Kultur | Theater

Das Glück rennt hinterher

Im Alter von 79 Jahren ist der Theaterpionier Franco Marini in Meran verstorben. Er liebte das scharfzüngige und kritische Volkstheater - hier ein Porträt.

Schuld ist die Gemüsesuppe der Frau Marini, oder war’s der Strudel? Schuld daran, dass aus keinem der Meraner Marinis ein Berufsschauspieler geworden ist. „Die wäre uns schrecklich abgegangen, wenn wir wirklich nach Wien oder Berlin gezogen wären, was täten wir dort ohne diese Supp’n!“ Den Satz bringt Franco Marini gern als Kommentar auf die Frage, ob denn das Theater als Beruf niemals eine wirkliche Alternative war. Die Gemütlichkeiten im kleinen Meran waren nicht aufzuwiegen mit den Erzählungen, die andere von auswärts heimbrachten. Und Theater habe er sowieso sein ganzes Leben lang gemacht und macht es noch. Ob als Gründer des Theaters in der Klemme, als Possenschreiber für den Meraner Gesangsverein, als Schauspieler für Film und Theater oder als Regisseur von Horvath- und Ionesco-Stücken im Theater in der Altstadt. „Das hat sich alles von selbst entwickelt, als junger Bursch war ich ja in der Lehre und hab Schriften gemalt, da kam dann einer und sagte, ja, du bist ja ein Schriftenmaler, und dann ging es weiter in diesem Beruf, bis mich einer einen Grafiker nannte, und so ist das auch beim Theater gegangen.“

Die Brüder Hansi und Viktor, später dann auch Raimund sind in der Meraner Kultur- und Theaterszene überaus präsent, man kam aus einem Elternhaus in dem vor allem die Mutter die Familie mit ihrer Musikalität und ironischem Witz auf Trab hielt, wie Franco Marini erzählt. „Sie hat uns immer gepflanzt, wenn es irgendwo um die „berühmten Marini-Brüder“ ging.“ Er war der Letzte, der in das Theatermilieu hineinschlitterte, zunächst mit Texten und Sketchen für die Meraner Narrenabende. „Der bunte Abend wurde groß und größer aufgezogen, zuerst mit einer kleinen Kapelle, dann mit einem Orchester und schließlich landete man im Kurhaus anstatt im Gasthaus.“ Früher habe man den Abend gemacht, um Geld für die Vereinskasse zu haben, jetzt suche man nach Sponsoren, um den Abend zu finanzieren.

Franco Marini muss nicht nach launigen Wendungen suchen, die Welt ist absurd und er spricht das dazugehörige Bonmot. Wobei er auch das Wort „Bonmot“ durch seine Wortverdrehungsmaschine schicken würde, denn die pompösen und geschraubten Begriffe sind ihm zuwider. Ein Theatermensch sei er vor allem deshalb, weil er sich viel im Theater aufhalte und dass er schließlich Regisseur wurde, lag daran, dass er auf den Proben zuviel dreinredete. „Wenn du sowieso dauernd die Papp’n offen hast, kannst auch gleich den Regisseur machen.“ Vereinfacht gesagt – natürlich - war das so.

Franco Marini ist der Spezialist für die absurd-schnurrigen Bühnenstoffe, inszeniert aber auch Felix Mitterer, Ödön von Horvath, das Ambros-Rustikal vom Watzmann oder ganz und gar vergessene Autoren. Immer mit Verve, mit Witz, denn ohne Satire keine Gesellschaftskritik. Seinen Lieblingsautor Bert Brecht hat er bislang nur in seiner Fantasie inszeniert, zu groß scheint ihm der Ballast, der interpretatorisch auf Brecht lastet. „Das ist eine Gefühlssache und außerdem eine politische Angelegenheit. Wenn ich Brecht mache, will ich nichts streichen, und ich glaube, auch die Schauspieler müssten politisiert sein, Brecht muss man politisch auf die Bühne bringen, das ist nicht nur Theaterästhetik.“

Das Künstlertalent hat Franco Marini an seine Kinder weitergegeben, Tochter Martina ist Tänzerin und Sohn Gregor Musiker. Die Musik sei überhaupt das, was ihn versöhne mit den großen und kleinen Konflikten des Lebens, Kurt Weill oder Richard Strauss, aber vor allem Gustav Mahler. Das zeige ihm, dass er doch ein ernsthafter Mensch ist.

Aus dem Buch Theatermenschen von Christine Helfer, erschienen im Raetia Verlag im Jahr 2010