Gesellschaft | Österreich

Die #MeToo-Welle und die Affäre Pilz

Mit dem Rücktritt des Ex-Grünen Peter Pilz ist der #MeToo-Tsunami auch in Österreich angekommen. Gedanken zur neuen Frauenrevolte.
Pilz, Peter
Foto: TAZ
Ja der Rücktritt von Pilz ist sündenschade, aber von Personen mit öffentlicher Verantwortung (+Macht) ob Politiker, Medienleute etc. erwarten wir ja auch in anderer Hinsicht moralisch-ethische Integrität (Antisemitismus, Rassismus, Korruption..). Insofern hat er das einzig Richtige gemacht. 
Handelt es sich dabei um eine Racheaktion der Grünen, gar um eine politische Intrige der Rechten? Kann sein. Ich bin mir da nicht so sicher. Ich halte es fast für wahrscheinlicher, dass die verspäteten “Pilz-Enthüllungen” ein Ergebnis der #MeToo-Welle sind. Ich glaube, dass man noch nicht richtig Ausmaß, Dimension und Folgen der #MeToo-Revolution erkannt hat. Das ist eine neue Frauen-Kulturrevolution, ermöglicht durch Internet. Allein in den ersten Tagen nach den Weinstein-Anschuldigungen gab es 30tausend #MeToo-Einträge. 
Nach den Suffragetten über 1968er+Feminismus mit Scheidung, Pille, Abtreibung bis hin zu Gleichbehandlungsgesetzen (und vielem anderen) hat jetzt mit dem coming out-Tsunami eine neue Ära im Geschlechterverhältnis begonnen. Und: bei jeder Revolution müssen Köpfe rollen. 
Hauptwirkung: ab jetzt weiss jeder Mann, dass er für jede seiner Handlungen sehr schnell und öffentlich wirksam am Pranger stehen kann - das wird vieles ändern. Gut so.
Diesmal waren nicht Studentinnen oder Feministinnen die Initialzündung, sondern Hollywood. Inzwischen hat es die Politik erreicht - von den britischen Tories über den Front National bis zu Pilz. Schauen wir who‘s next. 
 

Drei große Gefahren 

 
1. Könnte ein neuer Puritanismus um sich greifen. Die Gefahr, dass jede anzügliche verbale Bemerkung schon als sexuelle Belästigung interpretiert wird und die Grenzen zwischen ungebührlich-unwürdigem Benehmen und echter sexueller Aggression vollkommen verwischt werden. “Hallo Schatzl, pack dein Höschen ein und fahr mit mir auf Urlaub” (Pilz angeblich zu seiner Assistentin) ist zwar in eine übergriffige Bemerkung, auf die Frau durchaus mit einer forschen Zurechtweisung reagieren sollte, sofern sie das nicht als Kompliment auffasst. Aber sexuelle Aggression ist was anderes. In jedem Fall ist die Grenze überschritten, sobald körperliche Berührung (Grapschen) oder sehr explizite sexuelle Aufforderungen, Gesten etc. passieren. Aber die vielen, vielen Fälle einer übersteigerten political correctness z.B. an amerikanischen Universitäten sollten uns auch vor diesem Fanatismus warnen.  
Wenn Dutzende Professoren und Lehrbeauftragte ihren Job zurücklegen, weil sie nicht mehr frei unterrichten können, dann ist das gefährlich. Wenn klassische Literatur aus dem 19. Jahrhundert nicht mehr auf der Leseliste sein darf – oder nur mit einer entsprechenden Warnung! – weil darin eine drastische Schilderung einer Vergewaltigung vorkommt und das eine Leserin retraumatisieren könnte, ist das das Ende der Freiheit der Kunst und der Ideen. Über diese und noch schlimmere Fälle aus den USA gibt es Tonnen Berichte. 
Die Gefahr, dass jede anzügliche verbale Bemerkung schon als sexuelle Belästigung interpretiert wird und die Grenzen zwischen ungebührlich-unwürdigem Benehmen und echter sexueller Aggression vollkommen verwischt werden
2. Sosehr das Internet ein ganz wichtiges Instrument dieser neuen emanzipatorischen Welle ist, beinhaltet es natürlich auch sämtliche Gefahren der neuen Social-Media-Kultur: jeder kann jeden beschuldigen, anklagen, anprangern ganz egal, ob die Vorwürfe stimmen oder nicht. Und mit der Beschuldigung ist das Urteil schon gesprochen. Gegenwehr gegen die öffentliche Ächtung wird dann sehr schwierig. Siehe dazu den kurzen aktuellen Artikel des Zeit-Herausgebers Joffe:
 
3. Die dritte Gefahr ist ein backlash der Männer (aber auch nicht weniger Frauen), gegen die political correctnes allgemein. Die erste Serie der postings zur Affäre Pilz in der Zeitung “Kurier” geht fast ganz in diese Richtung: Verbotsgesellschaft, die grünen Flintenweiber usw. Da bekommt der arme Peter Pilz Unterstützung von Leuten, die mit Grün oder Links schon gar nichts am Hut haben, denen aber der (oft zugegebenermaßen übertrieben) erhobene Zeigefinger der links-grün-feministischen Szene seit jeher ein Gräuel ist. Strache, AfD, Trump & Co profitieren davon maßgeblich.