Letto
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Gesellschaft | #alsodann

Der lange Abschied

Gar nicht so einfach, mich einmal in Ruhe hinzusetzen, ans Sterben zu denken und die Patientenverfügung auszufüllen.

Natürlich weiß ich Bescheid, selbstverständlich werde auch ich einmal nicht mehr sein dürfen/müssen. Lieber später, wenn ich's aussuchen kann. Aber mit Aussuchen ist da nicht viel. Deswegen denk ich möglichst wenig dran.

Ab und zu fällt mir ein, dass ein Testament gar nicht so schlecht wäre, auch ein biologisches. Ich hätte wenig Lust drauf, an Schläuche gehängt möglicherweise unter Schmerzen dahinzuvegetieren und mit Unerwünschtem gefüttert zu werden. Ob ich es wirklich nicht haben würde wollen, weiss ich zwar nicht mit letztgültiger Sicherheit, aber eher schon.

Also doch den Zettel ausfüllen, sage ich mir, und schon wieder bleibt es beim guten Vorsatz.

Deshalb wäre es besser, mich gegen bürokratisch besonders korrekte Pflegende abzusichern, die protokollarisch auf künstlicher Ernährung und lebenserhaltenden Maßnahmen bestehen müssen, weil ich nie etwas Anderes aufgeschrieben habe. Also doch den Zettel ausfüllen, sage ich mir, und schon wieder bleibt es beim guten Vorsatz.

In einem Anfall von Mut google ich die Patientenverfügung doch, werde rasch fündig, lande aber in Unmengen von Text, die mir auseinandersetzen, wie das mit dem Sterben so geht. Entmutigt scrolle ich weiter, komme endlich auf das Formular. Kurz, bündig, relativ klar. Aber eben nur relativ. Also besser ärztliche Beratung suchen wie empfohlen. Ob mein Hausarzt wohl Zeit dafür hat? Bedenken, die mir einen neuen Vorwand liefern, das Ausgedruckte wieder abwartend zur Seite zu legen.

In der Zwischenzeit schreibe ich ein #alsodann übers Sterben. Ist Sterben Kolumnen-Stoff? Es lebe das Tabu, mein Tabu.

 

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Manfred Klotz Sa., 05.05.2018 - 18:50

Es klingt nicht blöd, es ist sehr vernünftig, denn das Beschäftigen mit der eigenen Vergänglichkeit ist keine Frage des Alters. Als Mediziner glaube ich, kriegst du da einiges mit...

Sa., 05.05.2018 - 18:50 Permalink
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Sepp.Bacher So., 06.05.2018 - 13:11

Ja, mit der Patientenverfügung habe ich mich schon beschäftigt, bin aber zu keinem Schluss gekommen. Wie ich verstanden habe, ist der Spielraum über was man wirklich verfügen kann, sehr gering. So glaube ich, hätte es keinen Sinn zu verfügen, dass ich bei einem Herzinfarkt eines natürlichen Todes sterben und nicht mit Defibrillator geschockt und reanimiert werden möchte. In solchen Situationen wird ja gar nicht gefragt, was ich möchte, denn du hast zu leben und alt zu werden, so wollen es die Ärzte, die Gesundheitsindustrie, die öffentliche Meinung, usw. Alle sollen immer älter werden, niemand fragt, ob dieser Trend der Gesellschaft noch gut tut, ob die Altersstruktur nicht schon zu sehr aus dem Gleichgewicht gekommen ist. Es ist nicht nur eine volkswirtschaftliche Frage, wegen der Kosten, wegen der nicht mehr zu garantierenden Pflege, usw. Ich sorge mich auch über den Trend, dass du als älterer Mensch von den Jungen nur noch verächtlich angesehen wirst, es keinen Kontakt mehr zwischen jung und alt gibt, also ich spreche jetzt von der anonymen Stadtbevölkerung. In den Familien und auf dem Land kann es schon noch besser sein. Z. B. im Bus: man kann fast sagen, dass es keine/m/r Jungen einfallen würde einem der meistens vielen Senioren im Bus den Sitzplatz an zu bieten. Schon eher drängen sich diese beim Einsteigen vor und behindern dabei die älteren, oft greisen Fahrgäste. Vor Jahren waren es oft noch junge Ausländer, die ihren Platz den alten Menschen anboten. Aber inzwischen scheinen auch diese gelernt und sich angepasst zu haben. Ich merke, ich bin abgeschweift. Aber was ich sagen will: es gibt eine Kluft zwischen dem, was ich Anfangs beschrieben habe und der täglichen Realität. Nicht für alle Menschen ist es unbedingt reizvoll auf jeden Fall alt zu werden. Und in einer Patientenverfügung möchte ich auch tabuisierte Wünsche äußern können, die dann auch ernst genommen werden und Ärzte müssen sich von der Überzeugung verabschieden, dass jeder Mensch möglichst lang leben will. Das ist meine Erfahrung in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis. Manche alte Menschen wünschten sich oft eher eine Hilfe um bald zu sterben, (z. B. lebenserhaltende Medikamente abzusetzen) als noch Schmerz-leidend oder einfach lebensmüde dahin zu vegetieren. Welcher Haus- oder Facharzt spielt da mit? Ich glaube keine/r!?

So., 06.05.2018 - 13:11 Permalink
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Gunny K Mo., 07.05.2018 - 15:04

Anwälte leben in Südtirol davon Erbstreitereien zu regeln. Hier wird von Gericht und Anwaltschaft Verfahren verschleppt nur weil die Erbparteien den vorausgehenden Einigungen in Schichtungsverfahren den Anwälten mehr glauben. Wenn Besitz da ist, muss geteilt werden.

Mo., 07.05.2018 - 15:04 Permalink
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Sepp.Bacher Di., 08.05.2018 - 11:42

Ich kann nur hoffen, dass es den von dir erwähnten "Ärzte für einen Therapierückzug" nicht nur in dem Köpfen, sondern auch in der Realität gibt. Und auch nicht nur in Österreich oder Deutschland, wo die Patientenorientierung der Medizin vielleicht mehr gegeben ist, sondern auch in Südtirol, in Italien. Ich kenne einen Fall, wo es eine Patientenverfügung gibt, wo die Person auch deutlich gesagt hat, sie möchte um keinen Fall mehr ins KH gebracht werden. Schlussendlich wollte sich der Hausarzt keine Verantwortung aufladen, von den näheren Verwandten wollte auch niemand der Schwarzen Peter übernehmen und an den Patientenwunsch erinnern bzw. eine Gegenposition vertreten. Also wirkten alle auf die greise Frau ein, sie müsse nur zu einer Untersuchung ins KH. Daraus wurde aber ein KH-Aufenthalt, usw. - so dreht sich Spirale weiter.

Di., 08.05.2018 - 11:42 Permalink