Wirtschaft | Wasserkraft

Qualitative Bremse

Qualität statt Quantität soll nun auch als Leitmotiv für die heimische Wasserkraft gelten. Doch bislang bleibt die Politik laut Produzenten das Werkzeug schuldig.
Wasserkraft
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Wenn der Umweltlandesrat und der Energielandesrat über die Wasserkraft sprechen, kann’s schon mal eng werden. Doch zumindest am gestrigen Montag schien Richard Theiner den Zielkonflikt seiner beiden Ressorts problemlos zu meistern. „Es war an der Zeit, ein Gleichgewicht zwischen sinnvollem Nützen und notwendigem Schützen der öffentlichen Gewässer herzustellen“, erklärte der Landesrat am Montag auf einer Pressekonferenz. Der Anlass? Eine erste Bilanz zu den Auswirkungen der neuen Spielregeln für die Vergabe von kleinen und mittleren Wasserkonzessionen. Bald zwei Jahre ist es her, dass diese mit dem Landesgesetz Nr. 2/2015 überarbeitet wurden. Vorbei mit wenig Transparenz, schwieriger Bearbeitung, unsicheren Verfahrenszeiten und fehlenden Schutzkriterien für Gewässer, wie Theiner die Ausgangssituation schilderte, die ihm aus den Goldgräberjahren der Ära Durnwalder vererbt worden war. Statt dessen halte die neue Landesregierung die Konzessionsbewerber nun im Tausch gegen klare und transparente Kriterien sowie kürzere Verfahrenszeiten auch bei mittleren Konzessionen an, mit den sogenannten Umweltgeldern Ausgleichszahlungen für die Nutzung öffentlicher Ressourcen zu leisten.

Und wie Theiner mit sichtlichem Stolz vorführte: Die Wirkung bleibt nicht aus. Das zeigt sich vorerst insbesondere am Abbau des Staus an Ansuchen, der sich beim Amt für Stromversorgung angesammelt hatte. 418 Gesuche, 230 für kleine und 188 für mittlere Kraftwerke, lagen dort Anfang 2015 noch auf. Heute sind es nur mehr 159, von denen 68 nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes eingereicht wurden, erklärten der Landesrat und sein Abteilungsdirektor Flavio Ruffini. Vor allem die Festlegung der besonders sensiblen Gewässerabschnitte, die dem Gesetz im Juli 2015 per Beschluss der Landesregierung nachgereicht wurde, habe den Ansturm auf die heimischen Gewässer deutlich reduziert. „80 Ansuchen wurden archiviert, da sie für Flussabschnitte eingereicht wurden, die aus ökologischer Sicht als besonders sensibel und schützenswert gelten“, so Theiner.  

Intensive Nutzung

Ein Einbremsen, das höchst an der Zeit war, belegte der Landesrat anhand eines Vergleichs mit den Tiroler Nachbarn. Denn obwohl dort sowohl die Landesfläche als auch die Niederschläge weit höher ausfallen, liegen die beiden Provinzen bei Gesamtproduktion und Kraftwerken fast Kopf an Kopf. 1008 Kraftwerke sind es in Südtirol mittlerweile, davon 823 Kleinkraftwerke und 29 Großkraftwerke. Damit die die heimischen Gewässer beim Run auf die lukrative regenerative Energie nicht vollständig unter die Räder kommen, habe man versucht, in einem intensiven Prozess mit den wichtigsten Akteuren zu einem Gleichgewicht aus ökologischen und ökonomischen Ansprüchen zu kommen, erinnerte Richard Theiner an den sogenannten Energietisch. Die Conclusio: Der Goldrausch ist endgültig vorbei. „Das große Potential heute heißt Effizienzsteigerung der bestehenden Werke“, erklärte der Energie- und Umweltlandesrat. Hier sei noch weit mehr Produktion möglich als heute. „Dagegen gibt es sicher kein großes Potential mehr in der Verbauung von bisher ungenutzten Gewässerabschnitten.“ Denn bis auf wenige Abschnitte, die „jeder Ingenieur im Land kennt“, wie Theiner und Ruffini meinten, sei das Potential ausgeschöpft.

 

Riskante Optimierung

Eine Tatsache, die man auch beim Südtiroler Energieverband  (SEV) zur Kenntnis nehmen musste. „Die goldenen Zeiten sind vorbei“, lautet die Schlussfolgerung, die Geschäftsführer Rudi Rienzner dort nicht nur angesichts rückgängiger Strompreise und Förderungen für regenerative Energie zieht. So manch gutes und sinnvolles Konzessionsgesuch sei vor allem durch die lange Wartepause auf dem skandalerschütterten Südtiroler Energiemarkt zunichte gemacht worden, kritisiert er. „Rechnet man die Durchführungsbestimmungen mit ein, für die wie erst kürzlich am Energietisch die letzten Weichen gestellt haben, hat die ganze Neuregelung gut vier Jahre gedauert“, sagt Rienzner. Entsprechend lange mussten auch vielversprechende Projekte auf Eis gelegt werden, die nun nur unter weit ungünstigeren Konditionen verwirklich werden können.

Dass die neuen Regeln nicht im stillen Kämmerlein, sondern über den schwierigen Weg der Miteinbeziehung aller Player ausgearbeitet wurden, wie Landesrat Theiner am Montag unterstrich, stößt zumindest beim SEV-Geschäftsführer auf wenig Dankbarkeit. „Dieser Energietisch war ähnlich feigenblattmäßig wie der Konvent“, sagt Rudi Rienzner. „Denn es ist zwar viel diskutiert worden, doch letztendlich wurden wir immer vor vollendete Tatsachen gestellt, die bereits von den Ämtern ausgearbeitet worden waren.“ Einer Meinung ist der SEV-Geschäftsführer mit dem Landesrat dagegen über das Potential, das in der Optimierung der bestehenden Kraftwerke liegt. „Man spricht davon, dass man die Kapazität der bestehenden Konzessionen um 15 bis 20 % erhöhen und dabei dank neuerer Technologien die Gewässer sogar stärker schonen könnte“, sagt Rienzner. Obwohl dies der heimischen Stromwirtschaft beim Energietisch auch als Köder im Tausch gegen den stärkeren Gewässerschutz serviert worden wäre, sei die Politik bislang die dafür notwendigen gesetzlichen Regeln schuldig geblieben, kritisiert Rudi Rienzner. „Denn wenn man eine Konzession heute optimieren will, müsste sie neu ausgeschrieben werden“, sagt er. Damit müssten sich Konzessionsinhaber aber dem Wettbewerb stellen und riskieren, ihre Konzessionen zu verlieren. Deshalb braucht es laut Rienzner dringend Gesetzesvorlagen, die einen anderen Weg eröffnen, um Südtirols Energieerzeugung effizienter und zugleich ressourcenschonender zu machen. „Doch diesbezüglich ist in den vergangenen beiden Jahren überhaupt nichts passiert.“