Politik | Ermittlungen

Nazis all'Italiana

Italienische Nazis plakatieren in Bozen. Bürgermeister Luigi Spagnoli schaltet die Staatsanwaltschaft ein. Die politische Polizei DIGOS ermittelt. Eine Strafverfolgung wird aber schwierig werden.

Klaus Ladinser lässt keinen Interpretationsspielraum. „Da wird faschistisches und nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet“, sagt der Bozner Vize-Bürgermeister, „das können wir nicht zulassen“. Es war Luigi Spagnoli, der Ladinser vor rund einer Woche auf die überall in Bozen hängenden Plakate mit der Aufschrift „Liberi, Sociali, Nazionali“ hingewiesen hat. Spagnoli hat noch am selben Tag eine Eingabe direkt bei Oberstaatsanwalt Guido Rispoli hinterlegt. Es geht um Verherrlichung des Faschismus und um mögliche Wiederbetätigung. Auch um den Verstoß gegen das sogenannte Mancino-Gesetz.
Guido Rispoli eröffnete umgehend ein Faszikel gegen Unbekannt und übertrug die Ermittlungen der politischen Polizei DIGOS. „Wir haben uns schon vor einigen Monaten mit dieser rechtsextremistischen Gruppierung befasst“, sagt DIGOS-Chef Giorgio Augusto Porroni zu salto.bz.

Rechte Hardliner

Hinter der Plakataktion, die italienweit durchgeführt wird, steht die „Unione per il Socialismo Nazionale“ (USN). Diese extraparlamentarische, rechtsradikale Bewegung wurde im Oktober 2011 formell gegründet. Sie geht aus einer Gruppierung hervor, die sich 2005 vom „Fronte Sociale Nazionale“ abgespalten hat, der dann drei Jahre später in Francesco Storaces „La Destra“ einfloss. Die USN ging, weil ihr der Fronte zu wenig radikal war.
Offiziell heißt die Bewegung „L’Unione per il Socialismo Nazionale – Raggruppamento Sociale Italiano“. Dass für den zweiten Teil des Namens die Abkürzung RSI im Logo der Bewegung steht, ist alles andere als Zufall. RSI steht eigentlich für „Repubblica Sociale di Saló“, die faschistische Marionettenrepublik am Gardasee, die zwischen 1943 und 1945 an der Seite der Deutschen gegen die Alliierten kämpfte.
In der USN-RSI finden sich dann auch viele noch lebende RSI-Veteranen. Dazu kommen junge rechtsradikale Nazis und Skinheads, die die Fackel dieser unmenschlichen Ideologie auch heute noch offen zur Schau stellen. So kann man in den verschiedenen Blogs der Bewegung lesen, dass der 25. April nicht der Tag der Befreiung sei, sondern ein „Trauertag und der Beginn eines geplanten Massakers des kommunistischen Widerstandes an Tausenden von aufrechten Faschisten“. Ebenso urteilt man über den 8. September 1943: „Ein Tag des Verrates und einer Kapitulation, die dem Heer der Invasoren freien Lauf gelassen und die Voraussetzungen für einen brutalen Bürgerkrieg geschaffen hat.“
Wie verquert, gefährlich die Weltanschauung der USN-RSI ist, zeigt ein Blick ins Statut der Bewegung. Dort heißt es in Paragraph 1 unter „Zielen

L’Unione per il Socialismo Nazionale – Raggruppamento Sociale Italiano, in seguito detto “Socialismo Nazionale”, é un’associazione politica avente per scopo la realizzazione – attraverso il metodo democratico – di una nuova forma di organizzazione statale che rappresenti la risposta globale alle esigenze culturali, sociali, ambientali ed economiche di una Nazione che non voglia continuare ad accettare, all’indomani dell’ingresso nel terzo millennio, un ruolo subordinato all’interno del panorama geopolitico mondiale.

Militärische Struktur

Aufgebaut ist die rechtextreme Bewegung bewusst militärisch. So gibt es auf der Homepage nicht nur einen Link mit dem Titel „Le nostre Battaglie“, sondern auch fünf sogenannte „reparti“. Darunter den Bereich „NWO Widerstand“, das „Büro historische Bildung“, die „Biblioteca Italia“, das digitale Archiv „Europa 1943“ und die Audiothek „Resurgo“.
Die USN-RSI spielt bei ihren Propagandaaktionen ganz bewusst mit dem Erscheinungsbild der NSDAP. Nicht nur farblich sind die Plakate im Teint der Hitler-Partei, auch das Zeichen erinnert bewusst an die SS-Runen. „Natürlich kann man hier Parallelen erkennen, aber alles ist nur geschickt angedeutet“, urteilt Giorgio Augusto Porroni.
Wie sehr man sich dem deutschen Reich nahe fühlt, zeigt auch ein Detail. Es gibt auch ein Büro für Außenbeziehungen in dem. Unter dem verräterischen Titel „Unser Kampf“ wird dort in einem sehr holprigen Deutsch das Programm der USN-RSI wiedergegeben:

Das Recht auf das Wohlbefinden des Bürgers der nationalen Gemeinschaft.
Bekanntmachung einer neuen Konstitution der Republik als Ersatz der gegenwärtigen Konstitution, welche überholt und historisch unkorrekt ist.
Verteidigung des nationalen Gebietes und der Administrative von allen Seiten und der Drohung der Separation des Landes.
Erschaffung einer präsidentiellen Republik unter Beteiligung des Volkes.
Wiederbeschaffung der nationalen Souveränität: Militär, Kultur, Wirtschaft, Politik.
Erschaffung eines wahren States von Rechten.
Das Recht auf Gesundheit; Versorgung / Wiederherstellung des Körpers des italienischen Bürgers.
Das Recht auf Arbeit.
Das Recht auf Wohnraum.
Das Recht auf Altersrente.
Keine Einflussnahme der Konfessionen auf sämtliche Aktionen des Staates.
Nationalisierung der aktiven Strategien im Staatsinteresse.
Sozialisierung der Privatfirmen mit mehr als 100 Angestellten.
Wiederherstellung der moralischen Integrität des italienischen Staatsbürgers.
Reform des Schulsystems als soziales Erziehungsinstitut.
Wiederherstellung der Familie als Fundament der Gemeinschaft.
Ablehnung und Verbot von Geheimdiensten.
Retten und Erhalten der wissenschaftlichen Recherche und Technologie, des gesamten Landes, des Umwelt und des Erbes historisch und künstlerisch.
Eine Föderation des europäischen Staates vorschlagen; der Wunsch politische Autonomie und militärische Autonomie in einem Europa des Volkes zu haben.
Nein zur Globalisation.
Nein zur unkontrollierten Einwanderung, um das Volk zu schützen. Nicht in einem biologischen-razzialen Hintergrund, aber in Bezug auf Ethik und Geschichte

Südtiroler Vertreter

Die rechtsradikale Bewegung hat italienweit 13 „gruppi territoriali“. Für Südtirol zuständig ist die Gruppe „Alpe Adria“, die wiederum in drei operative Zonen unterteilt ist. Eines davon ist die „Zona Alto Adige-Bolzano“. Offiziellen Kontakt gibt es keinen, nur eine Mailadresse mit dem Künstlernamen des 1984 verstorbenen faschistischen Theoretikers und Journalisten Stanis Ruinas.
Die Ermittlungen der DIGOS haben aber ergeben, wer hinter der Plakataktion in Bozen steht. Bei zuständigen Gemeindeamt angesucht und auch bezahlt hat Eriprando della Torre di Valsassina. Der 56jährige Bozner Turnprofessor war von 1985 bis 1995 Gemeinderat des MSI, danach wandte er sich „Unitalia“ zu, bei den letzten Parlamentswahlen kandidierte Eriprando della Torre di Valsassina im Senatswahlkreis Bozen-Unterland für Francesco Storaces „La Destra“.
Die politische Polizei geht davon aus, das es neben Della Torre di Valsassina kaum weitere USN-RSI-Mitglieder in Südtirol gibt. „Höchsten zwei, drei dürften es noch sein“, meint DIGOS-Chef-Porroni.

Die Ermittlung

Die DIGOS-Ermittlungen laufen im Stillen bereits seit Monaten. Anfang des Jahres waren erstmals Flugblätter und Aufkleber der USN-RSI aufgetaucht. Die Beamten haben deshalb in einem Dienstbericht die ersten Erkenntnisse über die rechte Bewegung festgehalten. Der Bericht wurde auch an das Innenministerium und an andere übergeordnete Dienststellen weitergeleitet. Mit dem Ersuchen etwaige eigene Erkenntnisse über die rechten Mannen nach Bozen weiterzuleiten. „Gehört haben wir aber nichts“, sagt Giorgio Augusto Porroni. Die Erklärung des DIGOS-Chefs: „Anscheinend wird in anderen Regionen diese Art der Plakatierung als nicht so drastisch empfunden“.
Die Ermittler mussten aber bereits damals erkennen, dass das Eis auf dem sie sich bewegen dünn ist. Denn die rechte Gruppierung geht äußerst geschickt vor und nutzt alle Spielräume des weitmaschigen italienischen Strafgesetzes. So etwa gibt es auf der Homepage mehrere auffällig platzierte Erklärungen. Darin heißt es:

Unione per il Socialismo Nazionale non viola nessuna legge e non persegue finalità di apologia di fascismo nelle accezioni specificate dalla legge 20 giugno 1952, n. 645 meglio nota come “legge Scelba”. 

Unione per il Socialismo Nazionale basa la sua azione sul ripudio della Violenza e del Razzismo etnico, antropologico, religioso e sociale. La sua attività è di natura Politica, Storica e Formativa, ed è svolta all’insegna del Rispetto della Dignità Umana, e persegue l'esclusivo benessere e tutela della Comunità Nazionale Italiana.

Vor Strafverfolgung schützen solche Erklärungen zwar nicht, sie machen aber deutlich wie geschickt sich die Gruppierung bewegt. Auch dann wenn die Inhalte möglichweise Strafbestände transportieren, wird es für die Behörden schwierig eine Verurteilung zu erwirken. Das weiß man auch bei der Staatsanwaltschaft Bozen. „Wir werden das Ganze genau prüfen“, sagt Oberstaatsanwalt Guido Rispoli. Rispoli hat den Fall inzwischen Staatsanwalt Axel Bisignano übertragen.

 

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pérvasion Mi., 11.06.2014 - 10:28

Eriprando della Torre Di Valsassina... der Herr hatte doch damals (2009?), als es um die AVS-Schilder ging, eine Bewegung zur Rettung der faschistischen Ortsnamen gegründet und durfte im A. Adige regelmäßig zu diesem Thema ausgiebig referieren. Jetzt sehen wir also, von wem wir uns damals vor uns hertreiben lassen mussten... einem italienischen »Nationalsozialisten«.

Mi., 11.06.2014 - 10:28 Permalink