Gesellschaft | Berlin

50 Shades of Gay

Nach einem Schlaganfall googlete Pete Sibley nach einem Altersheim oder einer Pflege-WG für Homosexuelle. Ein Mehrgenerationenhaus war der einzige Treffer. Ein Besuch.
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Foto: Focus
Am Ende des Regenbogens sitzt Pete, seinen goldverzierten Rollator neben sich geparkt, im Travestie-Bingo-Abend. Pete, 75, wohnt eigentlich in der Pflege-WG im zweiten Stock, aber jetzt hockt er hier im großen Saal im Erdgeschoss, mit grauem Bart und Reggae-Wollmütze, trinkt seinen Whiskey und freut sich über die schlüpfrigen Witzchen der Bingo-ModeratorInnen: Einem reichlich dekolletierten Vampir, einem Mönch namens Gisèle und einer Ivana Trump in Netzstrümpfen, die erst über die “Techniktunte” lästert, als Gisèles Mikrofon nicht funktioniert, und dann die Bingo-Kugeln aus der Trommel fischt: „B 15! G50! H22! S6! Bingo!!“
Pete ist der zweitälteste Bewohner der Pflege-WG im „Lebensort Vielfalt“, einem schwul-lesbische Mehrgenerationenhaus in der Niebuhrstraße in Charlottenburg. Pete ist Londoner, war Theaterproduzent, Musik-Manager, lebte mal hier, mal da, offen schwul mehr als 50 Jahre lang. Erst nach seinem ersten Schlaganfall hat er sich umgeguckt, wo er gerne alt werden würde, “so gay wie möglich!”, und gegoogelt, nach schwulem betreuten Wohnen in einer Großstadt. Da war das Haus hier der einzige Treffer.
 
Wenn man Pete an einem guten Tag erwischt, dann erfüllt er einen Raum noch immer, gebückt und ergraut, mit seinem trocken-schlüpfrigen Humor, mit dem er die anderen hier aufzieht. “Zusammen alt werden”, sagt einer seiner Mitbewohner, sei das Ziel hier, “oder jung bleiben!”, ruft Pete. Auf seinem Blog macht er sich darüber lustig, in der Theatergruppe des Hauses seien die anderen derart “gottverdammt tugendhafte bourgeoise Schwuchteln”, dass er sich ein Alter Ego als “Rita the Ruin“ zurecht gelegt hat, einer „ziemlich fertigen Alki-Nympho-Transe mit der Libido von Casanova, Kleopatra und Elizabeth Taylor zusammen“.
Als sich seine Nachbarin Gabriele beschwert, als einzige Lesbe im Haus fühle sie sich manchmal recht einsam, weswegen sie alle zwei Wochen in ein Lesbenprojekt in Kreuzberg fahre, um sich von all den Schwulen hier zu erholen, sagt Pete: „Aber ich versuche doch, mich so lesbisch wie möglich zu geben...“
 

Das Mehrgenerationenhaus

 
Der Lebensort Vielfalt feiert dieses Jahr sein fünjähriges Bestehen als Mehrgenerationenhaus: 24 private Wohnungen gibt es in dem zart-rosa gestrichenen Haus, davon 14 für schwule Männer über 50, und je 5 für Frauen und schwule Männer unter 50. Dazu im Erdgeschoss das „Wilde Oscar“, in dem der Bingo-Abend steigt, im ersten Stock die Schwulenberatung Berlin, nach hinten raus ein großer Garten, schließlich die Pflege-WG mit acht Insassen.
Das Haus ist keine Regenbogen-Kommune, kein Ganzjahres-Christopher-Street-Day, sondern eher irgendetwas zwischen einem Projekt nachbarschaftlichen Wohnens, einer Art selbst gewählter Familie, und einer schwulen Hausgemeinschaft mitten in Charlottenburg, in der man nicht nur „nebeneinander herlebt, sondern sich um einander kümmert“, wie es ein Hausbewohner ausdrückt.
Dabei könnten die Bewohner unterschiedlicher nicht sein. Fast alle sind schwul, aber der eine ist Künstler, Maler, Dichter, der andere war früher Fleischer bei Karstadt. Manche leben schon immer offen schwul, haben ihr ganzes Leben in der Szene und der Schwulenbewegung verbracht, andere erst spät, nach gescheiterten Ehen mit Kindern, ihr Coming Out geschafft. Einer redet langatmig, gedrechselt, erzählt von Dienstreisen, die er früher zu absolvieren hatte, ein anderer berlinert schnoddrig, war früher Leiharbeiter.
Der Ton im Haus ist wohlwollend-frotzelnd, man kennt sich, umarmt sich, zieht sich auf, je kecker, desto besser. Eindeutig-zweideutige Witze werden applaudiert, nicht mokiert, und immer gibt es dann doch jemanden, der über den anderen lästert, so dass es jeder hören kann, hören muss.
Der Ton im Haus ist wohlwollend-frotzelnd, man kennt sich, umarmt sich, zieht sich auf, je kecker, desto besser.
Die Konflikte seien die gleichen wie in allen Hausprojekten, erzählen die Bewohner beim Mieterplenum: Der eine sei nie da, bringe sich nicht genug ein, der andere, ein Nicht-Raucher, ist genervt vom Raucher in der Wohnung unter ihm. Das Zusammenleben scheint trotzdem zu funktionieren: Inzwischen stehen 350 Bewerber auf der Warteliste.
Pete stellt gleich klar: „Das ist kein schwules Altenheim hier”, kein “Vorzimmer für ein Krematorium”, wie er es auf seinem Blog nennt, “es gibt Bewohner, die sind Anfang 30, Anfang 40... Sonst würde ich hier nicht wohnen wollen, nur mit solchen alten Knackern.“ Aber letztere gibt es eben auch, und nicht zuletzt ihretwegen wurde das Haus ja erst eröffnet.
 

Der Gründer

 
Bernd Gaiser, einer der Gründer und Mitbewohner, den Kopf spiegelglatt rasiert, mit kleiner runder Brille und rosa Wollpulli, erzählt, er habe als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Mobilen Salons der Schwulenberatung über die Zeit viele schwule Senioren in Berliner Heimen besucht. „Die meisten“, sagt er, „waren sehr unglücklich in diesen Heimen, und haben ihr Schwulsein versteckt. Weil sie befürchteten, dass ihnen daraus irgendwelche Nachteile entstehen könnten, dass man sie isoliert, über sie klatscht. Nicht so sehr die Pflegerinnen, sondern eher die anderen Heimbewohner. Da dachte ich, in solchen Einrichtungen möchte ich nicht leben. Ich war mein ganzes Leben offen schwul, da möchte ich mich im Alter auch nicht verstecken müssen.“
Verstecken muss sich hier in der Tat keiner, und auch nicht erklären. Etwa im Gesprächskreis „anders altern“, der hier jede Woche stattfindet, und aus dem die Idee für das Ganze entstanden ist. Auch Pete sitzt hier am Tisch, bucklig, die grau-schwarzen Haare unter einer gestreiften Raggaemütze, seinen Rollator neben sich, den er mit allerlei Glitzerzeug dekoriert hat.
 
Neben ihm sammeln sich um die zwanzig Männer unterschiedlich vorgerückten Alters um einen langen Tisch herum, es geht um OP-Termine, anstehende und absolvierte, Reha-Maßnahmen, Prostataleiden. Dann wird reihum von den Highlights der Woche berichtet, von Opernbesuchen, Diskussionsveranstaltungen, Konzerten und gemeinsamen Ausflügen, nächste Woche ist einer ins Tierheim geplant. Da fragt ein auf die achtzig zu gehender, sehr gebrechlicher Hühne, wo er denn auf dem Vorstellungsbogen seinen Gayromeo-Usernamen eintragen soll. Das sorgt für jene dankbare Heiterkeit, mit der in jedem Altersheim ein kecker Sprücheklopfer bedacht wird, der ein bisschen Leben in die Bude bringt.
Man freut man sich daran, „dass die Zeitung einen Mann geschickt hat, und keine Frau“, das ist halb kokett, und halb Spitze gegenüber einer Journalistin, von der jemand hier einmal versetzt wurde. Es ist eine Männerrunde, mit der mancher vielleicht auch die Einsamkeit in Schach hält, die Alternden jedweder sexueller Orientierung blüht. Und eine Art selbst gewählter Familie, auch weil die biologischen Familien vieler hier um den Tisch arg zu wünschen übrig ließen.
 

Versöhnung

 
Der Gesprächskreis kreist heute um das Thema Versöhnung: Versöhnung mit den Eltern, der Gesellschaft, dem Staat. Und mit verflossenen Liebhabern, wie jenem “gutaussehenden Schwarzen”, der den kecken Hühnen vor Jahrzehnten mit dem HI-Virus angesteckt hat. “Was soll ich mich heute noch darüber grämen”, sagt er, “das wusste der doch selber nicht. Und es war immerhin eine flotte Nummer”. Aber manche Coming Outs aus den 1950er und 1960ern, an die man sich hier erinnert, lassen bis heute keine Versöhnung zu: „Bei uns hätte man euch ins KZ gesteckt“, habe sein Schwager oder Onkel ihm beschieden, erzählt einer, oder: „Ausrotten sollte man euch Schwule wie die Ratten“.
Ein altersmild wirkender Herr erzählt, seine Tochter verbiete seinen Enkeln bis heute, ihn zu besuchen, ein anderer, wie nicht nur die Gesellschaft, sondern auch der Staat ihn in den 1960ern noch mit dem §175 verfolgt habe, als Schwulsein noch ein Verbrechen war. Wie man ihn in Heime gesteckt hat, geknebelt, herumgeschubst, „damit werde ich mich nie versöhnen“.
 
 

Die Beratung

 
Marcel de Groot, der Leiter der Schwulenberatung und des Lebensorts Vielfalt, glaubt nicht, dass das heute alles ganz anders und längst passé und gegessen sei. Die Schwulenberatung hat ja vor allem damit zu tun, „was es mit einem macht, als Schwuler in einer Gesellschaft zu leben, die dafür, noch immer, nicht ausgelegt ist.“
Dabei ist sich De Groot nicht sicher, ob der Anstieg der Angriffe auf Schwule und Lesben, der im Jahr 2016 bundesweit verzeichnet wurde, damit zusammen hängt, dass die absolute Zahl der Übergriffe zunehme: “Vielleicht lassen sich Schwule und Lebsen einfach weniger gefallen als früher”, sagt er, “und Betroffene zeigen Angriffe öfter an.”
Die Dunkelziffer der tatsächlichen Übergriffe liegt in jedem Fall deutlich über jener der statistisch erfassten, und noch häufiger sei die Angst vieler Schwuler, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten oder sich zu küssen. “Viele überlegen da genau”, sagt de Groot, “in welcher Gegend oder zu welcher Uhrzeit sie wo Händchen halten, oder sich öffentlich küssen.” Manche liefen Hand in Hand hier aus dem Haus raus, dann noch die Straße runter bis zur Ecke, aber schon in der Wilmersdorfer Straße hörten sie damit auf.
 
6.000 Beratungen pro Jahr absolvieren die 130 Mitarbeiter der Schwulenberatung im ersten Stock inzwischen, Tendenz steigend: Es geht um psychische Gesundheit, ums Altern, um die Angst vor der Einsamkeit im Alter, um Pflegeangebote, um Coming-Out-Beratung, auch heute. Und um Kontakte, um Drogenberatung, in letzter Zeit immer mehr zum Thema Crystal Meth, das als günstige, leicht erhältliche Droge in der Schwulenszene vermehrt konsumiert werde, weil man damit mehrere Tage lang ungehemmt feiern und sexuell aktiv sein kann.
Oft sind es Themen, die Heterosexuelle genauso wie Schwule betreffen, aber zugleich, so de Groot, seien nicht-schwule Hilfsangebote oft nicht genügend darauf vorbereitet: „Wenn ich ein Problem mit Crystal habe und dann in eine Therapie gehe und sage: Ich bin süchtig, dann muss ich doch auch über meine Sexualität reden, wenn das mit meiner Sucht eng verbunden ist. Wenn ich aber nicht weiß, wie steht mein Therapeut dazu, kennt er sich damit überhaupt aus, dann reden viele einfach nicht drüber. Und die Chance, dass sie gesund werden, ist einfach geringer als hier.“
De Groot erzählt, zur Zeit der Eröffnung des Hauses sei das Interesse in der Nachbarschaft groß gewesen. Eine Nachbarin äußerte damals Journalisten gegenüber ihr Entsetzen, dass in der Niebuhrstraße ein ganzes Haus voller Schwule einziehen sollte, eine andere meinte, „so viele gut rasierte und angenehm duftende Männer hat es hier zuvor nicht gegeben." Fünf Jahre später, sagt de Groot, hat sich eigentlich eine “ganz normale Nachbarschaft” entwickelt.
Man habe sich gut eingelebt, findet er, er habe bis heute keine einzige böse Bemerkung von den Nachbarn gehört. “Die, die uns nicht gut finden, machen vielleicht einen Bogen um uns, aber mit den anderen kommen wir prima aus. Manche Anwohner lassen hier ihre Päckchen abgeben. Und ein Nachbar aus der Straße gibt einen Computerkurs für die Leute im Haus und den ganzen Kiez”. Auch zur Yogagruppe kämen Leute aus der Nachbarschaft, zum Bingo-Abend sowieso.
Die Nachfrage nach einem Platz im Haus ist jedenfalls so groß, dass die Schwulenberatung bereits ein zweites Mehrgenerationenhaus am Südkreuz plant. Die Bewerbungsunterlagen sind schon abgegeben, jetzt hofft man auf den Zuschlag.
 

Lebensort Vielfalt

 
Robert Franke lebt seit fünf Jahren im Lebensort Vielfalt, im Augenblick ist er mit seinen 36 Jahren der zweitjüngste Bewohner. Braungebrannt, den dunkelblonder Bart frisch gestutzt, ist er vor wenigen Tagen erst aus dem Urlaub an der Sonne wieder ins Berliner Grau zurückgekehrt. Auch wenn er sagt, “in meinem Lebens gibt es eigentlich gar nichts, was grau ist”, auch nicht im übertragenen Sinne, und schon gar nicht seine angegrauten Mitbewohner im Haus. Robert ist Geschäftsführer einer Berliner Yogastudiokette, er lebt, wie er sagt, den „Lebensstil eines schwulen Großstadtbewohners“. Hier ist er eingezogen, weil er eine Form des alternativen Zusammenlebens gesucht hat, früher wohnte er „kommunenmäßig“ in einem besetzten Haus in der Lychener Straße.
Natürlich sei er nicht mit allen 35 Bewohnern “gleich dicke”. Aber für ihn sind die älteren Hausbewohner genauso wichtig wie die Jüngeren: „Wenn man mit vielen Leuten zusammen wohnt, und man hat ein Problem, und fragt rum, dann hat man doch gleich vier oder fünf Lösungen. Mit den Älteren potenziert sich das noch mal, einfach durch deren Lebenserfahrung.“
Pete zum Beispiel, der Theaterproduzent aus dem Travestie-Bingo-Abend, sei „ein leuchtendes Vorbild, wie man sein Leben mit einer ganz eigenen, störrischen Selbstbestimmtheit weiter leben kann, auch wenn es einem gesundheitlich und körperlich schlecht geht.“ Viele Bewohner gärtnern zusammen im Hinterhof, bepflanzen die Hochbeete, da ist Robert nicht so der Typ dafür. Er geht lieber zusammen mit Bernd oder Pete ins Konzert, ins Kino oder in die Oper, organisiert einen Grillabend fürs ganze Haus.
 
Man halte die Augen offen für die anderen, bei ganz alltäglichen Kleinigkeiten. Im Januar zum Beispiel, da sei der Fahrstuhl ausgefallen, aber Pete wollte trotzdem unbedingt runter ins Wilde Oscar, über zwei Stockwerke, die mit seinem Rollator eigentlich nicht zu schaffen waren. „Ich bin ihm und seinem Pfleger im Treppenhaus begegnet, der Pfleger war schon völlig verzeifelt, weil Pete unbedingt runter wollte, und das eigentlich gar nicht ging.” Also haben sie zu zweit angepackt, um Pete die zwei Treppen herunter zu bugsieren. “Es war klar, keiner kann ihm das jetzt ausreden, also haben wir es einfach möglich gemacht.“
Robert sagt auch, anfangs hätten viele gezweifelt, selbst in der schwulen Community, ob der Lebensort Vielfalt nicht Abschottung bedeute, ein Art Ghetto für Schwule. „Dabei sind wir im Haus“, sagt er, „obwohl wir fast alle schwul sind, eigentlich viel unterschiedlicher, von der Herkunft, der Biografie, als das zum Beispiel früher in dem besetzten Haus war, wo ich wohnte: Da hatten wir alle einen sehr viel ähnlicheren sozialen Background als hier.“
 

Der Geburtstag

 
Montag Nachmittag, in der Pflege-WG im 2. Stock hat schon der Spätdienst übernommen. Heute feiert Hans-Peter seinen Geburtstag, mit Kaffee und Pflaumenkuchen, 73 ist er geworden. Er sitzt seit einem Schlaganfall im Rollstuhl, bewegt sich damit „mehr schlecht als recht, mal vorwärts, mal rückwärts“, ab und zu fährt er alleine in den Garten, oder die Straße runter. Hans-Peter hat dicke weiße Koteletten, und ein Brillengestell, das er wahrscheinlich schon trägt, als es noch nicht wieder hip war, er sitzt recht einsilbig, aber nicht unglücklich da. 2010 ist sein Freund gestorben, „an Heilig Abend“, mit dem er 40 Jahre zusammengelebt hat, jetzt ist er darauf angewiesen, dass man ihn pflegt, wäscht, ihn rundum versorgt.
Pete hat heute keinen „guten Tag“ erwischt. Er ist knarzig, grimmig, lässt bei jeder Frage ein paar lange Sekunden verstreichen, bis er sich zu einer Antwort aufrafft. Dann grummelt er über die Pflege-WG, wo man sich die Bewohner eben nicht selber ausgesucht habe: „Wir sind einfach da, weil wir übriggeblieben sind“, brummt er.
Anfangs hätten viele gezweifelt, selbst in der schwulen Community, ob der Lebensort Vielfalt nicht Abschottung bedeute, ein Art Ghetto für Schwule.
Sein Nachbar, Dieter, ist erst 52, auch er im Rollstuhl seit einem Schlaganfall, halbseitig gelähmt. Er lächelt jetzt ein halbes Lächeln, strengt sich an beim Worteformen, und ist ziemlich ausgelastet mit seinen Therapien, damit er noch mehr Bewegung, noch mehr Präzision beim Sprechen zurückbekommt. Er ist hier, weil die Pflege viel besser sei als in der Reha, wo er vorher war. Weil er sich hier nicht verstecken müsse. Und weil es schwule Pfleger gebe, die keine Berührungsängste hätten, buchstäblich, man kommt sich ja doch sehr nahe, wenn man auf Rund-um-die-Uhr-Pflege angewiesen ist. Obwohl er die zwei weiblichen Pflegerinnen auch sehr mag.
Dieter hat jetzt auch ein Projekt: Er will mit Pete einen türkischen Diskoabend organisieren, weil er immer gern in türkische Clubs ging. Der ist von der Idee sehr angetan, Ende März soll die Sache steigen.
Das große Zimmer in der Pflege-WG sieht jetzt aus wie ein Aufenthaltsraum in einem ganz herkömmlichen Altersheim. Bis auf die Regenbogenfahne auf dem Tisch. Und den schwul-türkischen Rollstuhldiskoabend.