Wirtschaft | Mobilität/Tourismus

Touristische Mobilität im Fokus

Thomas Bausch, Direktor des neuen Kompetenzzentrums für Tourismus und Mobilität in Bruneck, über Mobilitätstrends und die Herausforderungen der alpinen Tourismusregionen.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Thomas Bausch
Foto: unibz

Tourismus erfordert zwangsläufig Mobilität. In welchem Verhältnis stehen Mobilität und Tourismus? Wo gibt es Spannungen?

Ohne Mobilität gibt es keinen Tourismus. Mobilität ist die Grundlage dafür, dass Tourismus überhaupt stattfindet. Das gilt sowohl für die An- und Abreise als auch für die Mobilität vor Ort. Als Trend zeichnet sich ab, dass es im Tourismus zunehmend mehr Angebote gibt, bei denen Mobilität Bestandteil der Urlaubserlebnisse wird. Wandern und Radfahren nutzen Mobilität, ebenso wie der Motorrad-Tourismus oder Campingmobile; immer öfter wird in den touristischen Erlebnissen der Weg zum Ziel. Das verursacht zwangsläufig mehr Verkehr und auch ein aufgeladenes Spannungsverhältnis zwischen Einheimischen und Touristen. Denn die touristische Mobilität kann die Mobilität der Ortsansässigen beeinträchtigen. Es kommt zu Stau und Lärmbelästigungen. Einst ruhige Rückzugsorte werden zu Hotspots des Massentourismus. Das Konfliktpotenzial ist aber nicht nur zwischen Einheimischen und Touristen gegeben. Auch innerhalb der Gäste gibt es Konflikte. Auf der Suche nach dem Urlaubserlebnis haben verschiedene Gruppen unterschiedliche Bedürfnisse. Familien, Wanderer, MTB-Fahrer – alle suchen im Urlaub ihr perfektes Erlebnis, nutzen jedoch häufig dieselben Wege. Sie haben sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten und Ansprüche an diese Wege. Hier gilt es, Lösungen für alle Gruppen zu finden.

 

Neben dem wachsenden Tourismus stellen auch Klimawandel und ein verändertes Mobilitätsverhalten Südtirol als Tourismusland vor immer neue Herausforderungen. Welche Entwicklungen werden in den alpinen Tourismusregionen am stärksten zu spüren sein?

Klimawandel, neue Mobilitätskonzepte und Tourismus. Diese Phänomene sind ja alle miteinander verknüpft. Man kann und darf sie nicht losgelöst voneinander betrachten. Um den Klimawandel wird derzeit in Europa zunehmend eine gesellschaftliche und gesamtpolitische Debatte geführt. Das ist gut so. Angeführt von Greta Thunberg fordern tausende Jugendliche die Politik zum Handeln auf. Es gibt eine ernsthafte Diskussion um CO2-Steuer und einen Umbau der Mobilitätskonzepte. Die Politik ist hier in der Pflicht. Was die Mobilität betrifft, so wird sich vordergründig wohl der Flugverkehr verändern und die Mobilität im urbanen Raum. Für die Jugendlichen spielt schon heute das Auto keine große Rolle mehr. Es ist kein Prestigeobjekt mehr, sondern ein Mittel zum Zweck. Wenn man es braucht, so leiht man es. Gepaart mit der Technologie des Autonomen Fahrens werden diese Veränderungen auf den Tourismus – auch, oder vor allem in den Alpenregionen – bereits in den kommenden 10 bis 20 Jahren größere Auswirkungen haben, als der Klimawandel. Dieser entwickelt sich langsamer, wird dann aber in 30 bis 50 Jahren massive Veränderungen mit sich bringen. Denken Sie etwa daran, dass heute rund 70 Prozent der Deutschen ins Ausland reisen und davon zieht es wiederum 70 Prozent mit dem Flieger ans Mittelmeer. Wenn sich das Flugverhalten verändert, dann kommen vor allem die Nahbereiche stärker in den Fokus – oder gar unter Druck. Die Alpen zählen dazu. Sie werden als Urlaubsregion in den kommenden Jahren noch stärker aufgewertet werden. Da gilt es heute schon Strategien zu entwickeln, damit man morgen nicht im wahrsten Sinne unter die Räder kommt.

 

Ja, im Bereich der touristischen Mobilität gibt es Handlungsbedarf. Das haben auch Ihre ersten Sondierungsgespräche ergeben. Welchen Beitrag kann und wird das neue Kompetenzzentrum hier leisten, und wo setzen Sie die Schwerpunkte in Ihrer Arbeit?

Als Kompetenzzentrum für Tourismus und Mobilität werden wir nicht bei den Alltagsverkehrsproblemen ansetzen. Diese zu lösen, das ist Aufgabe der Politik. Wir legen unseren Fokus auf die touristische Mobilität und die Fragestellung: Wie können wir die Nutzung des ÖPNV und die Reduktion des touristischen Individualverkehrs voranbringen. In erster Linie geht es hier um Information. Die Angebote gibt es mit den Gästekarten ja vielfach schon. Noch sind sie nicht flächendeckend, aber bereits gut ausgebaut. Nun braucht es eine verbesserte Kommunikation. Die sollte schon zwischen Gastgeber und Gast beginnen. Es geht also darum, wie die touristische Mobilität mit An- und Abreise, Bewegung der Gäste im Erlebnis- und Erholungsraum Südtirol und nachhaltige Mobilitätskonzepte erfolgreich weiterentwickelt werden können. Unser zweiter Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt liegt darin, die Entwicklung neuer touristischer Produkte zu unterstützen und zu begleiten.

 

Welche globalen Mobilitätstrends werden auch in Südtirol spürbar sein? 

Die zunehmende Fahrradmobilität ist sicherlich ein Trend, den man auch in Südtirol ganz stark spüren wird. Sowohl in der Alltagsmobilität als auch in der touristischen Erlebnismobilität. London, Paris, New York – viele große Städte setzen auf den Ausbau der Fahrradwege. Viel Geld wird da zurzeit investiert. Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo will den Fahrrädern den Vorrang im Stadtzentrum einräumen und lässt zahlreiche Fahrradwege bauen, nimmt den Autos zugleich den Raum weg. Hier sehe ich für Südtirol großes Potenzial. Nun braucht es aber auch eine Vision: Wo wollen wir in Südtirol stehen im Jahr 2025 oder 2030? Südtirol könnte eine Top-Fahrraddestination sein. Was bedeutet das aber auch für die Alltagsmobilität? Bozens Bürgermeister möchte das Fahrradwegenetz in der Stadt noch stärker ausbauen. Das kommt dem Tourismus zugute. Allerdings gibt es derzeit zur Fahrradmobilität in Südtirol leider nur eine sehr dünne Datenlage und kaum Zahlen. Hier gilt es in erster Linie nachzubessern.

 

Wie werden Sie mit den lokalen Institutionen zusammenarbeiten?

Ich habe in den ersten Wochen und Monaten Vertreter aller wichtigen touristischen Institutionen getroffen und mit allen touristischen Trägern eingehende Gespräche geführt. Die Zusammenarbeit suchen wir mit allen am Tourismus beteiligten Akteuren und möchten Sie dann aber auch zusammenführen. Gerne würden wir daher dies zusammen bei den zwei zentralen Partnern, IDM Südtirol einerseits und STA andererseits bündeln. Die Gespräche hierzu laufen gerade. Es ist mir wichtig, nicht in einem wissenschaftlichen Elfenbeinturm zu sitzen. Ich möchte gerne in engem Austausch mit den Institutionen stehen und Ergebnisse auch diskutieren. Als Kompetenzzentrum wollen wir einen wertvollen Beitrag leisten, der für die Partner einen praktischen Nutzen in der Arbeit stiftet. Es geht uns nicht ums Schönreden, sondern um solide wissenschaftliche, manchmal auch kritische Arbeit.

 

Touristische Hotspots wie der Pragser Wildsee sind wegen des großen Ansturms in den Sommermonaten für den Individualverkehr gesperrt. Eine Sperre der Dolomitenpässe wird heiß diskutiert. Wie stehen Sie zu Sperren und Regulierungen?

Es geht in erster Linie darum, ein System zu finden, bei dem die Lebensqualität der Einheimischen und die Erlebnisqualität der Touristen profitiert und nicht leidet. Hier könnten Sperren, an bestimmten Tagen oder zu bestimmten Stoßzeiten ein geeignetes Instrument sein. Pauschal gesehen sind Sperren nicht in meinem Sinne. Man muss immer die Belange aller im Blick haben. Was für den Touristen gut ist, wird nicht für alle gut sein. Entscheiden muss schließlich die Politik. Und diese sollte auch den Mut haben, Kritiken standzuhalten. Die Diskussion wird in meinen Augen sehr hart und hysterisch geführt, so als würde es sich um definitive und finale Entscheidungen bis ans Ende aller Tage halten. Mobilität, das steckt schon im Wort, ist sehr mobil. Man kann und sollte Dinge auch mal ausprobieren, sie sind ja nicht irreversibel. Die Entscheidungsgewalt liegt bei der Politik. Wir im Kompetenzzentrum stehen aber gerne mit unserer fachlichen Expertise beratend zur Seite.