Politik | Märchen gibt es viele, einige sind frei erfunden, andere lehnen sich der Wahrheit an und andere sind reine Lügenmärchen

Es war einmal - Das Märchen

Ja, ich weiß, es ist übersteigert, plakativ und schwarzweißmalerisch, dazu provokativ und sarkastisch. Aber es ist nur ein Märchen und deswegen: trotzdem!
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Es war einmal ein kleines wundersames Land mit herrlichen Bergen, frischem Wasser und guter Luft. Das Land war so schön, dass Jahr für Jahr viele Besucher aus nah und fern kamen, um hier ihre schönste Zeit des Jahres zu verbringen. In den Städten in denen sie lebten, gab es nämlich keine Berge, das Wasser zum Trinken mussten sie in Flaschen kaufen und die Luft über ihren Köpfen war eine Dunstwolke, die sie schwer atmen ließ. Manchmal war diese Wolke weniger dicht und manchmal war sie dichter, so dass sie die Sonne nur mehr verschleiert wie hinter einer Nebeldecke sehen konnten. Daran hatten sich die Besucher aber gewöhnt. Das ganze Jahr über sparten sie fleißig für ihren Besuch in das wundersame kleine Land und freuten sich darauf.

Nun gab es in diesem wundersamen kleinen Land die Genügsamen und die Nimmersatten. Die Genügsamen hatten genug zum Leben, es ging ihnen gut und sie waren zufrieden. In den Bergen ging es ihnen besonders gut, da konnten sie von weit oben auf ihr schönes Land blicken und ringsum alle Gipfel sehen. Sie genossen die wunderbare Aussicht, die gute Luft und das erquickende Wasser.

Den Nimmersatten war das aber nicht genug, denn sie wollten immer mehr haben. Zwar hatten auch sie genug zum Leben, aber sie waren damit nicht zufrieden. Und wenn sie auf die Berge stiegen, sahen sie zwar die Schönheit, konnten sich aber daran nicht richtig erfreuen, denn ihr Herz war trist und dürstete nach immer mehr. So schlossen sich die Nimmersatten zusammen und heckten einen Plan aus, wie sie noch viel, viel mehr Besucher in das Land schaufeln und auf diese Weise mehr und mehr bekommen konnten. Und es fiel ihnen ein Flugplatz ein.

An einer Frage tüftelten die grauen Männer aber lange herum, denn sie wollten zwar immer mehr bekommen, dafür aber nichts hergeben: "Wer soll ihn bezahlen?" Da sie aber wussten, dass die Genügsamen nicht nur genügsam, sondern darüber hinaus auch sehr gutmütig und naiv waren, war die Lösung bald gefunden: "Wenn wir imstande sind die Genügsamen zu überzeugen, dass der Flughafen sehr wichtig ist und auch sie ihn unbedingt brauchen, werden sie ihn uns bezahlen."

Als  die Genügsamen von diesem Plan erfuhren, horchten sie auf und gaben zu bedenken: "Aber es kommen ja schon genug Besucher in unser Land, wo sollen die alle hin?", und eine unbestimmbare Besorgnis legte sich um ihr Herz. - "Macht euch keine Sorgen", sagten die Nimmersatten, die sich heimlich schon die Hände rieben und sich auf ihre noch dickeren Brieftaschen freuten, "es gibt noch genügend freie Wiesen, die wir verbauen können und wenn keine Wiese mehr zur Verfügung steht, so werden wir den Wald roden und notfalls werden wir den Platz aus den Bergen herausschlagen."

"Aber was wird aus unserer guten Luft, wenn so viele Flugzeuge den ganzen Tag über unseren Köpfen fliegen und die Sonne verdunkeln?", fragten die Genügsamen und ihr Herz wurde ihnen schon ganz bang,  "Wird sie nicht schlechter werden?" -  "Auch darüber seid nicht bang, liebe Genügsame", flöteten die Nimmersatten mit einem entwaffnendem Lächeln, dies wird nicht geschehen, denn unsere Experten haben Studien erstellt, die belegen, dass dies nicht geschehen wird. Und sollte die Luft tatsächlich schlechter werden, wird euch das nicht umbringen. Seht euch doch die vielen Besucher an, auch sie hat ihre schlecht Luft nicht umgebracht. Ihr müsst tapfer sein und endlich moderner werden!"

Eine letzte Frage hatten die Genügsamen noch auf ihren Lippen, ihr Herz war nun schon ganz verzagt geworden und vor lauter Ängstlichkeit stockte ihnen der Atem: "Und was wird aus dem Lärm, dem schrecklichen Lärm, den wir den ganzen Tag über hören werden, der uns keine Ruhe mehr lässt und uns ganz vergessen lässt, wie schön unser kleines wundersames Land eigentlich ist?" Ihre Stimme war nun ganz kleinlaut geworden und sie trauten sich gar nicht mehr, den Blick zu heben und den Nimmersatten in die Augen zu sehen, denn sie spürten wie mächtig diese geworden waren und mit welcher Vehemenz und Rücksichtslosigkeit sie den Flugplatz bauen wollten, koste es was es wolle. "Natürlich haben wir auch an das gedacht, allerliebste Genügsame, ihr braucht wirklich keine Angst haben, ihr sollt nur nicht hinhören, so einfach ist das! Denkt an andere Dinge, macht die Musik lauter und lenkt euch ab, so werdet ihr den Lärm gar nicht richtig hören und er wird euch nicht stören. Und wenn doch, so könnt ihr einen Gehörschutz tragen, es gibt heutzutage ganz innovative, seid nicht so zimperlich! Wir werden ihn euch schenken, denn euer Wohlbefinden liegt uns am Herzen!"

Da verstummten die Genügsamen, denn die Angst hatte ihnen die Kehle zur Gänze zugeschnürt und sie wussten nicht mehr, was sie erwidern sollten. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und lassen sich jedes erdenkliche Märchen aufbinden, in der Hoffnung, dass die Nimmersatten es gut mit ihnen meinen und am Ende alles wieder gut wird,

oder

wenn sie nicht gestorben sind und noch heute leben, wissen sie, dass sie die Freiheit haben sich für das zu entscheiden, was sie wirklich möchten und was ihnen wirklich gut tut,

oder

wenn sie wirklich noch nicht gestorben sind und tatsächlich noch immer leben, bauen sie einen Flugplatz zum Mond, von wo sie mit Raumanzug, Sauerstoffmaske und Gehörschutz auf ihr kleines wundersames Land blicken und sich jene Zeiten herbeisehnen, als sie dies alles noch nicht nötig hatten...