin Burk getroffen ist und sie sich entschlossen haben, fortan gemeinsam zu musizieren. 2021 erscheint ihr neues Album, die Single "Pizza Margherita" steigert die Vorfreude darauf. 

salto.bz: Fainschmitz wurde 2016 gegründet. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, wie fällt Euer persönlicher Rückblick aus?

Matthias Vieider: Jeder von uns hat da natürlich eine andere Erfahrung gemacht, aber es war für alle auf jeden Fall eine sehr ereignisreiche und intensive Zeit. Es war bald klar, dass Fainschmitz nicht bloß ein Spaßprojekt ist, sondern dass wir in dieser Kombination an Leuten gerne längerfristig Musik machen und uns möglichst autonom und selbstorganisiert in dieses Abenteuer hineinstürzen möchten. Wir hatten das Glück, dass wir von Anfang an viele Konzerte spielen konnten und unsere Musik sich für unterschiedliche Konzertsituationen anbietet. Nach ersten kleinen Auftritten in Bars sind wir schon bald bei namhaften Festivals und in größeren Konzertsälen gelandet, sind von Jazzclub zu Hippie-Festival, von Techno-Party zu Sitzkonzert gefahren und das macht uns bis heute großen Spaß. Im Laufe der Zeit sind wir vor allem als Gruppe gewachsen und haben immer mehr verstanden, was wir wollen: Musik zu machen, die uns gefällt und hinter der jeder von uns stehen kann, als Gemeinschaft zu funktionieren und alles selbst in der Hand zu haben. Ob es dann mal einen Hype oder einen Hit gibt, ist nebensächlich.

 

In den letzten Jahren haben Plattformen wie YouTube, Soundcloud und Spotify die Musikszene verändert. Corona hat die Digitalisierung zunehmend beschleunigt. Spürt Ihr die Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung im Musikbereich oder beobachtet Ihr eine gegensätzliche Entwicklung, also, dass die Menschen ein stärkeres Bedürfnis nach einem Live-Erlebnis haben? 

Als wir begonnen haben, war es schon so, dass sehr viele Leute Musik nur mehr gestreamt und wenig physische Tonträger gekauft haben, insofern hat sich da für uns wenig verändert. Unser erstes Album wurde 2018 veröffentlicht und da war es schon klar, dass wir die CD’s eigentlich nur bei Konzerten verkaufen werden und das Geld, das bei den Streaming-Plattformen reinkommt, sehr überschaubar ist, auch wenn man viele Klicks hätte. Dass Leute, wenn sie viel streamen, mehr oder weniger Bedürfnis nach Live-Musik haben, könnte ich jetzt nicht sagen. Was uns auffällt ist, dass sich viele Leute Platten wünschen, das ist schön.

"Jungle Swing" steht für ein Stilgemenge aus Gypsy Swing, Jazz, Chanson und Pop.

Wie profitiert Fainschmitz von den Sozialen Medien in Sachen Selbstvermarktung?

Ich würde sagen wenig. Weil wir eben auch nur das Nötigste machen: Konzerte und Releases ankündigen, ab und zu ein Foto posten. Wir beobachten neugierig, aber oft auch etwas verstört, wie andere Bands das machen, wie sie ihre digitalen Aufmerksamkeits-Maschinerien anwerfen und wie effizient das sein kann. Es ist klar, dass das permanente Social-Media-Spektakel längst zur Normalität geworden ist und manchmal haben wir Angst, unsichtbar zu werden, wenn wir da nicht offensiver mitspielen. Aber wir wollen nichts machen, was uns selbst nerven würde.

 

FAINSCHMITZ - Pizza Margherita

 

Ihr bezeichnet euren Musikstil als „Jungle Swing“. Was kann sich jemand, der nicht so musikaffin ist, darunter vorstellen? 

„Jungle Swing“ ist eine Genrebezeichnung, die wir für uns erfunden haben. Sie steht für ein Stilgemenge aus Gypsy Swing, Jazz, Chanson und Pop, zwischen diesen Genres bewegt sich bisher unsere Musik. Fundament unseres Sounds ist meist ein Groove von Bass und Rhythmusgitarre, darauf setzen sich Trompete, Klarinette, Saxophon mit Melodien und Improvisationen. Einige Lieder sind Instrumentalnummern, bei anderen kommt Gesang dazu, meist durch ein Megaphon gesungen. Stimmungsmäßig ist es Musik, die – wie wir gesehen haben – in Konzertsälen, wie dem Wiener Musikverein, ebenso funktionieren kann, wie auf einer ausgelassenen Technoparty.

Was uns auffällt ist, dass sich viele Leute Platten wünschen, das ist schön.

Auf der Facebook-Seite beschreibt Ihr euren neuesten Song „Pizza Margherita“ als traurig-fröhliches Lockdown-Lied. Inwiefern beeinflusst die Corona-Zeit eure Musik? Um was geht es in dem Song?

Pizza Margherita könnte man wirklich als Lockdown-Lied bezeichnen. Der Text dazu ist im Frühjahr 2020 entstanden und obwohl er einen sehr allgemeinen, schwer definierbaren Gefühlszustand beschreiben soll – eine Art fröhliche Einsamkeit – hat er schon vieles von einer gewissen Pandemie-Melancholie. Das selbst gedrehte Video verstärkt diese Stimmung nochmal mehr. Dazu kommt, dass die Klarinettenspuren ursprünglich nur als Probeaufnahmen, als Skizzen dienen sollten, wir sie dann aber mitgenommen haben, weil wir dieses Unperfekte so passend fanden. Das ist uns im Zuge der Albumproduktion öfters passiert: Wir haben, bedingt durch die viele Zeit, die wir hatten, immer mehr zugelassen und ausprobiert und letztendlich einen Großteil des Albums selbst aufgenommen. Ohne Lockdown wären wir da sicher weniger abenteuerlich unterwegs gewesen. Inwiefern die Corona-Zeit unsere Musik stilistisch beeinflusst, ist schwer zu sagen. Wir hatten schon länger den Wunsch, uns ruhigeren, entspannteren Liedern zu widmen und mit zusätzlichen Instrumenten zu arbeiten. Das machen wir jetzt seit Herbst, und ja, vielleicht hat uns diese Corona-Tristesse nochmal mehr dazu ermutigt.

Wir waren aber immer nur kurz in einer „Schockstarre“ und haben dann viel Zeit im Proberaum verbracht.

Zurzeit ist es still um Kunst und Kultur. Wie geht es Euch damit? Wie verändert die Pandemie das Leben als Band? 

Obwohl es anfangs natürlich ein Schock war, hat es uns nicht so schlimm erwischt wie andere. Wir hätten 2020 sowieso weniger Konzerte geplant gehabt, weil wir eine kleine Auszeit brauchten und das neue Album fertigstellen wollten. Dass dann bis Sommer 2021 quasi alles ausfällt, war schon sehr bitter. Wir waren aber immer nur kurz in einer „Schockstarre“ und haben dann viel Zeit im Proberaum verbracht. Dazu kam noch viel Denk- und Organisationsarbeit, weil wir ein eigenes Label gegründet haben und viele Corona-Tests, um bei den Proben niemanden anzustecken. Langweilig wurde uns also nicht, wir vermissen die Konzerte jedoch sehr. Die große Unsicherheit, das ständige Verlängern der Lockdowns machen uns zusätzlich zu schaffen, es war noch nie so mühsam, Konzerte zu planen. Aber wir bleiben optimistisch.

 

Ein Blick in die Zukunft: 2021 erscheint Euer neues Album. Auf was kann man sich freuen?

„The Fainschmitz rises“ sehen wir in gewisser Weise als Fortsetzung von „Fainschmitz begins“, es entwickelt den Sound des ersten Albums in all seinen Facetten weiter. Zu hören sind träumerische und energetische Instrumentalstücke und Songs, die textlich in gesellschaftliche Widersprüche vordringen. Zwölf Lieder, die sich zwischen Ausgelassenheit, selbstironischem Witz, Ernsthaftigkeit und Melancholie bewegen. Wir können es kaum erwarten!