Wirtschaft | Mobilität

Der Bus-Krimi

Die Landesregierung hat die Ausschreibung der Konzessionen für die Überland-Buslinien im letzten Moment annulliert. Warum? Und welche Rolle spielt ein SVP-Bürgermeister?
Busse
Foto: LPA

Die Mitteilung kommt am Freitag um 10.20 Uhr. Zwanzig Minuten zuvor ist die Frist für die Einreichung von Angeboten für die Ausschreibung Nr. AOV/SUA SF 25/2018 abgelaufen.
Doch das ist nicht mehr wichtig. Denn im letzten Moment hat die Landesregierung die Ausschreibung annulliert. Das teilt die Landespresseagentur den Medien um 10.20 Uhr mit.
Es ist ein wahrer Krimi, der sich rund um die Neuvergabe der Konzessionen für die außerstädtischen Buslinien abspielt. In den Hauptrollen: die üblichen Verdächtigen in Bozen und in Pfalzen.

 

Fauxpas mit Folgen

 

Am Ende ging alles Schlag auf Schlag. Am Donnerstag Nachmittag wird bekannt, dass im Ausschreibungsverfahren des Landes ein formeller Fauxpas passiert ist. Als Teilnahmebedingung am Wettbewerb hatte das Land festgelegt, dass die Anbieter in das REN-Verzeichnis (Registro Elettronico Nazionale) für Personentransporteure eingetragen sein müssen. Eine Voraussetzung, die Konsortien wie LiBUS und KSM – jene zwei Player, denen durch die neuen Ausschreibungsmodalitäten bei der Konzessionsvergabe größere Chancen eingeräumt werden sollten, einen Teil des knapp eine Milliarde schweren Auftrags zu ergattern – nicht erfüllen. Und gar nicht erfüllen können, da ihnen als Dachverbände die rechtlichen Voraussetzungen für eine Eintragung ins REN-Verzeichnis fehlen. Das bestätigt der Abteilungsdirektor in der Landesabteilung Mobilität in einem Schreiben vom 3. Juli, das zwei Tage später, am Donnerstag Nachmittag an die Öffentlichkeit dringt.

Mit LiBUS und KSM wären demnach gerade jene, die von der Ausschreibung profitieren sollten, von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen. In Windeseile versuchte man am Donnerstag eine Lösung zu finden. Die Ausschreibung abändern und den Passus zur Eintragung ins REN-Verzeichnis so formulieren, dass auch LiBUS und KSM teilnehmen könnten? Die Ausschreibung verlängern, um den beiden Konsortien die Möglichkeit zu geben, sich in einem Betriebsnetzwerk (“rete d’imprese”) zusammenzuschließen und als solches in das REN-Register eintragen zu lassen? So oder so, die Türen für Schadenersatzklagen durch andere Wettbewerbsteilnehmer wären weit aufgestoßen worden. “Ich kann die Ausschreibung nicht so einfach abändern, um einen Wettbewerber doch noch hineinzubekommen”, bestätigt ein Jurist.

 

Von dem Schlamassel profitiert hätte wohl in erster Linie die SAD AG. Das Unternehmen in den Händen von Ingemar Gatterer ist in das REN-Verzeichnis eingetragen, erfüllt auch die sonstigen Wettbewerbsauflagen – und wäre dank eines kleinen Details unliebsame Konkurrenz schon vorzeitig losgeworden. Während man sich in Juristenkreisen “schockiert” von dem offenbaren Fehler beim Land zeigt und Andreas Pöder bereits eine Landtagsanfrage eingereicht hat, in der er unter anderem wissen will, wer für die “Schlamperei” verantwortlich ist, schlägt die Ironie des Schicksals zu.

 

Annullierung im letzten Moment

 

Am Freitag Morgen tritt die Landesregierung zu einer Sondersitzung zusammen. Man genehmigt den Beschluss Nr. 660: Aufhebung der Ausschreibung AOV/SUA SF Nr. 25/2018”. Es ist die Ausschreibung der zehnjährigen Konzessionen für die Überland-Buslinien. Jene Ausschreibung, die man noch am Donnerstag irgendwie hinzubiegen versuchte. Wie das Land über die hauseigene Presseagentur mitteilen lässt, sei “am selben Tag das Amtsgeheimnis und das Wettbewerbsprinzip verletzt” worden. Von “schwerwiegenden Vorkommnissen” ist die Rede, die die Landesregierung dazu bewogen hat, die Ausschreibung im Selbstschutzwege zu annullieren.

 

Man stützt sich auf Art. 21-nonies des Staatsgesetzes für Verwaltungsverfahren. Dieser sieht vor, dass eine Ausschreibung annulliert werden kann, wenn dafür ein öffentliches Interesse besteht. Und das sei in diesem Falle allemal gegeben, befindet Abteilungsdirektor Günther Burger gemeinsam mit der Anwaltschaft des Landes und der Vergabeagentur auf einer Krisensitzung am Donnerstag Nachmittag.

Es geht um Burgers Schreiben und den dazugehörigen elektronischen Schriftverkehr, aus dem hervorgeht, dass LiBUS und KSM nicht die Voraussetzungen erfüllen, am Vergabewettbewerb für die Bus-Konzessionen teilzunehmen. Und in dem Burger – er ist der Verantwortliche für das Vergabeverfahren – bittet, zu prüfen, “ob und um wie viel die Einreichefrist für die Dokumente für die erste Wettbewerbsphase verlängert werden muss”.

Dieser interne Mailverkehr zwischen Mobilitätsabteilung, Vergabestelle und Transportministerium ist in Hände geraten, in die er nicht hätte geraten dürfen. Nämlich in die der Familie Gatterer.

 

Gatterers Enttäuschung

 

“Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Kompatscher”, beginnt eine Mail, die am Donnerstag Nachmittag an eine ausgewählte Runde verschickt wird.
“Ich habe heute zufällig beiliegendes Schreiben mit unbekanntem Absender zugestellt bekommen. Ich bin SVP-Bürgermeister der Gemeinde Pfalzen und war stets der Überzeugung, dass die Südtiroler Volkspartei korrekt unser Land verwaltet. Wenn sie beiliegendes Dokument durchlesen, werden Sie meine Enttäuschung und meine Verärgerung verstehen. Eine Strafanzeige werde ich prüfen.”

Unterzeichnet ist die Mail mit “Gatterer Josef”. Im Anhang: Eine pdf-Datei mit dem Mailverkehr zwischen Günther Burger, Vergabestelle und Ministerium.

 

Josef Gatterer ist aber nicht nur Bürgermeister der Gemeinde Pfalzen. Sondern auch Vater von SAD-Mehrheitseigentümer Ingemar Gatterer, mit dem er sich sogar einen Mail-Account zu teilen scheint.
Wie die Reaktion von Gatterer senior vermuten lässt, dürfte man in seinem Hause wohl zum Schluss gekommen sein, dass man im Mobilitätsressort alles unternehmen will, um LiBUS und KSM in letzter Minute den Zugang zur Ausschreibung zu ermöglichen. Die SAD selbst bestätigt diesen Verdacht in einer Aussendung am späten Freitag Nachmittag. Indirekt gibt man zu, von der Bitte Burgers nach Überprüfung einer möglichen Ausschreibungsverlängerung Kenntnis gehabt zu haben – obwohl der Inhalt von Burgers Schreiben der Öffentlichkeit nie preisgegeben wurde.

 

Und jetzt?

 

Dass einer der Wettbewerbsteilnehmer im Besitz vertraulicher Informationen zur Ausschreibung zu sein scheint, ist mehr als fragwürdig. Für die Landesverwaltung jedenfalls Grund genug, Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft zu erstatten – wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses und Wettbewerbsverzerrung – sowie eine Eingabe bei der nationalen Antikorruptionsbehörde und der Antitrustbehörde zu machen.
Genau das passiert am Freitag Vormittag. Zeitgleich annulliert die Landesregierung die Ausschreibung, “da die Voraussetzungen des öffentlichen Interesses für die Annullierung gegeben sind, und zwar der Schutz der par conditio der Teilnehmer und die Gewährleistung der Rechtmäßigkeit, Unversehrtheit und Gesetzmäßigkeit des Verfahrens”.

Nachdem bekannt wird, dass die Ausschreibung annulliert wurde, schlägt nicht nur Andreas Pöder die Hände über dem Kopf zusammen. “Damit geht die Landesregierung endlosen Klagen der bisherigen Bieter auf Schadenersatz entgegen – und einer Blockade bzw. Verzögerung der Ausschreibung”, reagiert der Landtagsabgeordnete der Bürgerunion.

Tatsächlich tickt die Uhr. Es bleibt abzuwarten, ob die SAD den Beschluss der Landesregierung zur Annullierung der Ausschreibung vor dem Verwaltungsgericht anfechten wird. Das Land selbst jedenfalls will die Bus-Konzessionen neu ausschreiben. Aber auch dann bleibt die Frage mehr als offen, ob die Neuvergabe bis November über die Bühne gehen kann. Falls nicht, könnte der bisherige Konzessionsinhaber, sprich die SAD interimsmäßig die Busdienste weiter führen – falls man sich beim Big Player der Südtiroler Mobilität nicht weigert. “Das Chaos ist perfekt!”, bringt es Andreas Pöder auf den Punkt. Und nicht nur er schreit nach Konsequenzen. “Es wird wohl personelle Konsequenzen im Mobilitätsressort geben müssen”, steht für Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) fest. “Das Chaos wurde schließlich auch dort versursacht und noch verstärkt”, stimmt Pöder zu.