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Über das Leben im Lebenberg

Über die Geschichte zu Schloss Lebenberg und die Herausforderungen, die der Erhalt einer solchen Anlage mit sich bringt: Anoushka van Rossem van Sinoutskerke im Gespräch
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Foto: Museumsverband

Bis weit ins Mittelalter reicht die Geschichte des oberhalb der Ortschaft Tscherms thronenden Schlosses Lebenberg zurück. Erbaut im 13. Jahrhundert von den Herren von Marling, später in Besitz der Herren von Lebenberg und Grafen Fuchs von Fuchsberg, erfuhr die Anlage immer wieder bauliche Veränderungen. Diese ließen Lebenberg nicht nur zu einer der größten Südtiroler Schlösser werden. Vielmehr bildeten Aus- und Umbau den einzigartigen Charakter – die Gebäude gruppieren sich um kleine malerische Innenhöfe – der Anlage heraus. Nach mehreren Eigentümerwechseln des 19. Jahrhunderts befindet sich Lebenberg seit 1925 im Besitz der aus Holland stammenden Familie van Rossem van Sinoutskerke, die das Schloss bis heute bewohnt.

Franziska Luther: Wie kam Ihr Vorfahre, der Holländer Adrian van Rossem van Sinoutskerke, dazu, Schloss Lebenberg 1925 zu erwerben?
Anoushka van Rossem van Sinoutskerke: Mein Großvater Adrian van Rossem van Sinoutskerke hatte Geld (lacht) und Meran war zu jener Zeit ein international bekannter Ort. Er war nicht der einzige Holländer in Meran, im Gegenteil, es gab eine ganze Gemeinschaft an Holländern, die in Meran ihre Ferien verbrachten. Auf der Suche nach einer standesgemäßen Bleibe standen Schloss Lebenberg und Schloss Goyen, welches in der Nähe von Schenna auf der anderen Talseite liegt, zum Verkauf. Er entschied sich dann für Lebenberg, was von der Lage her zwar nicht sehr begünstigt von der Sonne ist, jedoch einen umfangreichen Waldbesitz mit einschloss. Er hat immer gesagt, was schließlich auch zu einer Familiengeschichte geworden ist, dass Wald wie ein Sparschwein ist. Nach den verschiedenen Besitzerwechseln des 19. Jahrhunderts war das Schloss in einem ziemlich desolaten Zustand. Mein Großvater hat mit viel Liebe und Geschmack die Räumlichkeiten wieder hergestellt, wobei er Recherchen zu der ursprünglichen Einrichtung angestellt hatte und ihm aber auch originale Stücke wieder angeboten wurden. Gerade im Winter ist die Sonne bereits um zwei Uhr verschwunden, weshalb wir etwas neidisch nach Goyen schauen, die lange Sonne haben. Aber das mit dem Wald ist schon wahr und ich kann heute sagen, dass mein Großvater langfristig und vorausschauend geplant hat.

Sie sind hier aufgewachsen?
Ja ich bin hier aufgewachsen.

Wie viele Zimmer hat das Schloss? Entdecken Sie ab und zu noch einen neuen Winkel?
Das Schloss hat um die 60 Zimmer. Etwas Neues entdecke ich nicht mehr, da ich hier aufgewachsen bin. Als Kind geht man gerne auf Entdeckungsreisen, vor allem dorthin, wo man eigentlich nicht darf, zum Beispiel auf Dächer, Dachböden oder in Keller. Auch meine Kinder kennen jede Ecke, was in der Natur der Dinge liegt.

In den schönen Monaten von Ostern bis Oktober haben wir für das Publikum geöffnet, die das Schloss natürlich wunderschön finden. Im Winter ist es aber oftmals alles andere als schön: es ist ungemütlich und mühsam. 
(Anoushka van Rossem van Sinoutskerke)

Was unterscheidet Lebenberg von anderen Schlössern in Südtirol?
Ich glaube, wir sind eines der wenigen Schlösser, die noch von den Besitzern bewohnt werden. Natürlich gibt es auch noch einige andere. Dadurch hat man einen ganz andern Zugang zum Schloss selbst. Für mich steht nicht so sehr im Vordergrund, wie viele Besucher wir haben, sondern, dass die Anlage erhalten werden muss, weil es das eigene zu Hause ist. Das ist meiner Meinung nach ein wesentlicher Punkt. Wir wohnen auch das ganze Jahr hier. In den schönen Monaten von Ostern bis Oktober haben wir für das Publikum geöffnet, die das Schloss natürlich wunderschön finden. Im Winter ist es aber oftmals alles andere als schön: es ist ungemütlich und mühsam. Aber nur so kann man ein so großes Objekt dauerhaft erhalten, indem man das ganze Jahr selbst dort wohnt und sich kümmert. Das sind ganz banale Dinge. Nach jedem Regen muss man schauen gehen, ob es irgendwo hineinrinnt. So ist man gleich vor Ort und kann Schäden sofort entgegenwirken. Jedes Gebäude, welches mit Leben erfüllt ist, wo die Fenster bei Sonnenschein geöffnet werden, erhält sich leichter. Komfort und Luxus ist aber etwas anderes, das wird fast jeder Schlossbesitzer bestätigen.

So ein Schloss schlägt auch bei der Einrichtung und Reparaturen zu Buche…
Viele Sachen macht man selbst. Aber für einige Angelegenheiten braucht man einen Fachmann und da ist es dann natürlich ein großer Unterschied, ob es 80, 90 oder eben viel mehr Quadratmeter sind. Es gibt so gut wie keine 90-Grad-Winkel, sodass selbst der Einbau einer Standardküche zu einem großen Unterfangen wird.

Neben den Schwierigkeiten gibt es aber sicher auch positive Aspekte, die Sie am Leben in alten Mauern faszinieren?
Es ist eine Aufgabe das Schloss zu erhalten. Ich kann mich aber noch an den vielen schönen Ecken und der tollen Aussicht erfreuen. Die Arbeit ist sehr vielfältig und intensiv, da zu Lebenberg – auch eine Besonderheit – ein geschlossener Hof mit Landwirtschaft gehört. Das Eine erhält das Andere. So lange ich mich noch erfreuen kann und die positiven Dinge überwiegen, ist alles in Ordnung. Wenn man sich aber nicht mehr erfreuen kann und keine Leidenschaft mehr verspürt, kann man die Arbeit nicht mehr gut machen und sollte sich fragen, ob das noch das Richtige ist. Gott sei Dank habe ich auch drei kräftige Söhne, die mich gerade bei den schweren Arbeiten unterstützen. In den kommenden Tagen müssen wir zum Beispiel das Holz zum Heizen für den Winter in den Palas bringen.

Seit wann ist Lebenberg für die Öffentlichkeit zugänglich?
Lebenberg ist seit den 70er Jahren für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Das war eine Entscheidung meines Vaters, damit das Schloss erhalten bleiben kann. Damals war es in der Landwirtschaft eine schwierige Zeit. Die Besucherzahlen sind bis heute nicht sehr groß, wir sind noch ein Geheimtipp. Für Werbung steht uns meist kein Budget zur Verfügung, da viele andere Investitionen, wie kürzlich 600 m2 Dach, was nur ein Drittel der Dachfläche ist, neu gedeckt werden musste. Die Erhaltungskosten sind wahnsinnig hoch. Die Einnahmen aus den Besichtigungen helfen uns dabei, diese Kosten zu bestreiten.

Wie schaut denn ein typischer Rundgang für den Besucher aus?
Der Besucher kommt von der Nordseite, die ziemlich wenig verspricht, hinein in den Zwinger. Von dort hat man schon eine wunderbare Aussicht auf Meran. Von dort geht man durch eine runde Tür in einen großen Hof mit mediterraner Vegetation und die Anlage öffnet sich nach Süden. Langsam geht man dann hinauf durch weitere Innenhöfe und kann schließlich die vollständig eingerichteten Räume des Palas besichtigen. Die Führung endet dann in unserem französisch-italienischen Rokoko-Garten, der eine herrliche Aussicht über das ganze Etschtal bietet.

Salto.bz in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Museumsverband
www.museumsverband.it