Politik | Reaktion

“Panikmache nicht angebracht”

Paul Köllensperger (Movimento 5 Stelle) ist mit dem Ausgang des Referendums sehr zufrieden: “Die SVP muss ihre Politik überdenken”, sagt er. Und fordert rasche Neuwahlen.
Köllensperger
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

salto.bz: Herr Köllensperger, wie fällt Ihr Urteil über den Ausgang des Referendums aus?
Paul Köllensperger: Über das Ergebnis italienweit bin ich natürlich höchst zufrieden. Eine extrem negative und demokratiefeindliche Verfassungsreform wurde abgewendet. Sehr zufrieden bin ich auch darüber, dass die 5-Sterne-Bewegung so viel Einfluss auf diese Wahl gehabt hat.

Ist der Sieg des Nein vor allem dem Movimento 5 Stelle zuzuschreiben?
Bis auf die Regierung – und nicht einmal der ganze PD – war niemand für die Reform. Unter den vielen Gegnern war die 5-Sterne-Bewegung sicher die treibende Kraft, die sich dafür eingesetzt hat, dass sich die Reform nicht durchsetzt.

Wie erklären Sie sich das Ergebnis in Südtirol, wo das Ja so deutlich wie nirgendwo sonst in Italien gewonnen hat?
Der Südtiroler Bürger hat diese Ehe zwischen SVP und PD ratifiziert. Einerseits weil wir – noch – in einem relativen Wohlstand leben, was dazu beiträgt, dass man eher auf Kontinuität setzt denn auf Veränderung. Zweitens hat sicher auch die Angstmache der SVP vor einer Änderung in Rom zu dem Ergebnis beigetragen.

Insgesamt bin ich sehr glücklich und ich denke, dass es für alle, Südtirol inklusive, die beste Situation ist.

Die SVP sieht sich nach dem Referendum in ihrer Rom-Politik bestärkt. Sie auch?
Die SVP hat zwar für Südtirol ein starkes Resultat eingefahren, aber sie steht jetzt in Rom auf der Verliererseite. Sie sollte ihre Politik überdenken.

Inwiefern?
Es ist bedenklich, dass man mit Renzi alles auf eine Karte, also nicht einmal auf eine Partei sondern auf einen einzigen Mann gesetzt hat, der jetzt haushoch verloren hat. Die SVP sollte sich also die Frage stellen, ob diese Politik zielführend ist.

Teilen Sie die Befürchtungen, dass Italien nach dem Nein ins Chaos stürzt und große politische und wirtschaftliche Instabilität droht?
Wenn wir jetzt schon so weit sind, dass wir vor der Demokratie Angst haben müssen, dann weiß ich nicht mehr, in welchem Land wir leben. Das ist völlig lächerlich und überzogen.

Warum?
Auch wenn Renzi, der ja nie gewählt worden ist, nicht mehr ist, gibt es im Parlament weiterhin eine Mehrheit. Diese Mehrheit kann einen neuen Premier das Vertrauen aussprechen. Schon allein aus diesem Grund ist Panikmache gerade überhaupt nicht angebracht.

Eine Alternative zu einer Übergangsregierung bis zu den Parlamentswahlen 2018 wären vorgezogene Neuwahlen. Welche bevorzugen Sie?
Ich bin überzeugt, dass es so rasch als möglich Neuwahlen braucht. Italien braucht eine durch Wahlen legitimierte Mehrheit und Regierung, die die Reformen macht, die dieses Land so dringend braucht.

Die da wären?
Sicher nicht die Reformen von Renzi. Mit dem Senat hat das nichts zu tun, sondern es geht um Baustellen wie Korruption, Demokratie und Jugendarbeitslosigkeit. Die müssen angegangen werden. Wir haben jetzt zwei Jahre verloren, weil Renzi darauf gespitzt hat, die ganze Macht in seiner Person zu vereinigen anstatt diese Dinge, die so dringend nötig sind, anzugehen.

Ich bin froh, dass so viele Bürger am Referendum teilgenommen haben. Das bedeutet, dass die Demokratie noch viel lebendiger ist als viele meinen.

Das aktuelle Wahlrecht macht es mehr als unwahrscheinlich, dass sich bei vorgezogenen Neuwahlen stabile Mehrheiten bilden. Wäre es nicht besser, das Wahlrecht zu reformieren bevor zu den Urnen gerufen wird?
Es ist klar, dass heute ein Problem mit dem Wahlgesetz besteht. Theoretisch wäre es möglich, wählen zu gehen. Für die Kammer gibt es das Italicum. Und für den Senat eine Art Verhältniswahlsystem ohne Mehrheitbonus, das aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshof hervorgegangen ist. Das Risiko ist groß, dass es dadurch in Kammer und Senat zwei verschiedene Mehrheiten gibt. Und natürlich wäre das ein Problem.

Wie geht es Ihrer Meinung nun also weiter?
Ich bin mir sicher, dass jetzt eine Übergangsregierung bestellt wird, mit dem Ziel, ein Wahlgesetz zu schreiben. Und zwar so, dass die 5-Sterne-Bewegung bei den nächsten Wahlen nicht gewinnen wird. Etwas extrem Undemokratisches, was in keinem anderen europäischen Land denkbar wäre. Aber in Italien gehe ich davon aus, dass genau das die Absicht der Mehrheitsparteien ist.

Trotz des Bruchs zwischen PD und Teilen von Mitte-Rechts?
Für dieses Vorhaben wird sicher auch Berlusconi ohne weiteres zu gewinnen sein. Der “Patto del Nazareno” ist nie wirklich gestorben.

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Massimo Mollica Mo., 05.12.2016 - 11:53

Ricordo anche al sig. Paul Köllensperger che noi viviamo in una provincia autonoma (autonomia che il suo amico Grillo volea abolire, come disse nel primo comizio che fece a Bolzano Bozen (IO NON DIMENTICO). Qui da noi c'è una forte maggioranza che oltre alla convivenza vuole rimanere autonoma. Di quello che succede a Roma conta fino a un certo punto. Noi siamo avanti! Gott sei Dank!

Mo., 05.12.2016 - 11:53 Permalink
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Edo Plane Mo., 05.12.2016 - 13:58

Das ist kein guter Tag. Nicht für Italien, nicht für seine Einwohner, nicht für Europa, für niemanden. Im besten Fall ein Pyrrhussieg.

Mo., 05.12.2016 - 13:58 Permalink
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Klemens Kössler Mo., 05.12.2016 - 16:31

Herr Köllnsperger, Südtirol hat JA gestimmt und wollte damit Veränderung und nicht umgekehrt. Die Partei der vielen Sterne hat dafür geworben dass Italien so bleibt wie es ist nämlich unregierbar und handlungsunfähig. Italien steckt im Mittelalter fest und dazu passt die Figur des Marktschreiers und des Harlekin ganz gut. Grillo mit seinen Sternen hat immer über das geschimpft was er mit dem NEIN erhalten hat.
In einem gebe ich Köllnsperger recht, man braucht keinen Angst zu haben wie es weiter geht denn das wissen wir leider all zu gut, Italien wird weiter wurschteln wie immer während sich Unternehmen aus dem Staub machen und Beamtentum Mafia und Justiz weiter ihren Einfluss ausbauen, Demokratie sieht anders aus. Was kann man anderes erwarten von einer Partei dessen Führungsfigur ein Komiker ist.

Mo., 05.12.2016 - 16:31 Permalink