Politik | SVP

Eiszeit unterm Edelweiß

Die SVP fühlt sich nach den Parlamentswahlen gestärkt. 9 der 18 in Trentino-Südtirol gewählten Parlamentarier sind “autonomiefreundlich”. Und die römischen Szenarien?
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Foto: Salto.bz

Richtige Freudenstimmung will in der SVP-Zentrale am Tag nach den Parlamentswahlen keine aufkommen. Seit den frühen Morgenstunden sitzen Parteileitung, Parlamentskandidaten, Mandatare und Parteifunktionäre in den oberen Stockwerken und beraten: Mit welcher Botschaft geht man an die Öffentlichkeit?

Das Szenario nach dem 4. März ist düster: In Südtirol ist die Wahlbeteiligung auf ein historisches Tief gesunken. Nur knapp 70% der Südtiroler Wahlberechtigten haben von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Auf nationaler Ebene fängt sich der bisherige Verbündete in Rom eine saftige Watsche ein: Der PD kommt nicht einmal auf 20 Prozent. Auf der anderen Seite erlebt die 5 Sterne Bewegung einen Höhenflug. Mit knapp 33 Prozent sind die Grillini die eindeutigen Wahlsieger. Und die Lega Nord stellt mit knapp 18 Prozent alle Mitte-Rechts-Parteien in den Schatten. Im Trentino kollabiert das Mitte-Links-Bündnis von PD und PATT, Lega und Mitte-Rechts trumpfen auf.

Ja, was sagt die SVP den Menschen im Land am Morgen nach den Parlamentswahlen? Zunächst betreibt man Nabelschau. Der Parteiobmann spricht von “nicht wenig Vertrauen”, von einem “starken Rückhalt” für seine Partei. Alle sechs SVP-Kandidaten, die ein Mandat in Aussicht hatten, sind gewählt.
Am stärksten hat Meinhard Durnwalder mit 66,54% im Senatswahlkreis Brixen-Pustertal abgeschnitten. Die Wähler desselben Wahlkreises schicken Renate Gebhard mit 64,98% in die Abgeordnetenkammer. Im Wahlkreis Meran-Vinschgau fahren auch Julia Unterberger mit 61,08% und Albrecht Plangger mit 61,17% ein respektables Ergebnis ein.
Der Senatssitz, der über das Verhältniswahlrecht auf regionaler Ebene zu vergeben war, wird an Dieter Steger gehen – den Listenführer der gemeinsamen Liste von SVP-PATT, die mit 26,83% am stärksten abgeschnitten hat.

Von den fünf Sitzen, die in der Region Trentino-Südtirol mittels Verhältniswahlrecht für die Kammer vergeben werden, sind zwei “so gut wie sicher”, heißt es bei der Pressekonferenz am Montag Vormittag. Einer geht an Manfred Schullian. Der andere an die Trentiner PATT-Kandidatin Emanuela Rossini.

Und dann sind da noch Gianclaudio Bressa und Maria Elena Boschi. Die beiden von der SVP unterstützten PD-Kandidaten haben im Wahlkreis Bozen-Unterland jeweils über 40% erhalten und die Wahl für sich entschieden.

“Mit unseren Gewählten” – so nennt SVP-Obmann Philipp Achammer die neuen Onorevoli – “stellen wir 9 der 18 Parlamentarier der Region Trentino-Südtirol”. Damit nicht genug. “Alle in Südtirol Gewählten haben bewiesen, für die Autonomie einzustehen”, ergänzt Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Wenn in Rom ein eisiger Wind weht, rückt man in der SVP noch näher zusammen. “Für uns geht es darum, die Autonomie zu verteidigen – und wir werden sie eisern verteidigen, wenn es sein muss”, wetzt Achammer die Klingen.
Das Wahlergebnis habe gezeigt: “Wir” – und damit meint Achammer die SVP – “sind der einzige Autonomie-Garant und -Anker in Rom – denn auf regionaler Ebene schaut es trüb aus für die Autonomie”.

Kein Wort zum Wahldesaster des PD, kein Kommentar zu einer Zusammenarbeit mit einer möglichen 5-Sterne- oder gar Lega-Regierung. “Wir werden nicht zu Kaffeesud-Leserei beitragen”, sagt Achammer.
Nur so viel will der Parteiobmann klarstellen: “Wir werden schauen, wie sich die Situation in Rom entwickelt. Und dann unsere Position definieren.”
Partner will man sich nach dem Kriterium “Autonomiefreundlichkeit” aussuchen. “Die Erfahrungswerte mit den 5 Stelle in der Vergangenheit waren nicht positiv” – wer sich die Unterstützung der SVP sichern wolle, müsse “beweisen, für die Autonomie zu stehen”.

Aber dann tröpfeln sie doch durch, die “Wermutstropfen”: Die niedrige Wahlbeteiligung ist “nicht zufriedenstellend”, aber “die Mobilisierung der Wähler war dieses Mal deutlich schwieriger”, gesteht Achammer. Gar einige SVP-Wähler hat man mit den Basiswahlen verprellt, andere potentielle Wähler, die die SVP von den deutschsprachigen Rechtsparteien hätte gewinnen können, sind erst gar nicht zur Wahl gegangen. Auch dass es im Trentino “nicht mehr den breiten Konsens für das Autonomiebündnis” gibt, ist ein Wermutstropfen.

Mit ernsten Gesichtern haben sich die neuen Südtiroler Onorevoli hinter ihrem Parteiobmann aufgestellt. Der dankt zuletzt einem, der maßgeblich die Strategie der SVP in den letzten Jahren, Monaten und Wochen gesponnen hat: Karl Zeller. Das Wahlergebnis für die SVP trage “maßgeblich deine Handschrift”, sagt Achammer zum scheidenden Senator und Vize-Parteiobmann. Der ergreift dann selbst das Wort. Im Senat sei weiterhin eine Autonomiegruppe möglich, beeilt sich Zeller zu sagen. Mit vier in Südtirol gewählten Senatoren und einem aus Aosta ist die Mindestanzahl von fünf Mitglieder gewährleistet. Ebenso in der Kammer, wo nur drei Abgeordnete für die Minderheitengruppe notwendig sind.

Ein großes Trostpflaster dürfte das nicht sein. Aber groß genug um die aufgeklafften Wunden abzudecken. Vorerst. “Es ist alles offen”, schließt Philipp Achammer. Auf die vielen Fragezeichen gibt es noch keine Antwort. Doch für die SVP zählt am Vormittag des 5. März nur eines: “Unser Auftrag ist die Autonomie. Nichts anderes.”