Wirtschaft | Energiekrise

Die sind auch noch da

Die Industrie ist mit ihrem hohen Energieverbrauch besonders von der Inflation betroffen. Doch sie gibt sich kämpferisch und nimmt sich Deutschland zum Vorbild.
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Foto: Unternehmerverband
„In Zeiten wie diesen müssen wir zusammenhalten“ – das ist der Tenor auf der gemeinsamen Pressekonferenz der Gewerkschaftsorganisationen ASGB, CGIL/AGB, SGBCISL und UIL-SGK und des Unternehmerverbandes Südtirol, die heute, am 5. Oktober, im Sitz der Microgate GmbH in Bozen stattgefunden hat. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Interessensvertreter von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenschließen, um mit vereinter Stimme zu sprechen. Laut Tony Tschenett, dem Vorsitzenden des ASGB, arbeiten sie bereits seit über zehn Jahren zusammen.
 
 
Südtirol habe sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, auf europäischer Ebene zum Vorreiter in der Gestaltung des ökologischen und digitalen Wandels zu werden. „Als Vertreter der industriell organisierten Unternehmen und der mehr als 50.000 dort Beschäftigten sind wir überzeugt davon, dass die Industrie im Mittelpunkt dieses Prozesses stehen muss“, teilen sie mit. Mit mehr als 50.000 Beschäftigten geben sie immerhin rund neun Prozent der Südtiroler Bevölkerung einen meist unbefristeten Arbeitsplatz.
 

Produktion ausbauen

 
Sie wollen die industrielle Produktion, die weltweit bis heute oft in ärmeren Ländern und Regionen mit schwächeren Öko- und Sozialstandards ausgelagert wird, in Südtirol behalten und ausbauen. Diese Forderung richten sie an die Südtiroler Landesregierung, um gemeinsam einen Plan für die industrielle Entwicklung in unserem Land auf die Beine zu stellen. „Es ist traurig, dass Südtirol keinen Industrieplan hat“, erklärt Heiner Oberrauch, Präsident des Unternehmerverbandes bei der Pressekonferenz.
„Die Pandemie, die Energiekrise und der Rohstoffmangel haben die Notwendigkeit aufgezeigt, strategische industrielle Produktionen wieder nach Europa zurückzuholen. Innerhalb Europas muss die Rolle Südtirols jene sein, auf eine hochinnovative und intelligente Industrie zu setzen, in deren Mittelpunkt Qualität und nicht Quantität stehen. Dies schafft Wohlstand und macht unser Land attraktiv“, schreiben die Gewerkschaften und der Unternehmerverband in einer gemeinsamen Aussendung.
 

Strategie ausarbeiten

 
Dafür sei eine Strategie erfolgreich, die Südtirol öffnet und so kurze und lokale Kreisläufe und Lieferketten durch die Integration in globale Kreisläufe und Lieferketten stärkt. Eine Strategie, welche die Stärken der kleinen Unternehmen aufwerte und deren Entwicklung und Wachstum fördre, zugleich aber auch größeren Unternehmen Wettbewerbsfähigkeit garantiere.
 
 
„Aus diesen Gründen wiederholen wir unsere Forderung an die Landesregierung nach einer auf die künftigen Generationen ausgerichteten Industriepolitik. Eine Industriepolitik, die es heute noch nicht gibt, und die den zentralen Beitrag dieses Sektors anerkennt, seine hochqualifizierten Arbeitsplätze sichert und dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit stärkt“, erklären die Interessensvertreter der Industrie.
Sie unterstützen das von der Europäischen Kommission festgelegte Ziel, den Anteil der Industrie im engen Sinn am BIP innerhalb 2030 auf zumindest 20 Prozent zu bringen (in Südtirol lag dieser im Jahr 2019 bei 17,1 Prozent) und den Anteil des verarbeitenden Gewerbes im weiteren Sinne, unter Einbeziehung des Bauwesens, auf mindestens 25 Prozent (in Südtirol lag dieser 2019 bei 22,9 Prozent). Längerfristig will es die Südtiroler Industrie der deutschen Industrie gleichmachen und das Ziel verfolgen, den eigenen BIP-Anteil im engen Sinne auf einen Anteil von 25 Prozent zu bringen.
„Wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen den Wirtschaftssektoren in Südtirol und die Industrie riskiert es, unterschätzt zu werden“, erklärt die Generalsekretärin von der CGIL/AGB, Cristina Masera. Es gehe nicht nur um die Wertschöpfung der Unternehmen, sondern auch um die Rahmenbedingungen für Menschen und Umwelt: „Bei Industriepolitik muss man auch an den Boden und den Wohnungsmarkt denken“, so Masera. Sie bezieht sich dabei auf die Forderung, Gewerbezonen vorrangig der Produktion vorzubehalten und leistbares Wohnen zu ermöglichen.
 

Hilferuf an die Politik

 
Die Südtiroler Gewerkschaften und der Unternehmerverband sehen in vier Bereichen Handlungsbedarf: Ökologie, hochwertige Arbeitsplätze, Innovation und Digitalisierung sowie Raum- und Landschaftsplanung; Neben der Energieeffizienz und der Eigenproduktion von erneuerbaren Energien will die Industrie auf die Diversifizierung der Produktion in strategischen Sektoren setzen. Hierfür brauche es gezielte Unterstützung und die bestmögliche Nutzung der Mittel europäischer Fonds sowie des PNRR.
 
 
Um weiterhin sichere und hochwertige Arbeitsplätze anbieten zu können, brauche es unter anderem eine Reduzierung der Steuerlast auf Arbeit, die Stärkung des spartenübergreifenden Ausbildungsfonds Fondimpresa, ein engagiertes Landeskomitee für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und Werbekampagnen der IDM für Industriebelange.
Außerdem fordern die Interessensvertreter eine bessere Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor, insbesondere bei der angewandten Forschung: „Forschungseinrichtungen, die diese anbieten, dürfen nicht ausschließlich von der öffentlichen Hand finanziert werden, sondern müssen auf die Finanzierung durch private Mittel aufgrund der Zusammenarbeit mit Unternehmen setzen.“ Hier vertritt die Industrie ihr ureigenes Interesse Innovation voranzutreiben, schließlich ist sie in Südtirol für mehr als 70 Prozent der Investitionen in Forschung und Entwicklung verantwortlich.  
Bezüglich Raum- und Landschaftsplanung fordern Unternehmerverband und Gewerkschaften Investitionen in Gewerbezonen und leistbare Wohnungen, vor allem auf dem Mietmarkt. Um nicht unbebaute Flächen nutzen zu müssen, schlagen sie für die Wiedergewinnung zu Produktionszwecken von leerstehenden Hallen eine zehnjährige GIS-Befreiung und den Wegfall der Baukostenabgabe für unterirdisches Bauen vor. Dadurch schaffe man einen Investitionsanreiz ohne weiteren Boden zu verwenden.
 
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Josef Fulterer So., 09.10.2022 - 06:55

Die "zu hohen ENERGIE-KOSTEN" sollten der hoch-gelobten Industrie auch Anlass sein um zu überlegen, "ob die erzeugten Produkte in die Welt passen," in der die FOSSILEN-BRENNSTOFFE radikal herunter gefahren werden müssen.

So., 09.10.2022 - 06:55 Permalink