Gesellschaft | Charakterköpfe

Gegen Faschismus und Nationalsozialismus

Er gehörte zu den führenden Köpfen des Widerstandes gegen die gewaltsame Italienisierung Südtirols: Kanonikus Michael Gamper.
Gamper, Michael
Foto: Südtiroler Landesarchiv
Der südliche Teil des österreichischen Kronlandes Tirol wurde ab 1915 durch den Kriegseintritt Italiens auf Seiten der Entente zum Frontgebiet. Drei Jahre später war im Herbst 1918 der Krieg für Österreich und Deutschland verloren. Das hatte nach 750 Jahren das Ende des alten Tirols und nach 555 Jahren die Abtrennung des südlichen Landesteiles vom Vaterland Österreich und dessen Angliederung an Italien zur Folge.
Erst ab diesem Zeitpunkt gibt es ein Land Südtirol. Die 1922 an die Macht gelangte faschistische Partei mit ihrem „Duce“ Benito Mussolini wollte die Südtiroler in den folgenden 20 Jahren gewaltsam zu Italienern machen. Alles was an die Alt-Österreichische Vergangenheit erinnerte, wurde ausgemerzt. Man durfte im „Alto adige“ nicht mehr deutsch sprechen. Ab 1923 war die Unterrichtssprache italienisch.
Zu den führenden Köpfen des Widerstandes gegen diese gewaltsame Italienisierung gehörte Michael Gamper (1885-1956). Der seit seiner Ernennung zum Domherr am Kollegialkapitel der Bozner Probsteikirche häufig als Kanonikus bezeichneten Priester gestaltete die von ihm geleitete deutschsprachige Presse zum Sprachrohr für die unterdrückte Minderheit. Als Notmaßnahme gegen die italienischsprachige Schule organisierte Kanonikus Gamper die sogenannten „Katakombenschule“, wo in Pfarrhäusern und Bauernstuben versucht wurde ein Minimum an muttersprachlichen Unterricht zu vermitteln.
Als 1939 in Folge des Schulterschlusses zwischen dem faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland die Südtiroler vor die Wahl gestellt wurden für Deutschland zu optieren und die Heimat verlassen zu müssen, oder im faschistischen Italien zu bleiben und damit ihr Volkstum preiszugeben, trat Gamper vehement für das „Dableiben“ ein.
 
 
Gamper trat vehement für das „Dableiben“ ein.
 
86 Prozent der Südtiroler optierten trotzdem für Deutschland. 75.000 mussten in der Folge die Heimat verlassen. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Südtirol 1943 versteckte sich der erklärte Nazi-Gegner in einem Kloster in der Toskana. Dort verfasste er eine Denkschrift, mit der die Siegermächte davon überzeugt werden sollten, Südtirol wieder an das alte Vaterland Österreich anzugliedern. Diese Forderung stellte auch die Südtiroler Volkspartei, welche von „Dableibern“ am 8.5.1945 gegründet wurde, um die Interessen der Südtiroler bei den Friedensverhandlungen zu vertreten.
Diese Hoffnungen gingen nicht in Erfüllung. Südtirol blieb bei Italien, das aber von den Siegermächten gezwungen wurde mit Österreich einen Vertrag zum Schutze der Südtiroler Minderheit abzuschließen und dem Land eine weitgehende Selbstverwaltung zu gewähren. Diese Vereinbarung wurde jedoch nicht umgesetzt. Südtirol wurde mit dem Trentino zu einer Region zusammengeschlossen. Italienisch blieb die einzige Amtssprache.
Die von den Faschisten forcierte Zuwanderung von Italienern - vor dem ersten Weltkrieg lebten 7.000 Italiener in Südtirol, 1943 waren es schon über 100.000- wurde fortgeführt. Auch nach 1945 verfolgte der Staat das Ziel Südtirol zu einer mehrheitlich italienischsprachigen Provinz zu machen.
 
 
Es ist ein Todesmarsch, auf dem wir Südtiroler seit 1945 uns befinden, wenn nicht noch in letzter Stunde Rettung kommt
 
Dagegen protestierte Michael Gamper in den „Dolomiten“ vom 28.10.1953 mit dem berühmt gewordenen Satz: „Es ist ein Todesmarsch, auf dem wir Südtiroler seit 1945 uns befinden, wenn nicht noch in letzter Stunde Rettung kommt.“ Er leitete damit eine neue Phase in der Südtirol-Politik ein, die den Kampf um die 1946 verbriefte Autonomie zum Inhalt hatte, ein Kampf der mit Hilfe der Schutzmacht Österreich bis vor die Vereinten Nationen getragen wurde und mit Sprengstoffanschlägen auf Strommasten und faschistische Denkmäler ähnlich militante Formen anzunehmen drohte, wie in Zypern, Nordirland oder im Baskenland. Die friedliche Lösung des Konfliktes durch das 1972 verabschiedete Zweite Autonomiestatut, mit dem Südtirol zu einem weitgehendst selbstverwalteten Land wurde, erlebte Michael Gamper nicht mehr. Bei seiner Beisetzung am 15.4.1956 statteten 30.000 Südtiroler dem Kämpfer gegen Faschismus und Nationalsozialismus und für ein freies Südtirol ihren Dank ab.

 

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a richter So., 05.06.2022 - 17:47

Ja er war gegen Faschismus und Nationalsozialismus aber nicht gegen Antisemitismus
Antisemitismus war ja die wahre Krankheit des 20 Jahrhundert.

Seine antisemitische Schriften sind ja bekannt. Gerade hier auf Salto wurde das thematisiert

Geschichtsaufarbeitung ist auch hier bei uns noch nicht weit gediegen

So., 05.06.2022 - 17:47 Permalink
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Dietmar Nußbaumer So., 05.06.2022 - 21:50

Abgesehen vom Zeitgeist: Damals wie heute (Beispiel Ukraine) sieht man, dass die eigentlichen Leidtragenden des Kriegspielens die Bevölkerung sind. Im Vorfeld und im Hintergrund werden Geschäfte gemacht, und daran waren und sind der Geldadel nicht unschuldig.

So., 05.06.2022 - 21:50 Permalink
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Josef Fulterer Mo., 06.06.2022 - 06:19

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

In der Jahrtausende-langen Geschichte der Menschheit, hat es leider immer wieder Versager unter den Führungspersönlichkeiten gegeben, die wegen ihrer Führungs-Inkompetenz mit kriegerischen Auseinandersetzungen, dem Aufzwingen der Religion und Sprache, sowie ähnlich wie mit der derzeitigen NEO_Liberalen Ausbeutung, das Konflikt-freie Zusammenleben der Menschheit gestört haben.

Mo., 06.06.2022 - 06:19 Permalink
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Am Pere Mo., 06.06.2022 - 08:36

Neuerer Geschichtsschreibung zufolge war der Kanonikus bei weitem nicht der Volksheld als der er dargestellt wird.
Er war Antisemit, Kommunistenhasser und wurde von einem führenden NS-Funktionär für seine Nähe zum Regime als "der beste Mann in Südtirol" bezeichnet.

Mo., 06.06.2022 - 08:36 Permalink