Politik | Gruber-Degasperi

Der Nordtiroler und der Trentiner

Ein Nordtiroler Außenminister draußen, ein Trentiner Ministerpräsident unten. War das nicht eine schicksalsträchtige Jahrhundertkonstellation?

Während die Historiker darüber sinnieren, ob denn das Degasperi-Gruber-Abkommen ein internationales oder ein bilaterales zwischen zwei Staaten war, geht die aus euregionaler Sicht interessante Symbolik, dass ein Trentiner und ein Nordtiroler über unsere Geschicke befanden, etwas unter. Man könnte es auch als zukunfstweisendes Omen für einen vernetzten Regionalismus sehen, in dem Nachbarn aufeinander aufpassen.

Positioniert sich Kompatscher auf Prösels zwischen Faymann und Renzi, oder auf Sigmundskron zwischen Gentiloni und Kurz, so erkennt er die nationalstaatlichen Realitäten an, manövriert innerhalb einer explizit zelibrierter Staatenfreundschaft in Richtung kondominiumsartiger, noch genauer zu definierenden Zukunftskonzepte. Gut so. Politisch gesehen.

Gewiss benötigt unser ethnischer Frieden ein äußeres Gleichgewicht. Südtirol allein wird dieses selbst bei bestmöglicher Autonomiereform nie selber bieten können. Aus gesellschaftlicher Sicht könnte man aber in Frage stellen, ob es noch zeitgemäß ist, unsere innere Balance unter Supervision von Wien und Rom zu stellen. Genug der Nationaldenke, unser Weg nach Europa wird ein regionaler sein.

Wollen wir die Belastbarkeit der Bergkameradschaft von Kurz und Gentiloni nicht bei Schlechtwetter über Sigmundskron erproben müssen. Es wird Zeit, unsere Sandkastenfreunde in Trient und Innsbruck in die Pflicht zu nehmen. Sie sind es, die ein bissel auf uns aufpassen müssen. Wenn Autonomie bedeutet, regional Verantwortung zu übernehmen, dann muss man den Rockzipfel der Mamma auch einmal loslassen und – wenn es allein nicht geht – stattdessen mit der großen Schwester eine Lösung suchen.

Bei durchaus schwierigen Themen wir Toponomastik, Proporz oder mehrsprachige Schule müssen wir ja nicht immer gleich nach Rom laufen bzw. Wien anrufen. Eine regionale Schirmherrschaft für die Interessen der jeweiligen Sprachgruppen seitens Tirols und Trentinos wäre effektiver, weniger laut, langfristig konstanter und durchaus kompetenter.

Nachdem unsere dritte Sprachgruppe schon damals vergessen wurde: Unser inneres Gleichgewicht wird so lange unrund sein, bis nicht auch Chur mit ins Gesamtgebäude einbezogen wird. Umgekehrt könnte Südtirol sich ruhig den Schuh der Schirmherrschaft für die Sprachminderheiten im Trentino und jene für die Entwicklung Osttirols und von Müstair anziehen. Regionalismus ist eben auch Vernetzung, eine gegenseitige Verflechtung – ganz egal, wie lieb wir die hierarchischen Modelle auch gewonnen haben.