Gesellschaft | Reaktionen

“Beendet die Hetze”

Frauenvertreterinnen verurteilen die Anti-Abtreibungskampagne rund um den “Tag des Lebens” aufs Schärfste.
Tag des Lebens 2021
Foto: Salto.bz

Seit Tagen zieren vielerorts Plakate der beiden Organisationen “Bewegung für das Leben” und “Pro Vita & Famiglia” Werbeflächen an Bushaltestellen. Auch an Anschlagetafeln von Pfarreien und in der größten Tageszeitung des Landes prangt die Botschaft, die die beiden bekanntermaßen abtreibungsfeindlichen Organisationen zum “Tag des Lebens” am 7. Februar verbreiten wollen, den sie als “besonderen Gedenktag infolge der Legalisierung der Abtreibung” bezeichnen. 1978 wurde das Gesetz 194 geschrieben, Schwangerschaftsabrüche – unter bestimmten Umständen – und damit die Frauen, die sich dafür entscheiden, entkriminalisiert. Den Abtreibungsgegnern schlägt jetzt offene Kritik entgegen. Frauenvertreterinnen verurteilen die Kampagne aufs Schärfste.

 

“Wollen Wahrheit aufzeigen”

 

Zum 7. Februar nimmt nimmt Christian Raffl, Präsident von “Bewegung für das Leben” wie folgt Stellung:

“Jedes Jahr am 1. Sonntag im Februar begeht die italienische Bischofskonferenz den TAG DES LEBENS, heuer fällt er auf den 7. Februar. Dieser besondere Gedenktag wurde infolge der Legalisierung der Abtreibung im Jahre 1978 eingeführt und soll die Menschen an den einmaligen und hohen Wert des menschlichen Lebens erinnern, dessen Schutz immer mehr in Gefahr gerät. Und zwar der Schutz jedes Menschen, ob geboren oder ungeboren, ob jung oder alt, gesund oder krank. Die italienische Bischofskonferenz stellt den heurigen ‘Tag des Lebens’ unter das Motto ‘Die Freiheit soll im Dienst des Lebens stehen’! Freiheit bedeutet für viele, alles tun und lassen zu können was man will, sozusagen nach Beliebigkeit. Den Wert des Menschen kann man aber nicht nach Beliebigkeit einteilen (…). Es ist eine falsch verstandene Freiheit sich anzumaßen, über das Leben eines Menschen verfügen zu können. Der viel verwendete Satz: ‘Mein Bauch gehört mir und ich kann frei darüber verfügen’ wird falsch interpretiert. Ja, der Bauch gehört der Frau, aber das Leben, das darin wächst, gehört nicht ihr. Es ist eine falsch verstandene Freiheit, darüber zu entscheiden, ob das Kind leben darf oder nicht. Dieses Kind ist eine eigene Persönlichkeit und ihm werden das Recht und die Freiheit zu leben, genommen. Die BEWEGUNG FÜR DAS LEBEN-Südtirol wird in Zusammenarbeit mit PROVITA & FAMIGLIA mit einem zweisprachigen Plakat auf dieses Wunder des Lebens aufmerksam machen und aufzeigen, dass kein Unterschied besteht im Menschsein vor und nach der Geburt. Dieses Plakat wird rund um den ‘Tag des Lebens’ an verschiedenen Bushaltestellen im ganzen Land hängen, um dem Betrachter diese Wahrheit aufzuzeigen.”

 

“Für das Leben und die Freiheit der Frauen”

 

Eure Wahrheit könnt ihr für euch behalten. So der Tenor mehrerer scharfer Stellungnahmen. Es sind insbesondere Frauen und sie unterstützende Organisationen, die sich den Abtreibungsgegnern – verbal – entgegenstellen. “Seit Jahren nutzen die Organisationen Pro Vita und Bewegung für das Leben diesen Tag für Hetzkampagnen gegen das Recht auf Abtreibung”, zeigt der Landesbeirat für Chancengleichheit auf. Dessen Präsidentin Ulrike Oberhammer und Vizepräsidentin Donatella Califano schreiben in einer Aussendung: “Eine nicht gewollte Schwangerschaft ist für jede betroffene Frau eine sehr schwierige Situation und umso schwieriger ihre Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch. Wir sollten den Frauen zur Seite stehen und ihnen Möglichkeiten und Hilfestellungen aufzeigen, statt sie zu verurteilen. Statt seit bald 50 Jahren mit Hetzkampagnen die Frauen noch weiter in tiefste persönliche Krisen zu stürzen, sollten die einschlägigen Organisationen endlich auch einmal für das Leben der Frauen einstehen.” Der Landesbeirat teile der Bischöfe Botschaft “Freiheit soll im Dienst des Lebens stehen”, so Oberhammer und Califano. “Hierbei muss es aber auch um die Frauen gehen, die in Freiheit und Würde ihr eigenes Leben gestalten dürfen.” Das Gesetz 194 sei “eine enorm wichtige Hilfestellung, um Frauen vor dem Absturz in illegale Abtreibungen zu schützen und ihnen in schwierigen Momenten zur Seite zu stehen”.

Auch die Frauengruppen der drei Gewerkschaften CGIL/AGB, SGBCisl und UIL-SGK sind besorgt, befürchten “einen neuerlichen Angriff auf das 1978 verabschiedete Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch”, das gerade auch in Südtirol nie vollständig angewandt worden sei, schreiben die drei Vorsitzenden in einer gemeinsamen Stellungnahme: “Diese Kampagne der Abtreibungsgegner ist ein Angriff auf das Grundrecht einer Frau, über ihren Körper entscheiden zu können“, so die Vertreterinnen der Frauengruppen. “Die bei der Kampagne verwendeten Bilder sind manipulativ und irreführend. Ein Fötus in einem sehr fortgeschrittenen Entwicklungsstadium wird mit einem bereits einige Monate alten Kind verglichen. Dies vermittelt die Botschaft, wonach ein Schwangerschaftsabbruch in jeder Entwicklungsphase des Fötus durchgeführt werden könne; nach dem Gesetz aber muss der Abbruch innerhalb von drei Monaten nach Empfängnis erfolgen, außer in jenen Situationen, in denen die Gesundheit der Mutter ernsthaft gefährdet ist. Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine schwierige und keine unüberlegte Entscheidung, die nicht nur gesetzlich geschützt ist, sondern auch respektiert werden muss.”

Auch die Meraner SVP-Frauen melden sich zu Wort: “Die Einführung des Rechtes auf Abtreibung (G 194/78) ist eine der wichtigsten Errungenschaften der italienischen Frauenbewegung in Punkto Selbstbestimmung. Die Organisationen Pro Vita & Famiglia und Bewegung für das Leben können sich scheinbar, nach über 40 Jahren, noch immer nicht damit abfinden und haben die xte Kampagne gegen Abtreibung ins Leben gerufen. In mehreren Städten, darunter auch Bozen, wurden Plakate mit äußerst bedenklichen und nicht tolerierbaren Botschaften angebracht. In einer Gesellschaft jenseits des Patriarchats, in der Frauen selbstbestimmt über ihr Leben, ihren Körper und damit auch ihre Reproduktion entscheiden können muss das Recht auf den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft garantiert sein. Diese Option muss allen Frauen zur Verfügung stehen, genauso wie eine adäquate Qualität der medizinischen Versorgung, der Beratung und der Information zum Schwangerschaftsabbruch.”

 

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Maximi Richard Sa., 06.02.2021 - 16:29

Die Plakatierungsgesellschaft Firstavenue, die diese abscheuliche Werbeaktion ermöglicht und sich wahrscheinlich auch gut bezahlen lässt ist, ça va sans dire, Partner der Athesia Gruppe.

Sa., 06.02.2021 - 16:29 Permalink
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Karl Trojer Mo., 08.02.2021 - 10:46

Wenn eine Frau sich zu einer Abtreibung in den ersten drei Monaten ihrer Schwangerschaft entscheidet, dann ist das sicher kein "beliebiger Umgang mit Freiheit" , sondern eine für sie sehr schmerzhafte Entscheidung. Thomas von Aquin soll die These vertreten haben, dass menschliches, beseeltes Leben erst nach drei Monaten als solches betrachtet werden kann. Wo bleiben die Gegner der gesetzlich erlaubten Abtreibung, wenn´s darum geht, Millionen von Strassenkindern, von am Hunger sterbenden Kindern, von missbrauchten und geschundenen Kindern ein menschengerechtes Leben zu ermöglichen ? Wieviele von ihnen haben sich auch nur für ein einziges dieser Kinder engagiert ? Leider ist es meist auch hier die überholte Welt des Patriarchats, das den Frauen Bürden auferlegen will, die es selbst zu tragen weder gewillt, noch fähig ist.

Mo., 08.02.2021 - 10:46 Permalink