Umwelt | Arktis

Wettlauf um die Schätze der Arktis

Während Umwelt- und Klimaschützer die rasante Eischmelze in der Arktis mit Sorge beobachten, sehen Anrainerstaaten eine Chance für die Ausbeutung reicher Bodenschätze.
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Als Folge des Klimawandels schmilzt das arktische Eis immer schneller. Laut Prognosen der Klimaforscher könnte das Nordpolarmeer noch vor Mitte des Jahrhunderts im Sommer komplett eisfrei sein.  Das wird zu einer tiefgreifenden Veränderung in der Nutzung der arktischen Regionen führen. Nicht nur neue Seewege tun sich auf und eine verstärkte touristische Nutzung wird möglich, sondern die Erschließung von Rohstofflagerstätten und Bodenschätzen, die unter dem arktischen Eis lagern, wird möglich.

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Für Umweltschützer und Klimaaktivisten ist das schrumpfende Eis in der Arktis und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf den Klimawandel Grund zur Sorge*, für die großen Rohstoffkonzerne eröffnet es neue Chancen. Die Anrainerstaaten warten schon auf den Zeitpunkt, an dem sie die reichen Rohstoffe, die unter dem Eis am Meeresgrund lagern, ausbeuten können. Neben großen Lagerstätten von Erdöl und Erdgas werden auch reiche Vorkommen von Nickel, Eisen, Seltenen Erden, Platin, Blei, Zink. Kupfer, Phosphat, Molybdän, Palladium, Gold und Diamanten in der Arktis vermutet.

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Welche Länder sind Anrainerstaaten der Arktis?

Als Arktis wird üblicherweise das Gebiet bezeichnet, das sich nördlich des Polarkreises, oberhalb des 66 Breitengrades befindet und bis zum Nordpol reicht. Zur Arktis gehört das Nordpolarmeer, zahllose Inseln (darunter Grönland, die größte Insel der Welt) und die nördlichen Teile von Asien, Europa und Nordamerika. Länder, die an die Küsten der Arktis grenzen, können Ansprüche auf die Meeresbodenbereiche der Arktis erheben. Die Arktis umfasst Teile der Staatsgebiete von Dänemark (Grönland), Norwegen, Russland, Kanada und den USA. Die Küstenlinie zum Nordpolarmeer ist mehr als 45.000 km lang. Das internationale Seerechts-Übereinkommen der Vereinten Nationen** regelt die seerechtlichen Ansprüche, doch bis jetzt gibt es keine bindende Gebietsaufteilung für große Teile der Arktis. Zwischen den fünf Anrainerstaaten gibt es deshalb seit längeren Streitigkeiten um das rund 26 Millionen Quadratkilometer große, rohstoffreiche Gebiet.

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Die großen Ölmultis fördern bereits Öl und Gas in arktischen Gewässern

Laut Schätzungen des US-Geological Survey (USGS) könnten die ausgedehnten arktischen Kontinentalschelfe das geographisch größte noch nicht erkundete Erdöl- und Gas-Fördergebiet der Erde sein. Geschätzte 90 Milliarden Barrel Erdöl und 47 Billionen Kubikmeter Erdgas sollen in der Arktis lagern. Die größten Erdöl-Vorkommen werden vor den Küsten Alaskas und Grönlands vermutet, während sich die meisten Erdgasvorkommen in der Barentssee, im westsibirischen Becken und vor Alaska befinden.

Die Erdöl- und Gasförderung in der Arktis ist eine große Herausforderung für die Förderfirmen. Menschen und Material müssen enormer Kälte und schweren Stürmen standhalten. Zudem sind die Bohrplattformen in ständiger Gefahr von treibenden Eisschollen und Eisbergen gerammt zu werden. Doch trotz hoher Kosten und schwieriger Bedingungen fördern die Ölmultis bereits Erdöl und Gas in arktischen Gewässern.

Russland und Norwegen sind die aktivsten Arktisstaaten und haben in den vergangenen Jahren Milliarden für die Infrastruktur zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl und für Tief­seehäfen ausgegeben.  Die norwegische Ölgesellschaft Equinor fördert in der arktischen Barent-See Erdöl und Gas und die russische Gazprom hat Erdölfunde im arktischen Meer unweit der Insel Nowaya Zemlya gemacht. Auch die weltweit größten Ölmultis Exxon und Shell fördern bereits Erdöl und Gas in arktischen Gewässern nahe Alaska/USA.

Derzeit nimmt Russland eine Vormachtstellung in der Arktis ein. Mit 51 Nordpolarmeer-tauglichen Schiffen verfügt Russland über die größte Flotte, während die USA gerade einmal 5 Schiffe besitzt, die ganzjährig in den Gewässern des hohen Nordens einsetzbar sind. Russland unterhält auch mehrere Dutzend Mi­litärstützpunkte oberhalb des Polarkreises, während die USA nur einen einzigen Stützpunkt im Nord­polargebiet und einen Flugplatz auf einer ge­mieteten Fläche im Norden von Grönland haben. Die USA haben in den vergangenen Jahrzehnten wenig Interesse an der Arktischen Region gezeigt***.

Wenn die Erdölpreise weiter hoch bleiben, könnten das dazu beitragen, dass die Ölmultis noch mehr Investitionen in die Öl- und Gasförderung in der Arktis tätigen.

Interessant ist, dass auch die aufstrebende zukünftige Weltmacht China, die mehr als 4000 km vom Nordpol entfernt ist, versucht in der arktischen Region Fuß zu fassen. China hat ein strategisches Interesse an der Arktis, einerseits um Zugang zu neuen Schifffahrts-Routen **** zu erhalten und andererseits um natürliche Ressourcen (Rohstoffe und Materialien aber auch Fische) für den chinesischen Markt zu sichern.  China unterstützt russische Erdgasprojekte und ist an Hafenprojekten beteiligt. Außerdem bauen die Chinesen eine eigene Eisbrecher-Flotte auf und wollen die Arktis in ihre Neue Seidenstraße***** miteinbeziehen, indem sie in der arktischen Region neue Handelswege und Infrastrukturprojekte aufbauen. China hat mehrere Forschungsstationen auf Spitzbergen aufgebaut und will 2022 einen Satelliten ins All schießen, mit dessen Hilfe Schiffsrouten und Veränderungen des Meereises überwacht werden können. Auch mit Grönland pflegt China seit längerem gute Beziehungen. Chinesische Unternehmen sind an einem Minenprojekt im Süden Grönlands beteiligt, das in Zukunft Seltene Erden fördern soll. Die USA und Nordeuropa beobachten Chinas Engagement in der Arktis mit Misstrauen, während Russland von den chinesischen Investitionen profitiert.

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Umweltschutzorganisationen sind gegen Öl- und Gasförderung in der arktischen Region

Vor allem in den USA und in Kanada gibt es starken Gegenwind für den weiteren Ausbau der Öl- und Gasförderung in der Arktis. Umweltschützer weisen auf die massiven Umweltschäden hin, die entstehen können. Öl- und Gasbohrungen tragen zum Klimawandel bei und bedrohen den Lebensraum der indigenen Bevölkerung und der Wildtiere. Die extremen Wetterbedingungen, die enorme Größe und die abgelegene Lage, kombiniert mit dem völligen Fehlen einer Infrastruktur für die Reaktion auf eventuelle Ölverschmutzungen machen Bohrungen im Arktischen Ozean extrem gefährlich. Die Möglichkeit, auf Notfälle und Ölverschmutzungen zu reagieren, ist stark eingeschränkt. Die Zulassung von Öl-Bohrungen im Arktischen Ozean würde für die Meerestiere, die bereits durch die Erwärmung der Meeres- und Lufttemperaturen leiden, neue Umweltstressoren hinzufügen - von Verschmutzung bis hin zu Lärm und anderen Störfaktoren. Eine Ölpest** würde für das Leben in der Region katastrophale Folgen haben .

 

Im Jahre 1996 wurde der Arktische Rat (Artic Council) gegründet, dem die USA, Kanada, Dänemark, Norwegen, Russland, Island, Schweden und Finnland sowie die indigenen Völker, die in der arktischen Region leben, angehören.  Hauptziel dieser Organisation ist es Frieden und Stabilität in der Region zu gewährleisten.  Ein weiteres Ziel ist die Rechte, Kultur und Lebensweise der indigener Völker zu schützen und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in der arktischen Region zu fördern.

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Was würde eine weitreichende Ausbeutung der Rohstoffe und Bodenschätze in der Arktis für die dort lebenden Menschen bedeuten?

In der Arktis leben schätzungsweise 4 Millionen Menschen, 12,5% gehören den indigenen Volksstämmen an, den Alëuten, Athabasken, Gwich’in, Inuit, Samen und den vielen indigenen Volksgruppen der russischen Arktis. In den wirklich eisigen Gegenden leben nur sehr wenige Menschen, die meisten wohnen in kleinen Städten und Dörfern im Küstengebiet am Festland. Der Klimawandel bedroht einen Großteil des Lebensraumes der indigenen Völkergruppen und ihre Lebensgrundlage. Schmelzende Eisflächen erschweren die traditionelle Robbenjagd und nehmen vielen Einheimischen dadurch eine wertvolle Einnahmequelle, allerdings gibt es durch größere Wasserflächen mehr Fischfang und dadurch neue Nahrungs- und Einkommensquellen.

Der Tourismus hat in den vergangenen Jahren in den Arktischen Regionen zugenommen, was neue Einnahmequellen und Beschäftigungsmöglichkeiten gebracht hat, aber zugleich wird durch den Tourismus das sensible Gleichgewicht der Natur und die Traditionen und Lebensweise der indigenen Völker beeinträchtigt.

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Wenn es in Zukunft zu Rohstoffförderungen und Bergbauaktivitäten in großem Stil kommen wird, sind große Umwälzungen für die Menschen, die Tiere und die Umwelt vorprogrammiert. Das Leben der indigenen Bewohner der arktischen Regionen wird sich grundlegend ändern. Viele fürchten, dass ihre Traditionen und Lebensgewohnheiten stark beeinträchtigt werden.  Das große Geld werden die Konzerne verdienen und nicht die Indigenen Völker, wie das in vielen anderen Ländern geschehen ist.

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* Die massive Eisschmelze in der Arktis führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels und bedroht weltweit Millionen von Menschen in den Küstengebieten.

** Laut dem UNO-Seerechtsabkommen dürfen die Küstenstaaten einen bestimmten Bereich in Küstennähe, die so genannte „Ausschließliche Wirtschaftszone“, nutzen und dort auch Rohstoffe abbauen. Allerdings deckt dieses Recht nur einen kleinen Teil der Arktis ab, der Großteil des Gebiets gehört sozusagen niemandem. Die Wirtschaftszone eines Küstenstaats reicht 200 Seemeilen (370 Kilometer) aufs Meer hinaus. In diesem Gebiet darf das entsprechende Land Rohstoffe exklusiv fördern. 2008 einigten sich die fünf Anrainerstaaten auf eine Deklaration, in der sie die Bedeutung des Seerechts in der Arktis bekräftigten. Das gibt Hoffnung auf eine friedliche Lösung, auch wenn Russland seine Militärpräsenz im hohen Norden seit Jahren verstärkt.

*** Im Jahr 2019 wollte der frühere US-Präsident Donald Trump Grönland von Dänemark abkaufen. Doch das Angebot wurde sowohl von den grönländischen als auch den dänischen verantwortlichen Politikern abgelehnt. Grönland ist ein Territorium Dänemarks mit begrenzter Selbstverwaltung - seinem eigenen Parlament und Premierminister, aber ohne eigene Außenpolitik.

****Wenn ein großer Teil der Arktis in den kommenden Jahren als Folge des Klimawandels eisfrei wird, erschließen sich für China neue Schiffsfahrt-Routen nach Europa, die wesentlich kürzer sind, als die jetzige Route über den indischen Ozean, den Suezkanal übers Mittelmeer nach Europa.  Die Nordostroute entlang der sibirischen Küste und Norwegen nach Europa ist die interessanteste Route.

***** Das Mega-Infrastruktur-Projekt der „Neuen Seidenstraße“ wird Chinas Handel mit Asien, Europa und Afrika weiter stärken. Mit dem Bau eines riesigen Infrastrukturnetzwerkes (Eisenbahnen, Straßen, Häfen), das vom Gelben Meer im Osten Chinas bis an den Atlantik reicht, soll Chinas Handel weiter ausgebaut werden, neue Exportmärkte erschlossen, sein wachsender Energiebedarf durch Zugang zu strategisch wichtigen Ressourcen gesichert, aber auch sein wirtschaftlicher und politischer Einfluss ausgeweitet werden.

******Der Öltanker Exxon Valdez  lief am 24. März 1989 vor Alaska im Prinz-William-Sund auf Grund und löste damit eine Ölpest und eine der größten Umweltkatastrophen in der Geschichte der USA aus. Rund 40.000 Tonnen Öl flossen ins Meer und verseuchten die Küste von Alaska.  Rund 250.000 Seevögel und tausende weitere Tiere starben an den Folgen der Ölpest, darunter Seeottern, Robben, Grauwale und Pazifische Heringe. Bis heute sind die Folgen für die Natur im Prinz-William-Sund, vor dem Unglück eines der unberührtesten und artenreichsten Ökosysteme der USA, spürbar. Vor allem in den Sedimenten der Uferzonen lagern immer noch Rohölreste. Die im Erdöl enthaltenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) sind laut Forschern gesundheitsschädlich, wegen der Kälte werden sie nur sehr langsam abgebaut. Sie sorgen daher bis heute für eine Dezimierung und Schädigung der arktischen Tierwelt