Umwelt | Gletscher

Das gefährliche Erbe der Gletscher

Claudia Notarnicola, vom Eurac Insitut, klärt auf, ob wir Tragödien wie die am Gletscher der Marmolata vorhersehen und ob wir sie in Zukunft verhindern können.
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Foto: Jędrzej Koralewski - Pexels
Laut den Daten der Recherchen der GLISTT (Glacier Inventory South Tyrol-Tyrol – Das interregionale Gletschermonitoringkonzept für die Region Südtirol-Tirol), die von der Eurac veröffentlicht wurden, ist die Fläche der Gletscher der Region Südtirol-Tirol von 2005 bis 2016/2017 um 20% zurückgegangen.
 
Dieser Verlust ist das Resultat diverser Phänomene, einer der wichtigsten Gründe ist dabei sicherlich die Abnahme der Niederschläge im Winter. Dies führt zu zwei Problemen: auf der einen Seite hängt der sogenannte Albedo-Effekt von der Schneemasse ab, welche die Gletscher bedeckt: Der Schnee reflektiert 85 Prozent der Sonneneinstrahlung zurück ins Weltall und vermeidet so, dass diese die Erde erwärmen. Ohne diesen Schnee als Schutzschicht, werden die Gletscher direkt den Strahlen ausgesetzt und so die Eisschmelze beschleunigt.
Das zweite Problem ist, dass je mehr die Niederschläge abnehmen, desto mehr wird das Gleichgewicht der Gletschermasse gestört: Der Verlust der Gletschermasse im Sommer kann nicht mehr mit der Schnee- und Eisbildung im Winter ausgeglichen werden.
 
 
Die Gletscherschmelze lässt das Risiko von Naturgefahren steigen. Das Unglück, welches sich vor zwei Tagen (3. Juli 2022) am Gletscher der Marmolata ereignet hat, ist nur ein trauriges Beispiel dieser Korrelation.
Der Rückgang des Gletschers ist bereits seit einiger Zeit bekannt: Im Jahr 1910 betrug die Fläche noch 450 Hektar, diese hatten sich 2013 auf knappe 190 reduziert.
Der Präsident der Region Veneto, Luca Zaia, der gestern (4. Juli 2022) nach Canazei kam, sagte, dass der Zustand, in dem er den Gletscher der Marmolata vorfand, eher dem Ende Sommer/September glich.
 
Was wir gerade zu sehen bekommen, ist ein Erbe, welches der Gletscher über die letzten 20 bis 30 Jahren mitgenommen hat.
 
Salto.bz hat die Vizedirektorin des Instituts für Erdbeobachtung des Eurac, Claudia Notarnicola, gefragt ob die Arbeit des Instituts helfen könnte, solche Geschehnisse in Zukunft vorherzusagen: „Die Bilder, welche das Institut aufnimmt, werden für die Überwachung der Gletscher gebraucht, um ihre Entwicklung über die Jahre zu beobachten. Sie sind also nur ein Teil der Informationen, die konvergieren müssen, um mögliche Vorhersagen für die Zukunft aufzustellen,“ erklärt die Physikerin. "Also sind diese Analysen nur ein Element, eines größeren und komplexeren Bildes."
„Es ist jedoch klar, dass das, was wir gerade zu sehen bekommen, ein Erbe ist, welches der Gletscher über die letzten 20 bis 30 Jahre mitgenommen hat. Es handelt sich dabei um eine Trägheit, welche typisch für die Gletscher ist, da diese Jahrzehnte an Wetterphänomenen in sich abspeichern. Das, was passiert ist, ist nicht das Resultat einiger Monate wärmeren Wetters, sondern des Klimawandels, der jetzt schon seit Jahrzehnten aktiv ist."
 
Die Gletscherschmelze ist nur eine der Auswirkungen der Erderwärmung. Ein anderes, welches parallel dazu fortschreitet, ist der Rückgang des Permafrosts. Dies sind Gebiete welche permanent gefroren sind, wie der Name verrät. Wenn dieser Frost jedoch schmilzt, so kann dies den Boden destabilisieren und somit ein hohes Naturgefahrenrisiko erzeugen. Auf die Frage, ob dies in Zukunft Berggebiete, oder sogar Siedlungsgebiete gefährden und sie vielleicht zu einer Evakuierung zwingen könne, hat Notarnicola geantwortet, dass „das Schwinden des Permafrosts eine Reihe von Konsequenzen mit sich bringt, welche Auswirkungen auf verschiedene Bereiche haben können. Man hat vor kurzem beispielsweise beobachten können, wie in Siberien die Schmelze des Permafrosts eine Gefahr für die russichen Öl- und Gaspipelines darstellt.“
 
Man muss sofort agieren.
 
Die Gletscherschmelze ist aber noch nicht unumkehrbar: „Man muss sofort agieren, um den Prozess unter Kontrolle zu bekommen und ihn in einem zweiten Moment umzukehren.“
 
Das Institut für Erdbeobachtungen führt fortwährend seine Studien weiter, darunter eine in Zusammenarbeit mit der ESA (European Space Agency), deren Ziel es ist, Zeitreihen über die Gletscher zu erstellen, um deren zukünftige Entwicklung vorhersagen zu können. Auch wird mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet, um die Analyse der Gletschergebiete effizienter zu machen.
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Peter Gasser Di., 05.07.2022 - 10:33

Zitat: “Die Gletscherschmelze ist aber noch nicht unumkehrbar: „Man muss sofort agieren, um den Prozess unter Kontrolle zu bekommen und ihn in einem zweiten umzukehren.“
Dieser Satz ist so wohl nicht richtig wiedergegeben: meinen Informationen nach wird man diesen Natur-Prozess in den nächsten 25-50 Jahren nicht (eigentlich niemals) “unter Kontrolle bringen”, schon gar nicht wird man ihn “umkehren” können.
Diese anthropozentrische Sicht der Dinge ist hier unpassend, als Physikerin weiß man um die Eigendynamik und die Langfristigkeit dieser Prozesse.
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(Auch dieser Artikel hätte in meiner Oberschulzeit eine 5 in deutscher Grammatik bekommen: auch korrekte Syntax gehört zur Kultur und sollte nicht wie die Gletscher einfach erodieren, möchte ich, sensibel in dieser Hinsicht, kritisch beifügen dürfen)

Di., 05.07.2022 - 10:33 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Sa., 09.07.2022 - 22:05

Die globale Erwärmung fängt mit der intensiven Nutzung der Dampfmaschine an und die G,Emscher befinden sich seit derlei en Eiszeit, also ach. Ca 1850 auf dem Rückzug. Auf der Marmolada ist der untere Teil eines Hängegletschers abgebrochen. Wer sich darunter befindet, spielt russisches Roulette. Allerdings ist die Gefahr gleich unsichtbar wie eine lauernde Lawine.

Sa., 09.07.2022 - 22:05 Permalink