Gesellschaft | Wah-len

Das Rad der Zeit

So dachte er...
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Er stand auf der Brücke und blickte in den Fluss runter. Der Eissack floss gemächlich dahin, weiter vorne konnten man den Bagger sehen, wie er gerade das Ufer mit riesigen Steinen befestigte und im Rauschen des Windes ertönte das laute Rumpeln seiner Schaufel. Es war fast Frühling, doch hing etwas melancholisches in der Luft. Er war mit Kopfschmerzen erwacht und dachte etwas frische Luft würde ihm gut tun. Gerade fuhr hinter ihm ein Güterzug vorbeit und er musste daran denken, wie ihn das manchmal mit einem Hauch Neuigkeiten erfüllte, wenn er sah, wie er sich langsam fortbewegte mit seiner Fracht, die tausende Kilometer unterwegs war und wer weiß aus welchen Ländern stammte. Oder vielleicht war ein Kontainer Giftmüll darunter, der dann irgenwo im Süden vergraben wurde. Dann setzte er sich wieder in Bewegung, der Atem war flach, er fühlte sich nicht gut, so wie das Land dachte er. Gerade war es von einer schrecklichen Wahlkampagne erwacht, sinnloses Geschrei, wie Schweine im Schlamm buhlten sie um Stimmen, versprachen die Sterne vom Himmel, erzählten Geschichten von einer heilen Welt, was es auch war was viele Menschen hören wollten. Die pedantische Realität von Bürokratie und Gesetzgebung, die Langeweile und Frustration, von dem was wirklich möglich war, in dem Kontext, in den sich das Land seit Jahrzehnten hineinmanöviert hatte, wollte keiner hören. Die Menschen sind der Realität müde, sie haben keine Lust dorthin zu schauen, Wut und das Happy End war wichtig und wer es am lautesten versprach bekam auch die meißten Stimmen. Doch, und er atmete tief die kalte Luft ein, war es nicht so tragisch. Die Reibung zwischen Fiktion und Realität würde noch früh genug das ganze Gebäude in Flammen aufgehen lassen und in der Zwischenzeit floss der Eissack gemächlich weiter, die Knospen würden bald aufbrechen und ihr schimmerndes, zartes Grün zeigen und den Platz für die nächste Wahlkampagne bereiten.