Politik | Kommentar

Abschied nach 1000 Tagen

Nach dem Sieg des Nein und Renzis Rücktritt steuert Italien auf Instabilität zu. Es schlägt die Stunde der Populisten.
Renzi 4 dicembre
Foto: upi

Matteo Renzi hat hoch gepokert und verloren. Sein folgeschwerer Fehler, die Volksabstimmung über die Verfassungsreform zu einem Referendum über die eigene Person umzufunktionieren, hat sich als politisches Eigentor erwiesen. Unter dem Jubel seiner politischen Gegner tritt der Regierungschef nach 1000 Tagen zurück. Was er hinterlässt, ist eine chaotische innenpolitische Situation. Doch die Begeisterung seiner politischen Widersacher, die sofortige Neuwahlen fordern, könnte schon bald in Ernüchterung umschlagen. Denn Italien blickt mit seinem gigantischen Schuldenberg von 2250 Milliarden Euro einer unsicheren politischen Zukunft entgegen, in der die lautstark geforderten Neuwahlen keines der traditionellen italienischen Übel lösen: die politische Zersplitterung, das tägliche Hickhack, die unbeweglichen politischen Fronten, den Populismus, die Überalterung der Politiker, das in Ritualen festgefahrene Parlament. Das seit Jahrzehnten reformfeindliche Land muss nun die Reaktion der Börsen und Fnanzmärkte fürchten - und eine härtere EU.

Nun schlägt die Stunde der Populisten wie Grillo, Salvini und Berlusconi, die in Neuwahlen das Allheilmittel sehen - in einem Land, in dem die stärksten Parteien gerade mal auf 30 Prozent kommen. Vorher soll zum fünften Mal das Wahlrecht abgeändert werden - jenes umstrittene Italicum, das bisher noch nie zur Anwendung gekommen ist.

"Nun schlägt die Stunde der Populisten wie Grillo, Salvini und Berlusconi, die in Neuwahlen das Allheilmittel sehen - in einem Land, in dem die stärksten Parteien gerade mal auf 30 Prozent kommen."

"Elezioni subitissimo" fordert Beppe Grillo, der noch vor wenigen Tagen den Regierungschef als "serial killer" attackiert hat. Seinen Intimfeind Renzi ist der M5S-Gründer los. Die Fünfsterne-Bewegung, die kategorisch jede Koalition ablehnt, könnte ein Drittel der Stimmen erobern. Was sie damit anstellen will, weiss niemand. Auch Renzis Widersacher im Partito Democratico wie D'Alema und Bersani werden sich nur kurz über den Abtritt ihres Gegners freuen können.

Die völlig zerrüttete Partei blickt einer unsicheren Zukunft entgegen. Zerstritten sind auch der greise Silvio Berlusconi und Lega-Chef Matteo Salvini.

Nun steht Italien eine Rückkehr zum Proporz-Wahlsystem der ersten Republik bevor. Jener ersten Republik, deren Vertreter im Wahlkampf gegen Renzi wortführend waren. Jene wie Massimo D'Alema, die seit 53 Jahren Politik betreiben und an der Misere des Landes mitschuldig sind.

Fest steht vorerst nur eines: Italien blickt weiteren Monaten fruchtloser politischer Auseinandersetzungen entgegen. Dass das Land dabei im Morast versinken könnte, hat die ganz auf sich selbst konzentrierte Politik noch nie gestört.