Politik | In Rom

Momentum Durnwalder

Ein überzeugendes Wahlergebnis und große Lehrmeister haben Meinhard Durnwalder den Gang nach Rom bereitet. Was hält Palazzo Madama für den neuen Senator bereit?
Meinhard Durnwalder
Foto: SVP Mediendienst

“Posso congratularmi con te?” Die wievielte Hand Meinhard Durnwalder an diesem Tag schüttelt, weiß er nicht. “Posso darti del ‘tu’? O devo chiamarti Onorevole?” Nein, als Onorevole will sich Durnwalder nicht ansprechen lassen. Diesen Titel führen üblicherweise nur die Kammerabgeordneten in Rom. Durnwalder ist Senator. Seit Sonntag. Noch sind die bürokratischen Angelegenheiten zu erledigen, noch ist das 2013 gewählte Parlament im Amt.
Doch wenn der Senat der XVIII Legislatur am 23. März zusammentritt, wird erstmals auch ein Durnwalder im Palazzo Madama sitzen. Um einiges jünger und weit weniger bekannt als sein Onkel Luis. Der hat dem 41-Jährigen von klein auf die Politik unter dem Edelweiß vorgelebt.

Meinhard Durnwalder ist einer der jüngsten Senatoren. Das Mindestalter von 40 Jahren hat der Pustertaler SVP-Bezirksobmann noch nicht lange erreicht. Er ist auch der, der mit dem relativ höchsten Rückenwind aus Südtirol nach Rom geschickt wird. 66,54 Prozent der Wähler im Wahlkreis Brixen-Pustertal haben Durnwalder ihre Stimme gegeben – 51.670 an der Zahl. Das sind nur etwa mehr als 3.000 Stimmen weniger als Durnwalders Vorgänger Hans Berger 2013. “Ich freue mich sehr, als junger Kandidat gleich gewählt worden zu sein und bedanke mich bei den Menschen für das Vertrauen.” Durnwalder will seinen Auftrag in Rom ernst nehmen, sagt er.

Die niedrige Wahlbeteiligung der Südtiroler bei den diesjährigen Parlamentswahlen am 4. März gibt ihm zu denken. In seiner Heimatgemeinde Pfalzen ist sie um 20 Prozentpunkte gefallen.
Am Tag danach will der gelernte Rechtsanwalt und leidenschaftliche Verfassungs- und Autonomierechtler nach vorne schauen. Lässt er vom Bozner Waltherplatz, wo seine Kanzlei liegt, den Blick gen Rom schweifen, runzelt er die Stirn. Der bisherige Bündnispartner seiner Partei, der PD steht auf gesamtstaatlicher Ebene gar nicht gut da.

Auf der anderen Seite gehen die Mitte-Rechts-Parteien gestärkt aus den Wahlen hervor. Großer Wahlsieger ist aber der Movimento 5 Stelle. Die SVP wird sich nach neuen Ansprechpartnern in Rom umsehen müssen.

 

Szenarien in Rom

Meinhard Durnwalder kennt Rom. Häufig hat er Roland Riz in die Ewige Stadt begleitet. Zum Verfassungsgerichtshof. Als die Rede auf seinen beruflichen und wohl auch politischen Lehrmeister fällt, lächelt Durnwalder.
Dem gewieften Bozner Rechtsanwalt und Alt-Senator hat er viel zu verdanken, sagt er. Nicht zuletzt ein Video, in der die SVP den 90-jährigen Riz Wahlkampf für den 50 Jahre jüngeren Pusterer machen ließ.

Die Lehrjahre sind vorbei. Nun liegt es am neuen Jungen, Südtiroler Anliegen in Rom voranzubringen.

Im Palazzo Madama werden sich Durnwalders Wege unweigerlich mit denen von Matteo Renzi kreuzen. Viel werden sich die beiden vermutlich nicht zu sagen haben.
Am Montag Abend gibt Renzi bekannt: Nach dem desaströsen Ergebnis von nicht einmal 20 Prozent geht der PD in die Opposition. Ob er seinen Posten als Parteisekretär räumen wird, lässt Renzi offen. Zumindest bis zur Regierungsbildung will er den PD weiter führen. Verkalkuliert habe sich Renzi, auf die falschen Themen gesetzt und die falschen Parteifreunden gegen sich aufgebracht. So die Analyse von Meinhard Durnwalder. Er selbst sieht sich nicht als “rottamatore”, als “Verschrotter”, als der Renzi 2013 nach Rom gezogen war. Und seinen Sitz im Gemeinderat von Pfalzen wird er jedenfalls abtreten.

Mehr als Matteo Renzi bereitet dem angehenden Senator am Tag nach der Wahl das Schicksal des Landes Kopfzerbrechen. Wird sich eine regierungsfähige Mehrheit finden? Und an wen wird sich die SVP künftig wenden müssen? Fest steht: Die Autonomiefraktion wird mit einer deutlich leiseren Stimme sprechen. “Die Trentiner fehlen”, seufzt Durnwalder.

 

Schicksal in den Sternen

Die erste Bewährungsprobe steht am 23. März bevor. Dann treten beide Parlamentskammern zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Die Präsidenten werden gewählt – “üblicherweise setzt man dabei auf eine konsensfähige Person, die super partes waltet”, weiß Durnwalder. Welche der Parteien die Präsidenten vorschlägt, bleibt abzuwarten. Zunächst ist Sergio Mattarella am Zug.

Der Staatspräsident wird zeitnah mit den Konsultationen beginnen. Usus ist, den Leader der stimmenstärksten Partei als ersten zu hören. “Luigi Di Maio könnte von Mattarella den Auftrag bekommen, Sondierungsgespräche mit den anderen politischen Kräften zu führen”, mutmaßt Meinhard Durnwalder. Findet sich eine Koalition, könnte der Staatspräsident schließlich den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen.

Eine weitere Option wäre eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten. Oder Mattarella setzt eine technische Regierung ein. An einem “governo tecnico” wie die Regierung Mario Monti 2011 findet Durnwalder keinen Gefallen. “Ich habe Lust loszulegen! Italien ist reformbedürftig.” Mit einer technischen Regierung würde die legislative Arbeit des Parlaments allerdings eingeschränkt. “Und wenn sich nichts bewegt…” Durnwalder hält einen Moment inne, winkt dann ab: “Einen Tag nach den Wahlen Neuwahlen in den Raum zu stellen, ist nicht angebracht.”

 

Autonomisten in Ehren

Er wird lernen müssen, sich auf dem schlüpfrigen römischen Parkett zu bewegen. “Autonomie schützen und sichern, entwickeln und ausbauen” – das war das Wahlversprechen der SVP für den 4. März. “Eisern verteidigen” werde man die Autonomie, wenn es drauf ankommen sollte, versprach der Parteiobmann bei der Wahlkampfabschlussveranstaltung. Darauf hat sich Meinhard Durnwalder bereits eingestellt.
“Grundsätzlich bin ich dafür, mit allen zu sprechen. Das ist ein Muss”, antwortet Durnwalder auf die Frage, ob er sich eine Unterstützung seiner Partei für eine mögliche Regierung von 5 Stelle und Lega vorstellen kann. Ausschlaggebend ist für ihn das “autonomiepolitische Kriterium”. “Und weder die 5 Sterne Bewegung noch die Lega Nord – pardon, die Lega – haben sich in der Vergangenheit unbedingt als Autonomisten hervorgetan.”

Tiefer lässt er sich an diesem Tag nicht in die Karten blicken. Es gilt, abzuwarten. “Wir werden schauen, welche Konstellationen sich bei den knappen Mehrheitsverhältnissen herausbilden und Gespräche zu autonomiepolitischen Themen führen.” Damit fährt Meinhard Durnwalder ganz die Parteilinie. Mit der ist er nicht immer einverstanden. Ein Störenfried in der Öffentlichkeit will er dennoch nicht sein. “Ich bin parteiintern als kritisch bekannt. Aber ist eine Mehrheitsentscheidung gefunden, trage ich sie nach außen mit.”  

Zurück im tagespolitischen Geschäft, denkt Durnwalder über die Nachwahlzeit hinaus: “Italien wird nicht darum herum kommen, ein neues Wahlgesetz zu verabschieden, um stabile Mehrheiten zu ermöglichen.”
Die Wahlnacht hat er in seinem Appartement in der Bozner Innenstadt verbracht, um am frühen Morgen gleich in der SVP-Zentrale zum Rapport antreten zu können. Am Tag nach der Wahl geht es für ihn wieder nach Pfalzen. Doch zuvor hat Meinhard Durnwalder noch einen wichtigen Termin: Ein Kaffee mit Roland Riz.