Wirtschaft | Energie

Gas-Streit im östlichen Mittelmeer

Der Konflikt um die Ausbeutung der Gasvorkommen hat das angespannte Verhältnis zwischen Griechenland und Zypern einerseits und der Türkei andererseits weiter zugespitzt.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
pixabay_oil-platform-484859_480.jpg
Foto: Pixabay

Im sogenannten Levantinischen Becken oder Levantinischem Meer lagern mehrere Billionen Kubikmeter Erdgas tausende Meter unter dem Meeresboden. Dieses Gebiet wird im Norden von der Türkei, im Westen von der griechischen Insel Kreta, im Süden von Libyen und Ägypten und im Osten von Syrien, Libanon, Israel und dem Gazastreifen begrenzt, in der Mitte liegt Zypern. Laut Experten könnte die Ausbeutung der Gasreserven nicht nur den Bedarf der Anrainerstaaten für die nächsten Jahrzehnte decken, sondern auch einen beachtlichen Beitrag zur Energieversorgung für Europa leisten.

 

Das Projekt EastMed-Gaspipeline

Anfang Jänner 2020 haben Israel, Zypern und Griechenland einen Grundsatzvertrag zur Errichtung der Gaspipeline „EastMed“ unterzeichnet. Ziel dieses Projektes ist es die Gasfelder im östlichen Mittelmeer mit Westeuropa zu verbinden. Die 1900 km lange Pipeline mit einer Jahreskapazität von 10 Milliarden Kubikmeter wird streckenweise in 3000 Meter Tiefe verlegt werden und soll ab 2025 Erdgas aus dem israelischen Leviathan-Gasfeld über Zypern und Kreta zum griechischen Festland transportieren. In Zypern könnte Gas vom Gasfeld Aphrodite in die Pipeline eingespeist werden. Vom griechischen Festland würde über die geplante Poseidon Gas-Pipeline die Verbindung zum italienischen Gas-Netzwerk hergestellt werden. Eine weitere Pipeline würde Gas in die Balkanstaaten befördern.

 Wichtigstes Abnehmerland für die EastMed-Pipeline wäre Italien, aber auch die anderen Südosteuropäischen Staaten sollen von den Erdgas-Lieferungen profitieren. Das Projekt soll geschätzte 6 bis 7 Milliarden Euro kosten und wird von der IGI Poseidon S.A. gebaut, eine 50%-50% Joint Venture Firma des Griechischen Energieversorgungsunternehmens DEPA S.A. und des italienischen Gasversorgungsunternehmens Edison S.p.A.

Die EU befürwortet das Projekt, da es einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung Europas darstellt und zu einer Diversifizierung der europäischen Gasimporte führt. Deshalb wurde das Projekt mit dem privilegierten Status „Project of Common Interest“ ausgezeichnet. Auch die USA unterstützen dieses Projekt, obwohl es eine Konkurrenz zu importiertem Flüssiggas (LNG) aus den USA nach Europa ist. Unter dem Vorwand Europa würde zu sehr von russischem Gas abhängig werden, belegten die USA die Nordstream 2 Pipeline mit Sanktionen, die Gas von Russland über die Ostsee nach Deutschland liefert. Der wahre Grund ist  aber der Plan der USA  noch mehr Flüssiggas nach Europa zu verkaufen. Bei der EastMed-Pipeline scheinen offensichtlich geopolitische Überlegungen wichtiger zu sein als wirtschaftliche, da Israel  ein wichtiger Bündnispartner der USA ist.

Die Türkei sieht das Projekt EastMed als einen Affront an, da ihre Interessen nicht berücksichtigt werden. Sie lehnt das Vorhaben seiner Nachbarstaaten schärfstens ab. Unter anderen geht es Ankara darum, den Anteil an der Gasausbeutung auch für Nordzypern zu gewährleisten, aber natürlich will die Türkei auch selbst von der Gasförderung in der Region des östlichen Mittelmeeres profitieren. Schon lange vor dem Plan der EastMed Pipeline gab es Streit zwischen Griechenland, Zypern und der Türkei bezüglich der Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan machte Mitte Dezember 2019 eine klare Ansage an die EastMed-Partner: Ohne türkische Zustimmung könnten die drei Länder die Gaspipeline nicht bauen, sagte er. Sein Außenminister Mevlüt Cavusoglu drohte sogar mit Militäreinsätzen, sollten vor Zypern Gasbohrungen vorgenommen werden.

Das militärische Engagement der Türkei in Libyen steht auch mit dem Gasstreit in Verbindung

Ankaras militärisches Engagement in Libyen hat nicht nur mit Erdogans Politik der geopolitischen Einflussnahme in Libyen zu tun, sondern steht auch mit dem Gasstreit in Verbindung. Ende 2019 unterzeichneten der türkische Staatspräsident Erdogan und der libysche Ministerpräsident Sarradsch zwei Abkommen, eines über Militärhilfe und ein zweites über einen gemeinsamen See-Korridor, der einen großen Teil der östlichen Ägäis unter beiden Ländern aufteilt. Das Seegebiet östlich von Kreta, durch das die EastMed-Pipeline geplant ist, würde unter türkische Kontrolle fallen. Dieses Abkommen würde den Einflussbereich der Türkei wesentlich erweitern und Ankara nicht nur Zugriff zu den Gasfeldern im Südwesten Zyperns, sondern auch in Gebieten der Ägäis, die bisher von Griechenland beansprucht werden, gewähren. Das bedeutet eine Ausweitung der Seegrenzen im Mittelmeer zu Lasten der EU-Mitglieder Griechenland und Zypern und widerspricht dem internationalen Seerecht, sagt die griechische Regierung. Konflikte sind vorprogrammiert, schon jetzt kommt es immer wieder zu kleineren militärischen Zwischenfällen vor der Küste Zyperns.

Welchen Vorteil hätte Europa durch die neue Gas-Pipeline?

Die Gasproduktion in Europa nimmt ständig ab, während der Bedarf an Gas steigt. Europa wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mehr Gas importieren müssen, so sehen es zumindest die Prognosen. Vor allem für die Elektrizitätsgewinnung wird Gas immer wichtiger. Als Folge des „Kohleausstiegs“ gewinnt neben erneuerbarer Energie im Stromsektor auch Gas mehr an Bedeutung.  Im Vergleich zu Kohle stößt Gas bei der Verbrennung wesentlich weniger CO2 und andere Schadstoffe aus. Um die Gasimporte stärker zu diversifizieren, kann es nur von Vorteil, sein, wenn neue Importländer erschlossen werden.

Gas machte in Europa im Jahr 2019 knapp ein Viertel des Gesamtenergie-Verbrauchs aus, in Italien ist Gas mit 40% die wichtigste Energiequelle im Gesamt-Energiemix. Europa musste im Jahr 2019 57,4% von seinem Gasbedarf importieren, während Italien mit 93,5% vom Import abhängig ist. Gas aus der geplanten EastMed- und Poseidon-Pipeline würden für Europa, aber besonders für Italien auch wegen seiner geographischen Lage eine wichtige Bezugsquelle für Gas sein und würde die Abhängigkeit von russischem Gas verringern. 2019 bezog Europa 35% und Italien 31% seiner Gasimporte aus Russland.

Hürden für den Bau der EastMed Gas-Pipeline

Neben den Konflikten zwischen den Anrainerstaaten gibt es auch noch weitere Probleme beim Bau der EastMed-Pipeline. Manche Experten zweifeln an der Rentabilität der Pipeline. Die enormen Kosten müssten ausschließlich aus privater Hand finanziert werden und das sei schwierig. Die EU befürwortet zwar das Projekt, wird sich aber voraussichtlich nicht an der Finanzierung beteiligen, da Brüssel auf erneuerbare Energieprojekte setzt.

Derzeit gibt es ein Überangebot am weltweiten Gasmarkt.  Immer mehr Länder wie Qatar, Algerien, die USA, Nigeria, auch Russland und diverse andere Gasproduzenten liefern flüssiges Erdgas (LNG) mit Schiffen nach Europa. Während Abnehmer bei Pipeline-Lieferungen langfristige Verträge abschließen müssen, können sie bei LNG flexibel und kostenbewusst disponieren. Die Turkstream - Gaspipeline aus Russland durch das Schwarze Meer in die Türkei wurde im Jänner 2020 fertiggestellt. Eine zweite parallele Pipelineröhre ist noch im Bau und soll Süd- und Südosteuropa mit Gas versorgen.  

Ob das EastMed-Pipeline-Projekt letztendlich realisiert wird, hängt neben wirtschaftlichen Überlegungen auch wesentlich davon ab, ob die Konflikte der Anrainerstaaten gelöst werden können.