Wirtschaft | Dolomit-Fonds

Rollender Schneeball

Laut einem Amtsgutachten wurden die Quoten des Dolomit-Fonds völlig falsch bewertet. Damit könnten auf die Sparkasse Schadenersatzzahlungen in Millionenhöhe zukommen.
Noch ist es ein rollender Schneeball. Schon bald könnte daraus aber eine Lawine werden. Mit nachhaltigen Folgen für die Südtiroler Sparkasse.
Der Schneeball ist auf den 36 Seiten eines unabhängigen Gerichtsgutachten enthalten, dass der Zivilrichter am Landesgericht Bozen Simon Tschager in Auftrag gegeben hat. Im Verfahren 1493/2013 stehen sich vier Südtiroler Bürger und die Südtiroler Sparkasse gegenüber. Unterstützt werden die Kläger dabei von der Verbraucherzentrale und ihrem römischen Anwalt Massimo Cerniglia.
Die Kernfrage des Gerichtsstreites: Wurden die Anleger des inzwischen aufgelösten Dolomit-Fonds von der Sparkasse falsch beraten und haben deshalb Anrecht auf einen Schadenersatz vonseiten der Bank?
Die Antwort auf diese Frage steht in der „Consulenza Tecnica di Ufficio“ (CTU) des Mailänder Professors Marco Oriano. Der Ordinarius für „Economia dei intermediari finanziari“ an der Wirtschaftsfakultät der Cattolica in Mailand kommt in seinem gerichtlichen Amtsgutachten zu Schlüssen, die der Führung der Südtiroler Traditionsbank noch einige Kopfschmerzen bereiten werden. Denn spätestens jetzt stehen eine Sammelklage gegen die Sparkasse und damit Schadenersatzforderung in Millionenhöhe konkret im Raum.
 

Der Fonds

 
Die Geschichte hinter dem Verfahren 1493/2013 beginnt vor fast 13 Jahren.
Am 21. Jänner 2005 lädt die Sparkasse zur Pressekonferenz. Der damalige Sparkassen-Präsident Norbert Plattner, Generaldirektor Timothy M. Brooks und Gerardo Solaro del Borgo von der Fondsverwaltungsgesellschaft REEF stellen den Dolomit-Fonds in einer großen Inszenierung auf einer Pressekonferenz vor. Die Rede ist dabei von „einer absoluten Neuheit“ und „dem ersten Südtiroler Immobilienfonds“.
Zwei Tage nach dieser Pressekonferenz hinterlegt die Sparkasse, wie vom Gesetz vorgesehen, die Informationsbroschüre bei der Börsenaufsicht Consob. Zwischen dem 31. Jänner und dem 3. Juni 2005 läuft die Zeichnung der Quoten. Jeder Dolomit-Anteil kostet 1.000 Euro und der Mindestbetrag für die Zeichnung des Fonds sind drei Quoten, also 3.000 Euro. Die Laufzeit des Fonds beträgt acht Jahre; er soll also am 31. Dezember 2013 aufgelöst werden.
Die Fondsanteile werden ausschließlich von der Sparkasse vertrieben. In den ersten Wochen dümpelt der Verkauf des neuen Produktes eher vor sich hin. Doch im März 2005 findet in der Bank eine Sitzung statt, in der eine aggressivere Verkaufsstrategie für den Dolomit-Fonds vereinbart wird.
Die Offensive ist am Ende ein voller Erfolg. Am 3. Juni 2005, als die Zeichnungsfrist endet, hat man 4.376 Unterzeichner des Fonds gewonnen. Sie zeichnen insgesamt 104.670 Anteile, womit der Dolomit-Fonds über ein Start- und Investitionskapital von 104.670.000 Euro verfügt.
 
1.167 private Kunden der Sparkasse zahlen insgesamt 14,145 Millionen Euro und halten damit 13,5 Prozent des Dolomit-Fonds. 245 Angestellte der Sparkasse – das ist immerhin fast jeder vierte Mitarbeiter – übernehmen um 4,513 Millionen Euro 4,3 Prozent der Anteile. Dazu kommen noch zehn institutionelle Anleger, die um 26,550 Millionen Euro rund ein Viertel (25,4 Prozent) der Quoten übernehmen. Auch die Sparkasse selbst und die RREEF, die Gesellschaft die den Fonds verwaltet, investieren. Beide erwerben um je 2,1 Millionen zwei Prozent der Dolomit-Anteile.
Den Großteil der Quoten des neuen Immobilienfonds erwerben aber die Gesellschafter der Sparkasse: 2.952 Sparkassen-Aktionäre investieren insgesamt 55.262.000 Euro in den Dolomit-Fonds. Sie halten damit 52,8 Prozent der gesamten Anteile.
Auch der Hauptaktionär der Sparkasse greift tief ins Portemonnaie. Die Stiftung Sparkasse erwirbt 12.500 Anteile des Fonds Dolomit und zahlt dafür 12,5 Millionen Euro ein. Das sind 11,94 Prozent des Gesamtvermögens des Fonds.
 

Der Absturz

 
Am 4. Juni 2005 verfügt der Dolomit-Fonds so über ein Vermögen von 104,67 Millionen Euro. Ursprünglich geplant war, dass mehrere Hotelimmobilien, die die Sparim in Nord- und Mittelitalien angekauft hatten, an den Fonds weiterverkauft werden sollten. Weil die Verkaufspreise aber deutlich überhöht sind, weigert sich die Fondsverwaltungsgesellschaft dieses Geschäft durchzuziehen.
Am Ende kauft der Dolomit zwölf Immobilien. Fünf davon sind Hotels, zwei Bürohäuser, zwei Geschäftshäuser und drei Immobilien haben ihre Zweckbestimmung im Dienstleistungssektor. Zum 31. Dezember 2007 wird der Gesamtwert des Dolomit-Portefeuilles in der Bilanz mit 158,29 Millionen angegeben.
Im ersten wirklich operativen Geschäftsjahr erwirtschaftet der Fonds einen Gewinn von 3.134.866,50 Euro. Der Wert der Quote steigt auf 1.045,692 Euro an. Am 13. März 2008 zahlt man eine Dividende aus: 29,95 Euro pro Dolomit-Anteil.
Das Projekt der Sparkasse scheint erfolgreich zu sein. Noch weiß niemand, dass das der einzige Lichtblick in der unglücklichen Geschichte des Dolomit sein wird. Mit der Immobilienkrise von 2008 bricht der Sparkassenfonds ein. Ende des Jahres hält die Quote noch einen Wert von 1.016,129 Euro und der Fonds schreibt einen kleinen Gewinn von 40.082 Euro. Im Geschäftsjahr 2009 stürzt der Dolomit dann vollkommen ab. Der Fonds macht einen Jahresverlust von 14.469.759 Euro und die Quote notiert am 31. Dezember 2009 bei 877,888 Euro.


 
Danach geht es nur mehr abwärts. Der Dolomit hat ursprünglich eine Laufzeit von acht Jahren. Damit würde er zum 31. Dezember 2013 eigentlich auslaufen. Zu diesem Zeitpunkt haben die Anleger aber 38 Prozent ihres Kapitals verloren. Ob dieser katastrophalen Performance des Fonds kommt in der Öffentlichkeit schon bald harsche Kritik an der Sparkasse auf. Aus den großen Versprechungen wird ein finanzieller Verlust, der manchen Kleinsparer sehr hart trifft. Die Reklamationen und Klageandrohungen der Dolomit-Anleger gegen die Bank beginnen immer insistenter zu werden.
 

Der Notausgang

 
Verärgerte Anleger wenden sich an die Südtiroler Verbraucherzentrale. Diese engagiert mit dem römischen Anwalt Massimo Cerniglia einen Fachmann auf dem Gebiet der Sammelklagen. Da der Unmut der Anleger in Südtirol immer größer wird und die Verbraucherzentrale zusammen mit Geschädigten eine Sammelklage vorbereitet, wird der Dolomit-Fonds zum Risiko für das Image der Sparkasse
Bereits Ende Dezember 2012 fasst die Sparkasse deshalb eine Art Notlösung für den eigenen Immobilienfonds ins Auge. Am 21. Februar 2013 beschließt man die Emission neuer Anleihen mit der Bezeichnung „Zero Coupon“. Am 16. Juli 2013 segnet der Verwaltungsrat dann die Durchführung eines öffentlichen Tauschangebots ab.
Die Sparkasse präsentiert ein öffentliches Kaufangebot, bei dem die Dolomit-Anteile mit den neuen Anleihen der Sparkasse, den Zero Coupons, eingetauscht werden können. Der damals aktuelle Wert des Dolomit, 638,36 Euro, ist der Basiswert für den Tausch. Die Zero Coupons haben eine Laufzeit von neun Jahren und eine garantierte Rendite, die so aufgebaut ist, dass bei Fälligkeit der Anleihe am 15. November 2022 genau der Wert 1.000 Euro pro Anleihe erreicht wird. Im Klartext: Die Anleger sollen mit dem Tausch und der neuen Anleihe am Ende den Nominalwert erhalten, den sie in den Dolomit investiert haben.
Fast alle Dolomit-Anteile werden im Herbst von den Anlegern auch umgetauscht. Die Sparkasse übernimmt im Gegenzug den gesamten Fonds und die Immobilien werden in einen neuen Fonds, dem geschlossene Immobilienfonds für institutionelle Anleger Augusto weitergeschoben. Wo die Bank in den Jahren darauf noch einiges an Geld verlieren wird.
Aber auch die Dolomit-Anleger werden trotz Tauschangebot draufzahlen. Der Grund dafür liegt – abgesehen von der Inflation – im Steuersystem und er steht auch im Tauschangebot. Die Sparkasse garantiert für den Zero Coupon bei Fälligkeit am 15. November 2022 1.000 Euro, aber „vor Steuern“.
Genau in diesem Detail liegt der Unterschied. Verluste aus Immobilienfonds können steuerlich mit ähnlichen Gewinnen innerhalb von vier Jahren ausgeglichen werden. Für Zinsgewinne gilt das nicht. Sie müssen voll versteuert werden.
Der Wertzuwachs des Zero Coupon von den ursprünglichen 638,36 Euro auf den Endwert von 1.000 Euro ist ein solcher Zinsgewinn und wird mit 26 Prozent besteuert. Konkret heißt das, dass die Dolomit-Anleger von jenen 1.000 Euro, die sie im Frühjahr 2005 eingezahlt haben, nach 17 Jahren nur 905,27 Euro wiederbekommen.
 

Die Klage

 
Trotz der Umtauschaktion reichen vier Dolomit-Anleger am 26. März 2013 eine Zivilklage beim Bozner Landesgericht ein. Koordiniert von der Verbraucherzentrale soll diese Klage eine Pilotklage für eine folgende Sammelklage sein. Betreut wird sie von Massimo Cerniglia.
Die Argumentation der Kläger: Die Käufer seien von der Bank falsch beraten und nicht genügend über das Risiko des Immobilienfonds aufgeklärt worden. Sie fordern deshalb die Rückerstattung des Kapitals, das sie beim Kauf der Dolomit-Anteile eingezahlt haben. Und einen Schadenersatz.
Als in diesem Verfahren 1493/2013 am 5. Juni 2015 vor Richter Simon Tschager die Erstverhandlung stattfindet, sind die Rollen klar verteilt. Die Anwälte der Sparkasse weisen energisch jede Verantwortung von sich. Während Massimo Cerniglia darauf pocht, dass die Quoten des Dolomit-Fonds von Anfang an von der Bank falsch bewertet worden sind. Die Sparkasse hatte die Quoten des Fonds mit dem Risikofaktor „mittel-niedrig“ (Medio-basso) angeben. Während 2005 fast alle anderen Immobilienfonds das Profil „mittel-hoch“ (medio-alto) hatten.
 
Sowohl die Kläger wie auch die Sparkasse ernennen im Verfahren jeweils einen Parteigutachter, die in ihren Ausführungen die Thesen ihrer Auftraggeber stützen.
Richter Tschager ordnet deshalb beim Mailänder Ordinarius Marco Oriani ein Amtsgutachten an. Oriani liefert im Mai 2017 ein Vorgutachten und am 17. September sein endgültiges Amtsgutachten. Es ist für die Sparkasse vernichtend.
Zu zentralen Frage der Bewertung schreibt Oriani:
 
Il livello di rischiosità del Fondo poteva e doveva essere indicato quale medio-alto ai sottoscrittori retail che si accingevano ad acquisire quote dello stesso. E ciò anche in forza degli obblighi normativi vigenti all’epoca dei fatti, con particolare riferimento agli articoli 26— 27- 28- 29 della Delibera Consob n. 11522.“
 
Die Tatsache, dass die Sparkasse die Dolomit-Quoten um zwei Stufen niedriger bewertet, kann laut dem Gutachter nicht als Versehen abgetan werden. Oriani weiter:
 
"La Cassa, in quanto intermediario professionale, era in grado di riconoscere il livello di rischio medio-alto dello strumento preposto, essendo chiaramente in grado di interpretare il prospetto del Fondo che andava a collocare, specie nella parte dedicata ai rischi, nonché potendo avere fin dal momento del collocamento indicazioni ed informazioni più specifiche da parte della SGR sulle politiche di gestione che sarebbero state intraprese”.
 
Deutlich kann man es kaum sagen. Damit aber wird es für die Sparkasse nicht nur in diesem Verfahren mehr als eng.
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alfred frei Mi., 06.12.2017 - 17:56

Sollte man nicht ein Lawinenwarnsystem einführen, mit dem das Katastrophenrisiko der Immobilienfonds sofort signalisiert wird, wie z.B. die Finanzberater und Anleger mit dem Tragen eines Schutzhelms verpflichten. Auch ein Rettungsschild "Fluchtweg für Anleger" in den Banken könnte dienlich sein. Von den Bankverantwortlichen sollten besondere persönliche Garantien wie Leibwächter oder Fußeisen (aber keine Bankfidejussionen bitte !) gesetzlich verlangt werden.

Mi., 06.12.2017 - 17:56 Permalink