Gesellschaft | Covid-19

Sperrt die Alten ein - Teil 2

... und lasst sie weiterhin nicht allein. Wir brauchen objektive Daten, Informationen und spezifische Strategien.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Dank einiger Kommentare zum ersten Artikel  war es mir möglich verschiedene weitere Datensätze ausfindig zu machen und Daten aus Schweden, der Schweiz, Italien und Südtirol zu einem einzigen Datensatz zu kombinieren. Dieser simuliert jene Daten, für welche ich im ersten Artikel die Offenlegung forderte (und weiterhin fordere): 

  • Die gesamte Anzahl der Infizierten pro Altersgruppe;
  • Die gesamte Anzahl der Hospitalisierten pro Altersgruppe (und der prozentuelle Anteil);
  • Die gesamte Anzahl der Intensivpatienten pro Altersgruppe (und der prozentuelle Anteil);
  • Die gesamte Anzahl Verstorbener pro Altersgruppe (und der prozentuelle Anteil);
  • Falls vorhanden, die Resultate des „Contact-Tracing“, also welche Bereiche hauptsächlich für die Erstansteckung verantwortlich waren (also Ansteckungen außerhalb des familiären Umfeldes).

Nochmals zur Erinnerung: ich persönlich halte bis auf objektiven Gegenbeweis Covid-19 für eine ernstzunehmende Erkrankung und möchte mich wenn möglich nicht damit anstecken, da (noch) niemand wissen kann, ob und welche Langzeitschäden es geben könnte. Nichtsdestotrotz wundert es mich, wieso einfachste Daten und Informationen - die den Entscheidungsträgern zur Verfügung stehen und als Entscheidungsgrundlage dienen müssen - nicht veröffentlicht werden. 

Die Resultate der Berechnungen sind wie alle Statistiken zu interpretieren, da sie per Definition nicht korrekt sind (da ja aus verschiedenen Datensätzen - deshalb die Notwendigkeit der Offenlegung sauberer Daten). Die Ausarbeitung ermöglicht aber Tendenzen zu erkennen und wiederum die richtigen Fragen zu stellen - mein Hauptthema aus dem ersten Teil.  Der Artikel ist in zwei Teile geteilt: ein erster Teil, der die Ergebnisse zusammenfasst und ein zweiter eher technischer Teil, der die Rechungen und Logiken nachvollzieht, sowie für Interessierte weitere Statistiken zur allgemeinen Mortalität beinhaltet. Einige Aussagen beziehen sich auf Quellen im ersten Artikel, welche hier nicht nochmals explizit ausgewiesen werden.

Zu den Ergebnissen:

Wenn wir in Südtirol für Covid-19 eine maximale Bettenkapazität von 500 normalen Betten und 40 Intensivbetten einplanen, überlastet das Sanitätssystem sehr schnell. Im Durschnitt auf die gesamte Bevölkerung reichen 10.800 Infizierungen (Überlastung der normale Betten) oder 8.600 Infizierungen (Überlastung der Intensivbetten). Prozentuell reichen respektive 2,03% und 1,61% Infizierte in der Südtiroler Bevölkerung. Beindruckende Zahlen.

Im italienischen Durchschnitt werden 4,6% der infizierten Hospitalisiert und 10,3% dieser werden intensiv behandelt (anders gesagt 0,47% der Infizierten müssen Intensiv behandelt werden).

In einfachen Zahlen: Im Durchschnitt müssen 10 Personen auf 250 Infizierte (1 auf 25) hospitalisiert  werden. Eine dieser 10 hospitalisierte Personen muss Intensiv behandelt werden. Für mich subjektiv gesehen ganz schön viel. 

Es handelt sich aber wie gesagt um den Durchschnitt. Durschnitte sind gleichsam verführerisch und trügerisch. Nehmen wir dieses Beispiel: die Durchschnittsgröße der Italiener leigt laut Wikipedia bei 1,75m. Nehmen wir an es gäbe eine Krankheit, bei der sich alle unter 1,75m infizieren.Infizieren sich Alle? Die Hälfte? Wie Viele? Was sagt uns der Durchschnitt? Man muss die Daten und vorhandenen Informationen immer im Detail anschauen und auswerten. Machen wir das mit den oben genannten Daten  ergibt sich folgendes spezifisches Bild:

N.B.: die schwedischen Daten (hier zugrundeliegend) zeigen bei den 0-9 jährigen viel höhere Zahlen als die italienischen und schweizer Daten (tendierend gegen Null). Wieso dies so ist, kann ich nicht sagen. EIne Annahme wäre, dass die angeführten Gesamtinfektionen in dieser Altersgruppe in Schweden sehr gering sind und somit einige wenige Fälle zu verhältnismäßig höheren Prozentsätzen führen. Dies ändert aber nichts am Gesamtbild.

Nimmt man die Todesfälle mit in die Grafik ergibt sich folgendes Bild:

Es gibt objektiv große Unterschiede in den Altersgruppen, die meisten Hospitalisierungen (und Sterblichkeit) in den Altersgruppen 70-79 und 80+, die meisten Intensivfälle hingegen in den Gruppen 60-69 und 70-79.

Nehmen wir die Hospitalisierungs- und Intesivbettenraten pro Altersgruppe, ergibt sich folgende Antwort auf die Frage: bei wie vielen infizierten pro Altersgruppe überlastet unser Sanitätssystem?

Unter 40 Jahren passiert nichts. Kompliziert wird es ab 50, extrem schwierig ab 70 und 80, wo sehr geringe Infizierte (auch nur 2000 Infizierte) zu Überlastung führen. Dass bei gleichzeitiger Ansteckung aller Südtiroler das System kollabieren würde ist somit klar ("theoretisch" 30.000 hospitalisierte und 3.000 Intensivbetten - wenn auch extrem unterschiedlich aufgeteilt).

Es fehlt aber noch ein wichtiger letzter Teil: wir müssen noch weiter in die Tiefe der Daten gehen. Es fehlt das Contact-Tracing. Wo und wie haben sich die Infizierten angesteckt und zu welchen Zahlen führen diese Ansteckungen?

Es gibt Studien [1], die zeigen, dass sich 18-20% der Infizierten in Krankenhäusern angesteckt haben. 

Eine einfache Überlegung: jede Infektion im Krankenhaus führt automatisch zu 100% Hospitalisierung- die Patienten sind ja schon im Krankenhaus. Es ist zudem anzunehmen, dass diese Personen zu den Hochrisikopatienten gehören, bzw. besonders verletzlich sind und deshalb einen schlechteren Krankheitsverlauf haben. Werden also z.B. im Durchschnitt insgesamt 20% hospitalisiert - wären rechnerisch gesehen alle (!) Hospitalisierungen auf Ansteckungen in Krankenhäusern zurückzuführen und Null (!) auf die externen Ansteckungen. Es ist ein unglaubliches Beispiel  - ich persönlich gehe nicht davon aus, dass es sich so extrem verhält - doch aber signifikant Unterschiede gibt.

Zum besseren Verständnis simuliere ich die Rechnung auf die besonders exponierte Altersgruppe von 70-79.  

Hier bewahrheitet sich das, was in der Statisik als Pareto-Pinzip bekannt ist. 20% der Fallzahlen verursachen 80% der Wirkung und umgekehrt. Würde sich dies bewahrheiten es so, hätten wir kein pandemisches Problem, sondern ein "Krankenhausproblem".

Zusammenfassend: 

  • Die durchschnittlichen Zahlen deuten auf eine sehr schnell Überlastung der Sanität hin.
  • Die vorhandenen Daten in den verschiedenen Altersgruppen sind sehr unterschiedlich, so gesehen ist der Durchschnitt wenig aussagekräftig.
  • In gewissen Altersgruppen (z.B. 70-79) sind die Prozentsätze die zu Hospitalisierung (25% der Infizierten !) und Intensivtherapie führen (8,3% der Hospitalisierten) extrem hoch.
  • Es liegt daher die Frage nahe, ob es nicht nur zwischen den verschiedenen Altersgruppen, sondern auch IN den verschiedenen Altersgruppen sehr unterschiedliche Auswirkungen gibt.

Ich kann nicht nachvollziehen, wieso diese Daten und Informationen nicht offziell und öffentlich verfügbar sind und auch so kommuniziert werden. Wäre ich ein Entscheidungsträger, der harte Lockdowns u.ä. rechtfertigen müsste wäre dies eigetnlich leicht zu rechtfertigen: "die Lage ist sehr ernst. Denken wir daran, dass bei Mitbürgern über 70, eine(r) auf vier infizierte hospitalisiert werden muss. Eine(r) auf vier. Und eine(r) auf Zehn infizierte muss intensiv behandelt werden.". Dies würde doch zu sehr großem Verständnis und Akzeptanz führen?

Ich kann mir eigentlich nur drei Szenarien vorstellen (wahrscheinlich gibt es aber noch weitere. Welche?):

  • Die Daten sind einfach nicht vorhanden, bzw. wurden nicht zu Informationen verarbeitet.
    • Ich kann mir diese Option nicht vorstellen, denn sie wäre ein organisatorisches Totalversagen. Die Daten sind in den Krankenhäusern sicher vorhanden - wenn auch nur in den Krankenakten.
  • Die Daten verhalten sich auch in Südtirol wie im oberen Teil und in den spezifischen Altersgruppen generalisiert (also der Durchschnitt trifft undifferenziert auf die Art und den Ort der Ansteckung zu).
    • In diesem Fall verstehe ich nicht, wieso nicht objektiv so kommuniziert wird, um Akzeptanz und Verständnis zu schaffen.
  • Die Daten verhalten sich hingegen in etwa wie im zweiten Teil, sind also sehr unterschiedlich, was Altersgruppe UND Ansteckungsart angeht - Krankenhäuser und Altersheimer stehen hier als "Problem" im Mittelpunkt.
    • In diesem Fall bräuchte es eine ebenso klare und neutrale Kommunikation und vor allem gänzlich andere und spezifische Maßnahmen.

Quellen:

[1] https://www.nuffieldtrust.org.uk/resource/chart-of-the-week-the-share-of-covid-19-infections-occurring-within-hospital-is-growing-as-cases-rise 

******* es folgt technischer Teil zur Ausarbeitung der Daten ********

A
Schweden
https://experience.arcgis.com/experience/09f821667ce64bf7be6f9f87457ed9aa 

B
Schweiz
https://rsalzer.github.io/COVID_19_AGE/

C
Südtirol
https://astat.provincia.bz.it/downloads/Siz_2019.pdf 

C
Italien
https://www.agenas.gov.it/covid19/web/index.php?r=site%2Fgraph1 

*
Berechnung abgeleitet

Ziel der Berechnungen ist es: Ausgehend von einer gewissen Anzahl von Infizierungen zu verstehen, zu welcher Anzahl an Hospitalisierungen, Intensivpatienten und Verstorbenen führen - aufgeschlüsselt nach Alterskategorie.

Da diese Daten (bis Heute, nach meinem Wissens- und Nachforsch-Stand) im Block nicht verfügbar sind, wurden 3 verschiedenen Datensätze miteinander kombiniert.

Für die Berechnungen wurden also die Infektionsdaten von Schweden herangezogen, sowie die Prozentsätze der Hospitalisierten nach Altersgruppe der Schweiz. Diese wurden mit dem italienischen Mittelwert für Hospitalisierungen (4,6%) aufgeschlüsselt und auf die verschiedenen Alterskategorien aufgeteilt. Schweden unterscheidet auch die Altersgruppe 90+, die Schweiz nur 80+, also wurden die Daten zusammengelegt.

Die gleiche Logik wurde auf die Intensivpatienten angewandt (italienischer Schnitt: 10,3% der Hospitalisierungen werden zu Intensivpatienten). Unter Verwendung der Prozentsätze der Aufteilung auf verschiedenen Altersgruppen mit den schwedischen Daten und dann der Aufteilung nach Alterskategorie, mit der Annahme der italienischen Anzahl an Intensivpatienten.

Ähnlich verhält es sich mit der Berechnung der Verstorbenen.

Caveat 1: Bei den Informationen, die für alle Datensätze vorhanden sind (zB Sterblichkeitsrate pro Altersgruppe) gibt es Unterschiede. In der Tendenz sind alle gleich, in den jeweiligen Altersklassen kann es aber auch stärkere Unterschiede geben (z.B. Sterblichkeit 80+ Italien bis 30%, Schweiz ca. 13%. Dies hängt sicher von mehreren Faktoren ab (Qualität der Leistungen, Struktur der Bevölkerung, punktuelle oder diffuse Überlastung, Verbreitung in spezifischen Strukturen (Krankenhäuser, Altersheime etc.)

Caveat 2: es handelt sich um eine Schätzung/Umrechnung um um Tendenzen zu erkennen. Es geht gar nicht um die punktuell genau und exakten Daten (wäre nur mit offiziellen kompletten Datensätzen möglich), sondern darum das "große Bild" zu verstehen.

Caveat 3: Da es sich immer nur um "Teildaten" handelt, könnte es sein, dass diese insgesamt "verzerrt" oder auch überschätzt sind. Dies hängt sehr stark mit Contact-tracing und Ursachenforschung zusammen Ein Beispiel: hat man bei den 70-79 jährigen  eine Hospitalisierungsrate von 25% (einer von vier!) und eine Intensivrate von 2% (2 von 100 Infizierten bedürfen Intensivpflege) kann dieser allgemeine Datensatz extrem verzerrt sein, wenn es sich um eine "Sub-Population handelt)

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rotaderga Mo., 07.12.2020 - 07:58

Absolute Zahlen und Prozente, an diesen Größen scheitert die Mehrzahl Südtiroler Politiker- außer es geht um das eigene Portemonnaie.

Mo., 07.12.2020 - 07:58 Permalink